Nachruf:Wilde Klangmixturen

Louis Andriessen (1939 -2021), hier im Jahr 2013 nach der Uraufführung eines seiner Werke im Concertgebouw in Amsterdam. (Foto: Robin Utrecht/dpa)

Von der Che-Guevara-Revue bis zu einer Oper über Platons "Staat": Der niederländische Avantgarde-Komponist Louis Andriessen ist gestorben.

Von Wolfgang Schreiber

Die abenteuerliche Kollektivkomposition "Reconstructie" machte 1969 auf den jungen Avantgardisten Louis Andriessen aufmerksam. Fünf Komponisten aus den Niederlanden schufen eine der "Moralität" verpflichtete politische Opern-Revue gegen einen allzu opulenten Che-Guevara-Kult. "Rekonstruieren" wollten sie den brutalen Kampf der Lateinamerikaner und ihres Heroen gegen den US-Imperialismus, den Text dichteten Hugo Claus und Harry Mulisch. Zum Team gehörten noch Reinbert de Leeuw, Peter Schat, Jan van Vlijmen und Misha Mengelberg. Die Stilzitate aus Klassik, Rock und Free-Jazz garantierten dem wilden Stück den Skandal, der damals bis ins Parlament schwappte.

Für den 1939 als Sohn eines Komponisten in Utrecht geborenen Louis Andriessen war der Glaube an die postmoderne Musikmixtur nichts Neues, hatte er doch in Mailand und Berlin ausgiebig bei dem Italiener Luciano Berio studiert, dem Meister multipler Musiklegierungen. In Andriessens Kompositionsstil - Klang geworden in zahlreichen Stücken der Orchester-, Kammer- und Vokalmusik, des Musiktheaters - tummeln sich Serialismus-Strenge und Strawinsky-Toleranz, Minimalismus und Neotonalität mit philosophischem und gesellschaftspolitischem Denken. Die Opern "De Staat" nach Platons "Politeia" und "Writing to Vermeer", über die Frauen des großen Malers, oder die Musiken für den Filmautor Peter Greenaway gehören zu seinen originellsten Kreationen. Manches bleibt zu entdecken. Jetzt starb Louis Andriessen mit 82 Jahren in Weesp bei Amsterdam.

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