Ausstellungen:Bezahlbare Erleuchtung

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Das Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt erinnert an die Designerin Traudl Brunnquell, die Lampen für die junge Bundesrepublik schuf, und überrascht mit Hans Jörg Glattfelders formal strengen Arbeiten

Von Sabine Reithmaier

Markant sind die Leuchten in den klaren bunten Farben auf jeden Fall. Und sie rufen mühelos die Sechziger- und Siebzigerjahre ins Gedächtnis zurück. 2019 wäre ihre Designerin Traudl Brunnquell 100 Jahre alt geworden; das sei ein Anlass für eine gebührende Würdigung, fand das Museum für Konkrete Kunst, das den Design-Nachlass der 2010 gestorbenen Ingolstädterin hütet, eine der ganz wenigen Produktdesignerinnen ihrer Zeit.

Designerin zu werden, hatte sie selbst nicht geplant. 1919 in München geboren, hätte sie zwar gern an der Kunstakademie studiert, doch der Vater beharrte auf einer Lehre als technische Zeichnerin. Im Akademischen Gesangsverein lernte sie den Studenten Karl-Heinz Brunnquell kennen, zukünftiger Erbe von Brunnquell & Co, einer Firma für Elektroinstallationsmaterial im thüringischen Sondershausen. 1945 heirateten sie; drei Jahre später nachdem die Firma ohne jede Entschädigung enteignet worden war, flohen die beiden nach Westdeutschland und bauten in Ingolstadt, unterstützt von einem alten Geschäftspartner, der Firma Gebrüder Peters, ihr Unternehmen wieder auf. Der Aufstieg gelang schnell. Schalter, Steckdosen und Sicherungen wurden unverändert gebraucht. Auch praktische Universalleuchten zählten früh zum Programm.

Als zu Beginn der Sechzigerjahre die Porzellanbrennöfen nicht mehr gebraucht wurden, beschloss Traudl Brunnquell, inzwischen von italienischen Designern begeisterte Prokuristin der Firma, ein eigenes Leuchtenprogramm zu entwickeln. Vermutlich hätte sie sich geschmeichelt gefühlt, dass Kuratorin Marie-Luise Heske ihre Lampen in nächster Nähe mit Klassikern von Ettore Sottsass und Achille Castiglioni präsentiert. Mit Design-Ikonen maß sie sich aber nie, ihr ging es um modische, bezahlbare Leuchten für die breite Bevölkerung.

Die Namen hätten etwas ausgefeilter sein können, Farb- und Formgebung aber griffen die amerikanische Pop-Art auf: Modell Nummer 4208 wurde von 1978 an als Wand-, Decken- oder Spiegelleuchte verkauft. (Foto: 2019 Stiftung für Konkrete Kunst und Design/Hubert P. Klotzeck)

Von 1961 bis 1979 leitete sie die Designabteilung von Brunnquell. Auch wenn das Kerngeschäft der Firma das Installationsmaterial blieb, gelang es der kreativen Frau, die Leuchten als ernst zu nehmenden Produktionszweig zu etablieren. Sie war nicht die einzige Designerin, es gab auch andere namhafte Gestalter. Wilhelm Wagenfeld etwa, bekannt wegen seiner "Bauhaus-Leuchte" und fasziniert vom neuen Werkstoff Thermoplast, entwarf drei Spiegelleuchten für Brunnquell: Sachlich, kantig, streng und als Besonderheit mit einer Steckdose ausgerüstet, eine witzige Reaktion auf die Elektrifizierungswelle in Deutschland, die die Badezimmer nicht verschonte. Für ihre eigenen Lampen blieb Traudl Brunnquell dem Porzellan treu. Die keramischen Körper in Pop-Art-Farben orientieren sich an geometrischen Formen. Meist lassen sie sich gut kombinieren, gelegentlich sogar wie Bausteine aufeinanderstapeln. "Sockel passt in oberes Loch", heißt es in einer Produktbeschreibung. In einem Filmbeitrag, der 1969 für die Hannover-Messe-Rundschau des deutschen Farbfernsehens entstand, rühmt die Moderatorin Karin Faber, während sie an den Brunnquell-Lampen vorbeispaziert, diese spezielle Eigenschaft der Leuchten.

Nicht alles glückte der Designerin gleichermaßen. Gelegentlich zuckt man zusammen angesichts der eigenwilligen Kombinationen: Perlenborten, barocke Muster, Blumendekore oder gar Spitzen - die Lampenschirm-Palette ist groß. Manches wirkt, aus heutiger Sicht betrachtet, überladen, kitschig und etwas plump. Aber der Stilpluralismus passte wohl in die Wohnzimmer der jungen Bundesrepublik. Für die Käufer war es bequem, sie konnten sich einen Fuß aussuchen und dazu den Schirm wählen, der ihnen gefiel.

Die gelbe Stehlampe Nr.15 068.1 fand man von 1972 an in den Läden. (Foto: 2019 Stiftung für Konkrete Kunst und Design/Hubert P. Klotzeck)

1977 erhielten zwei der Brunnquell-Modelle den Preis "Die gute Industrieform", das steigerte das Selbstbewusstsein der Designerin. Verzichtete sie anfangs auf Namensnennung, heißt es im Katalog von 1978 stolz: Design Traudl Brunnquell. An den Namen für die Leuchten hätte sie freilich noch arbeiten können. Wer kann sich schon merken, dass sich hinter "15058.1" ein orangener Porzellanwürfel mit Steckglas verbirgt oder "8819.100008" einen mehr als einen Meter hohen Fuß mit Schraubgewindegläsern bezeichnet.

Doch bevor man zur Brunnquell-Ausstellung ins erste Obergeschoss gelangt, bleibt man im Erdgeschoss an den Arbeiten Hans Jörg Glattfelders hängen. Das Museum verfügt bereits seit Längerem über Werke des Schweizer Künstlers. Dessen 80. Geburtstag bot den Anlass, Arbeiten aus der Sammlung von Beat Maeschi zu zeigen. Dieser Sammler, selbst ein strenger Konstruktivist und enger Freund des Künstlers, beabsichtigt, später seine Sammlung einschließlich des Archivs der Stiftung Konkrete Kunst zu überlassen.

Traudl Brunnquell wurde vor 100 Jahren in München geboren. (Foto: 2019 Stiftung für Konkrete Kunst und Design / Archiv Stiftung für Konkrete Kunst und Design)

Was verblüfft, ist die ungewöhnlich dichte Hängung, die eher an ein Wohnzimmer denn ein Museum erinnert. Doch Maeschi hat die Schau selbst kuratiert und wollte es ausdrücklich so. Glattfelder, ein Meister der Konkreten Kunst, arbeitet mit strengen geometrischen, oft quadratischen Formen, mit denen er die Beziehung von Raum und Fläche hinterfragt. Früh hat der 1939 in Zürich geborene, lang in Paris und jetzt wieder in Basel lebende Künstler die Bildfläche dreidimensional gedacht und es gewagt, mit den Gesetzen des rechten Winkels zu brechen. In seinen "nicht-euklidischen Metaphern" setzt er sich seit den Siebzigerjahren mit dem gekrümmten Raum auseinander, erforscht die Wirkung der optischen Illusion, rhythmisiert seine Flächen. Und man ist immer wieder versucht, seine hügeligen Landschaften anzufassen und sich zu vergewissern, dass die Bilder wirklich völlig plan gemalt sind.

Brunnquell. Lampendesign aus Ingolstadt , bis 19. April; Hans Jörg Glattfelder , bis 26. Januar, jew. Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt

© SZ vom 08.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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