Nicht ganz in ihr strammes Outfit passte Sängerin Lili Sommerfeld. Aber das machte überhaupt nichts, im Gegenteil: Mit ihrem mitreißenden Auftritt, dem kurz zuvor geschriebenen Dance-Song "The War Is Over When We Dance" und ihrer vollen Stimme avancierte sie binnen Sekunden nicht nur zur "Beyoncé von Kreuzberg", sondern glatt zum Publikumsliebling des ersten Halbfinales. Ähnlich wie der libanesische Künstler YaSeeDee, der mit einem Lied über Schnee im zweiten Halbfinale für Lichtenrade antrat - und zwar so bezaubernd irre und komisch, dass das Publikum kaum anders konnte, als begeistert zu sein.
Mitreißend: Lili Sommerfeld
(Foto: Jörn Hartmann)Doch bei allem Spaß an der Freud: Die überraschendsten Auftritte waren nicht die schrägen, denn die waren ja nicht anders erwartet worden. Sondern die anderen Auftritte, mal leiser, mal lauter, bei denen es vorrangig um die Musik ging.
Was im Untergrund schlummert
Wieviel Talent, Leidenschaft und unentdeckte Musikkünstler diese Hauptstadt im Untergrund zu bieten hat, ist schon erstaunlich. Das ist schon alleine daran zu erkennen, wie stark die Nachwuchskünstler waren, die bereits im Halbfinale ausgeschieden sind. Bekanntermaßen kann immer nur einer gewinnen. Aber die Qualität eines Wettbewerbs erkennt man manchmal auch an denen, die vorher gehen müssen. An Christina Fielder für Steglitz etwa, die mit ihrem jazzigem Funk-Pop-Soul-Gesang unbedingt mehr verdient hätte. Oder an Dirk Weidner für Moabit, der herzzerreißend den so liebestollen wie beziehungsuntauglichen Cowboy mit Gitarre gab.
Nicht mal Luci van Org schaffte es weiter als bis zum Halbfinale, eine alte Bekannte des Showgeschäfts, die vor 20 Jahren mit "Weil ich ein Mädchen bin" die Charts stürmte und nun mit ihrem Mann als das Duo Meystersinger auf der Bühne begeisterte.
Von der Straßensängerin bis zum Design-Outfit
Immerhin: Ein paar der wirklich Guten sind auch weitergekommen (entschieden haben das Publikum und eine Jury) und treten nun an diesem Samstag, 19. April, im BSC-Finale im SchwuZ (Berliner Schwulenzentrum) gegeneinander an.
Naëma zum Beispiel für den Lichtenberger Ortsteil Fennpfuhl, die mit zarter Stimme zu kühlen Elektroklängen punktete, oder Annika Silja Sesterhenn für Britz (Neukölln), mit energiegeladenem jazzigem Gesang vom Allerfeinsten. Hinter der Band Mädchen aus Berlin (für den Stadtteil Buch) steckt eine Straßensängerin, die sich normalerweise am Alexanderplatz verdingt und beim BSC sehr authentisches Liedmaterial zum Besten gab. Oder auch Lulu Schmidt (sang für Mitte): Die Künstlerin überzeugte mit ihrer Bühnen-Choreographie inklusive zweier Transen in selbstbemalten T-Shirts, im schwarzen Lack-Matrosen-Strampler und dem Titel "I am not me" derart, dass der Gesang fast zweitrangig schien. Mehr Berlin-Mitte als dieser Auftritt geht kaum.
50 Künstler haben sich beworben, sie alle leben in Berlin - und ihr Bewerbungssong wurde zuvor nicht veröffentlicht. Das war die Bedingung. Die zehn Finalisten bieten nun einen repräsentativen Querschnitt der meisten aktuellen Musikrichtungen, gepaart mit exzentrischen bis puristischen Auftritten.
Insofern können sich die Berliner beim BSC-Finale auf einen lauten und bunten Abend freuen. Bei dem es womöglich am Ende heißen könnte: Kreuzberg - Douze Points!
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