Bestseller "Rubinrot" verfilmt:Mit Turnschuhen unterm Reifrock

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Gwendolyn (Maria Ehrich) erhält einen Ring von Falk de Villiers (Uwe Kockisch, rechts). (Foto: dpa)

Eine Fantasy-Welt "made in Germany": Im Vergleich mit der Starre der Vampire Bella und Edward in "Twilight" funkeln die Protagonisten in Kerstin Giers Bestseller "Rubinrot" vor Leben.

Von Doris Kuhn

Wahrscheinlich sollte man sich gleich die Namen merken. Damit man zukünftig nicht wieder vor Bücherstapeln und DVD-Türmen steht, und nicht weiß, wovon die jungen Menschen so reden: Gwen und Gideon heißen die neuen Helden, sie sind sechzehn Jahre alt und Hauptfiguren in einer Fantasy-Welt, die nach dem Buchmarkt jetzt auch das Kino erobert. Was sie heraushebt unter den vielen Helden dieser Art: Sie tragen das Markenzeichen "Made in Germany".

Alles begann mit dem Bestseller "Rubinrot" von Kerstin Gier, der 2009 erschien und praktisch in jedem Jugendzimmer landete. Das Buch über zwei zeitreisende Teenager wurde in 27 Sprachen übersetzt und war 54 Wochen in den Spiegel-Charts.

Das kann nicht ganz mit dem Erfolg von "Harry Potter" oder "Twilight" mithalten, aber der Gedanke, hier an den Hype von deren Verfilmungen anzuknüpfen, ist nicht abwegig: Das Thema ist ähnlich, vielleicht lässt sich damit auch eine Kino-Erfolgsgeschichte schreiben, womöglich kreischt das Zielpublikum.

Für den gern beschworenen "Twilight"-Vergleich gibt es allerdings wenig Anlass. Gegen die Starre der Vampire Bella und Edward sind Gwen und Gideon Figuren, die vor Leben funkeln.

Zwar wohnen sie in London, aber sie haben einen Bezug zum Alltag, den das Publikum teilt: Schule, Lehrer und nervende Geschwister. Auch von Unsterblichkeit ist bisher nichts zu bemerken. Schon wahr, zwischen ihnen entspinnt sich eine Liebesgeschichte - aber das soll im Teenageralter ja vorkommen.

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Eine Modistin für die Vergangenheit

"Harry Potter" dürfte näher liegen. Zauberei spielt zwar keine Rolle, aber Gwen und Gideon haben trotzdem eine übernatürliche Fähigkeit: Sie können durch die Zeit reisen. Um das einigermaßen gefahrlos zu tun, werden sie in einem Zeitreise-Büro eigens auf diese Trips vorbereitet - etwa durch eine Modistin, die sie in korrekte historische Kostüme steckt, damit sie am Zielort, beispielsweise im 19. Jahrhundert, nicht unangenehm auffallen.

Darüber hinaus gibt es eine Riege älterer Herren, die sie in die Aufgabe des Zeitreisens einweisen. Und ähnlich wie bei Harry Potter weiß man nicht genau, wie weit man denen trauen darf, ob sie nicht ihre Zöglinge dazu benutzen, eigene, vielleicht finstere Interessen voranzutreiben.

Wobei gerade die älteren Figuren hier gelegentlich großen Charme entwickeln. Rüdiger Vogler oder Gottfried John als Zeitreise-Experten, auch Katharina Thalbach als verrückte Großtante - bei ihnen könnte man länger verweilen, wenn sie, dämonisches Gelächter unhörbar im Hintergrund, die Schranken der Realität ganz selbstverständlich neu interpretieren.

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Der Wechsel verschiedener Realitäten ist allerdings auch bei den Teenagern ausgesprochen unterhaltsam. Besonders Gwen, rebellisch und pragmatisch gleichermaßen, ist kein Mädchen, das sich von kulturellen Standards beeindrucken lässt. Sie trägt auch unterm Reifrock Turnschuhe, damit sie besser wegrennen kann, lässt sich den Mund selten verbieten und nimmt ihr Handy mit in die Vergangenheit, um ein paar Fotos für ihr Schulprojekt in Geschichte zu machen.

Vielleicht streift in solchen Momenten das jüngere Publikum kurz die Erkenntnis, dass es in goldenen Zeiten lebt. Nicht nur wegen all der technischen Errungenschaften, die das Leben einfacher machen. Vor allem wegen der Möglichkeit, selbständig zu denken, zu handeln und zu entscheiden. Das war in früheren Welten, wie "Rubinrot" sehr wohl weiß, doch wesentlich schwieriger durchzusetzen als heute.

Rubinrot , D 2013 - Regie: Felix Fuchssteiner. Drehbuch: Katharina Schöde. Kamera: Sonja Rom. Mit Maria Ehrich, Jannis Niewöhner, Laura Berlin, Jennifer Lotsi, Veronica Ferres. 122 Min. Concorde.

© SZ vom 19.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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