Ausstellung über Schlachttiere:Ding der Unmöglichkeit

Blutige Eier, verwesende Kälbchen, sterbende Schweine: Eine anonyme Künstlerin zeigt in einer Berliner Ausstellung die Folgen des Schlachtens - in fast poetischen Bildern.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

1 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Menschen, die Tiere essen, machen sich in aller Regel wenig Gedanken über das, was sie da essen. Zubereitung und Geschmack werden meistens mehr Bedeutung beigemessen als dem Lebewesen im Ganzen, das nun fein filettiert auf dem Teller liegt. Zwar ist es modern geworden, sich über Haltungsarten von Schwein, Rind und Huhn zu informieren - für das gute Gewissen oder um der eigenen Gesundheit willen. Was aber genau vor, während und nach der Schlachtung mit den Tieren und deren Resten passiert, davon machen sich die wenigsten ein Bild. Das will eine Künstlerin ändern. Unter dem Pseudonym "K49814" und dem Titel "Atmen ohne Pause" stellt sie in der Galerie Kehrer in Berlin Fotografien aus Schlachthöfen und Tierverwertungsanstalten aus.

2 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Normalerweise ist es schwierig für Fotografen, in Schlachthäusern Aufnahmen wie diese zu machen - zumindest wenn sie veröffentlicht werden sollen. Fleischverarbeitende Betriebe achten peinlich genau darauf, dass ihre Arbeit gesetzlichen Standards standhält und keinerlei Skandalbilder an die Öffentlichkeit gelangen. Sie sind abhängig vom Image, effizient zu sein, aber nicht grausam. Veröffentlicht werden höchstens saubere PR-Bilder, die trotzdem manchen an die Nieren gehen. Doch diese Bilder sprechen eine andere Sprache. Tote Küken liegen neben teils blutigen Eiern, ein enthaartes Schwein hängt kopfüber an Stangen, ...

3 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

... ein Tier wird mittels Halsbruststich getötet. "Das Blut schießt im Rhythmus des Herzschlages aus der Wunde in eine Blutauffangrinne. Der Tod tritt durch die mangelnde Sauerstoffversorgung des Gehirns ein", schreibt die Fotografin dazu.

4 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Nicht alle Bilder sind so deutlich. Viele der Fotografien sind ausschnitthaft, lassen den toten Tieren ihre Würde, zeigen nur ein geschlossenes Auge, eine Tätowierung, oder Fischschuppen, die in Auffangvorrichtungen hängengeblieben sind. Auch Tötungsgeräte sind zu sehen, wie etwa ein Elektroschockgerät für "Sondermaße" und für Schweine, die in der CO2-Kammer noch nicht bewusstlos geworden sind. All das wird nicht plakativ ausgestellt, sondern zurückhaltend in Schwarz-Weiß dokumentiert. So wie auch die Gesellschaft mit dem Thema umgeht: sehr zurückhaltend - lieber nicht genau hinschauen.

5 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Doch genau diese Zurückhaltung macht den Wert dieser Bilder aus: Die Fotos schließen sich nicht den laut schreienden Videos und Skandalbildern von Aktivistengruppen an, die immer wieder heimlich gedreht werden und an die Öffentlichkeit gelangen. Von denen man aber genauso wenig weiß, wie stark sie verändert wurden, wie bei den PR-Bildern der Fleischindustrie. In ihrer vornehmen Zurückhaltung versucht die Künstlerin, eine Würde zu vermitteln, die den Tieren genommen wurde. "11 000 Ohrmarken" heißt dieses Bild, das die Kennzeichen der getöteten Tiere eines einzigen Tages in einem Schlachtbetrieb zeigt. Ein optisch schönes, fast poetisches Bild - nur wer den Hintergrund kennt, erkennt die Tragik.

6 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

"Atmen ohne Pause", das soll auch bedeuten, dass das Leben weitergeht - auch wenn wir Tiere töten. Ihre Überreste befinden sich im Wasser, im Boden, in uns. Um dem Tod etwas entgegenzusetzen, ...

7 / 12
(Foto: Michael Danner; K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

... nämlich das Leben, und sinnbildlich dafür den Atem, ist in den Ausstellungsräumen außerdem eine Klanginstallation aufgebaut. Zu hören ist der Atem von Schlachttieren. Wenig überraschend ist die Künstlerin Veganerin.

8 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Doch diese Ausstellung ist nicht nur für Veganer und solche, die es werden wollen, ein Gewinn. Im allgemeinen Bewusstsein ist verankert, dass Tiertötungsanstalten besonders effizient vorgehen, um Bilder wie diese zu vermeiden: Kälbchen in verschiedenen Verwesungszuständen. Und doch gibt es diese Bilder. Weil eben nicht immer alles nur effizient zugeht beim Töten. Und manche Tiere aus gesundheitlichen oder auch betrieblichen Gründen nicht dem Fleischverarbeitungsprozess zugeführt werden. Vor Augen zu führen, welche abgrundtief hässliche Seite das Schlachten und auch die Tiernutzung haben, ist das Ziel der Künstlerin. Auch wenn sich daraus feine Filets an Trüffelschaum und leckere Ochsenbäckchen in Rotweinsud machen lassen. "Wenn die Menschen diese Bilder sehen und sich davon berühren lassen, ist mein Tun gerechtfertigt", schreibt sie.

9 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Das funktioniert umso besser, weil die Fotos ihre eigene Ästhetik haben. Zwar werden unsagbare Dinge gezeigt, wie hier die Kiefer getöteter Tiere inmitten von Schlachtabfällen. Dennoch bleibt die Art der Darstellung subversiv, fast malerisch. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, so schreckliche Motive ästhetisch darzustellen. Und dennoch ist es hier gelungen.

10 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Auch dadurch, dass die Künstlerin den "versehrten" Tieren, wie sie es nennt, "unversehrte Tiere" gegenüberstellt. Ein sanft geschlossenes Auge, ...

11 / 12
(Foto: K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

... ineinander versunkene Schnauzen oder der Faltenwurf am Hals eines Pferdes genügen, um die Lebendigkeit und Schönheit von Tieren darzustellen. An der Wand gegenüber hängt ein Bild von abgezogener Tierhaut, achtlos auf den Boden geworfen wie ein Putzlappen, der beides abhanden gekommen ist: Lebendigkeit und Schönheit.

12 / 12
(Foto: Michael Danner; K49814, Courtesy Galerie Kehrer Berlin)

Und dann gibt es da noch diesen Boden, aus einem alten Schlachthof exportiert, und ein Video an der Wand, das Tiertransporte zeigt. Sie sollen die Betrachter der Ausstellung darauf hinweisen, dass die Optik des Schlachtens gerade im hocheffizienten Deutschland auch an KZs erinnern kann. Dieser Vergleich wird den meisten nicht gefallen. Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. August, weitere Infos hier.

© SZ.de/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: