Berliner Stadtschloss:Otto findet's gut

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Die Versandhauserbin Inga Maren Otto hat das Kreuz mit ihrer Spende von einer Million Euro maßgeblich finanziert. (Foto: imago images/Christian Ditsch)

Das Berliner Stadtschloss wurde mit Kreuz und Reichsapfel bekrönt. Direkt über dem Äquator des Reichsapfels befindet sich eine nicht ganz historische Inschrift: die eines Versandhaus-Sponsors.

Von Jörg Häntzschel

Seitdem in der letzten Woche Kreuz und Reichsapfel auf das nachgebaute Berliner Stadtschloss gehievt wurden, ist die Diskussion über diese Requisiten neu entflammt. Inzwischen wurde auch die umstrittene Inschrift von Friedrich Wilhelm IV. rekonstruiert. Für die einen handelt es sich bei dem Kreuz um ein unzeitgemäßes Symbol, einen Affront gegen alle Nichtchristen. Für die anderen ist es ein Symbol der Toleranz. Die dritten, darunter der Intendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh, möchten es als "bauhistorisches Zitat" verstanden wissen.

Wer sich die Bilder des Kreuzes genauer ansieht, entdeckt noch einen anderen, sogar irritierenden Aspekt: Auf dem goldenen Reichsapfel prangt eine Widmung an einen weiteren König, einen Versandhaus-König: "Im Gedenken an meinen Mann Werner A. Otto 1909 - 2011. Inga Maren Otto", lautet die Inschrift, die direkt über dem "Äquator" des Reichsapfels eingraviert ist. Frau Otto hat das Kreuz mit ihrer Spende von einer Million Euro maßgeblich finanziert. Angesichts von so viel Großzügigkeit wollte oder konnte ihr die Schlossstiftung den extravaganten Wunsch, ihren Mann und sich selbst auf der Reichsinsignie zu verewigen, wohl nicht abschlagen.

Sind Kreuz und Reichsapfel für die Erbin etwa das, was Normalbürgern jene Parkbänke sind, auf die Metallplaketten mit Botschaften an die Liebsten genagelt werden? Oder hatte Frau Otto mit ihrem Mann gar Höheres im Sinn: Ging es ihr darum, seinen Namen buchstäblich in die Preußenvergangenheit einzuschreiben? Ihn posthum ein bisschen zum König zu machen? Sie will sich dazu nicht äußern.

Klar ist, dass eine historische Authentizität, auf die sich die Kreuz-Apologeten berufen, durch die Widmung leidet. Bernhard Wolter, Sprecher der Schlossstiftung, rechtfertigt die Inschrift: "Spenderwürdigungen in Form von Tafeln und Plaketten" seien beim Schloss üblich. In aller Regel werden die Namen der Spender gelistet, und das auf dafür vorgesehenen Tafeln.

Bei der Schlossstiftung hat man Frau Ottos Wunsch wohl aus ganz pragmatischen Erwägungen erfüllt. Die Inschrift wird niemand lesen, außer Gott und den Fassadenreinigern.

© SZ vom 04.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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