"Ich habe mir Gropiusstadt ausgesucht, weil ich da noch nie war", erklärt Rotschopf und Sängerin Carmen Underwater im Videoclip zu ihrem Beitrag für den Berlin Song Contest - und das Publikum des Halbfinals im O-TonArt-Theater bricht in Lachen aus. Was schon mal zwei Aspekte des lokalen Sangeswettbewerbs, der sich am legendären Eurovision Song Contest orientiert, ganz gut beleuchtet:
Erstens treten hier Sänger und Bands für verschiedene Berliner Stadtteile gegeneinander an - nicht etwa aus verschiedenen Stadtteilen, wie man annehmen könnte. Initiator Kriss Rudolph erklärt, dass ansonsten von den 20 Finalisten die meisten aus Neukölln, Kreuzberg und Prenzlberg kämen, das mache ja keinen Sinn. Deshalb durften alle Bewerber im Vorfeld drei Stadtteile nennen, die für sie infrage kämen, die Veranstalter haben sie dann zugeteilt.
Schräg und queer
Zweitens: Die Stimmung bei den beiden Halbfinalen war bisher bombig - sowohl auf der Bühne als auch im Publikum. Denn ein eigener Song-Contest, nur für Berliner, das taugt den Hauptstädtern. Eine Lena Meyer-Landrut oder ein bisschen Frieden, das haben ja viele. Aber so schräg und queer wie der Berliner Durchschnittskünstler, der hier auftritt - das sind die wenigsten. Und siehe da, die Idee funktioniert. Fast besser als das große Vorbild, der ESC.
Da saßen sie nun also beim ersten Halbfinale vergangene Woche im BKA-Theater in Kreuzberg und beim zweiten im O-TonArt-Theater in Schöneberg - und waren begeistert. Vom Kabarett-Gefühl, das die Locations vorgeben und das schon mal den Rahmen absteckte für einen Wettbewerb, der durchaus auch lustig gemeint ist.
Traditionell sind bei solchen und ähnlichen Veranstaltungen viele ESC-Fans, oft aus der homosexuellen Szene, mit Prosecco unterwegs und wollen schräge Kostüme und herzzerreißende Auftritte erleben. All das wurde auch geboten, inklusive der Moderation durch die mal in Weltraum-, mal in grünen Leopardenleggins und Glitzer-Hasenohren aufgepeppte Transsexuelle mit dem Künstlernamen Gisela Sommer und Veranstalter Kriss Rudolph.
"I Wish I Was A Lesbian"
Auch einige der Sangeskünstler ließen sich nicht lumpen: Die israelische Sängerin der Band Madlick etwa, die für Wedding ihren experimentellen Techno-Pop-Song "Hey Yoko Ono" mit selbstgebastelter Riesensonnenbrille und Kapuze zum Besten gab. Beim nächsten Auftritt mit dem Song "I Wish I Was A Lesbian" trug sie viel Ausschnitt und Schotten-Minirock. Für den Stadtteil Schmöckwitz trat das Lady-Duo Scheeselong an, in verführerischem 20er-Jahre-Glitzer-Diven-Outfit - und spielte eher Theater als zu singen. Doch die Optik war perfekt.
Launige Moderatoren: Gisela Sommer (links) und Kriss Rudolph
(Foto: Gerd Schlemermeyer)