Zum Tod von Bertrand Tavernier:Aus dem Schatten der Nouvelle Vague

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Bertrand Tavernier, geboren 1941 in Lyon,studierte Jura und schrieb Kritiken, bevor er mit Filmen wie "Der Uhrmacher von St. Paul" zum erfolgreichen Regisseur wurde. (Foto: Laurent Cipriani/dpa)

Der französische Filmregisseur Bertrand Tavernier ist gestorben. Seinen Durchbruch hatte er mit "Der Uhrmacher von St. Paul", später drehte er mit Romy Schneider.

Von David Steinitz

Der Filmregisseur Bertrand Tavernier ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Das gab das Institut Lumière in seiner Heimatstadt Lyon in einem gemeinsamen Tweet mit seiner Familie bekannt.

Seinen Durchbruch hatte Tavernier 1974 mit dem Krimi "Der Uhrmacher von St. Paul" nach einem Roman von Georges Simenon, für den er auf der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Tavernier studierte ursprünglich Jura, schrieb aber bereits während des Studiums Filmkritiken und hospitierte als Regieassistent von Jean-Pierre Melville, der zum Mentor vieler Filmemacher aus seiner Generation wurde, so auch für Taverniers Schulfreund Volker Schlöndorff, mit dem er einst gemeinsam das Lycée Henri IV im 5. Arrondissement von Paris besucht hatte. Neben seinen Landsleuten bewunderte er vor allem die amerikanischen Westernregisseure, allen voran Sam Fuller.

Tavernier gehörte zu den bedeutendsten französischen Filmemachern aus der Folgegeneration der Nouvelle Vague, die es nicht gerade leicht hatte, unter dem mächtigen Schatten von Godard, Truffaut und Chabrol auf sich aufmerksam zu machen.

"Ich liebe historische Stoffe"

Im Gegensatz zur Gegenwartssucht der Jungs von der Nouvelle Vague hatte Tavernier nichts gegen ein bisschen Realitätsflucht einzuwenden. "Ich liebe historische Stoffe", sagte er in einem Interview. "Das ist eine Form, als Regisseur zu träumen. Ich liebe es, Duelle zu drehen, Kostüme." Am liebsten mochte er es aber, wenn nicht die Geschichte oder ein fertiges Drehbuch ihm eine Idee lieferte, sondern der Zufall: "Einen meiner Filme habe ich gedreht, weil ich zufällig einen Polizisten getroffen hatte, der mir eine tolle Geschichte erzählte."

Nachdem er Anfang der Sechzigerjahre zwei Kurzfilme gedreht hatte, war sein "Uhrmacher von St. Paul" seine erste große Zusammenarbeit mit dem französischen Schauspielstar Philippe Noiret, mit dem er in der Folge mehrere Filme machte, darunter "Wenn das Fest beginnt ..." und "Der Richter und der Mörder".

Mit Romy Schneider und Harvey Keitel drehte er 1980 "Death Watch - Der gekaufte Tod", ein harter Sci-Fi-Thriller, der besser gealtert ist als viele Hollywoodproduktionen jener Zeit, weil Tavernier auf jeglichen Effektballast verzichtete, den das Genre Science-Fiction sonst so mit sich bringt. Seine Zukunft war genauso grau und brutal wie die Gegenwart.

Das Genre-Hopping hat ihm immer gut gefallen, und er beherrschte es besser als viele seiner Kolleginnen und Kollegen. Während diese einen Krimi oder eine Romanze nach der anderen drehten, sich letztlich immer wiederholten, tobte Tavernier sich von der Satire bis zum Melodram aus. Sogar eine Comic-Verfilmung hat er gedreht, "Quai d'Orsay", 2013, aber ohne Marvel-Pathos, sondern als Komödie. Im Le Journal du Dimanche sagte er vor ein paar Jahren: "Ich beleuchte Themen, Universen, Epochen und verschiedene Länder, um die Wahrheit zu erfassen. Dass ich in keine Kategorie passe, gefällt mir." 2015 wurde er beim Festival von Venedig mit dem Goldenen Ehrenlöwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

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