Ausstellung in Hamburg:Schweinerei

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Tätowiert und ausgestopft: Das Schwein in der Ausstellung "Tattoo". (Foto: dpa)

Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt ein tätowiertes Schwein. Darf man ein Tier im Namen der Ästhetik tätowieren?

Von Titus Arnu

An der Wirbelsäule züngeln Flammen empor. Über die Flanke windet sich eine Schlange, dazwischen Stacheldraht, Kruzifixe und rote Rosen. Als Arschgeweih trägt Donata einen Seeadler und eine US-amerikanische Flagge. Ob das schön ist? Eine Geschmacksfrage. Eine andere Frage ist, ob Donata sich die Motive selbst ausgesucht hat. Wohl eher nicht, denn es handelt sich um ein tätowiertes Schwein.

Donata ist eine arme Sau. Erst wurde sie bei lebendigem Leib mit heißer Nadel beschriftet und bemalt und später dann, nach ihrem natürlichen Tod, ausgestopft. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt Donata, ein Werk des belgischen Künstlers Wim Delvoye, derzeit in der Ausstellung "Tattoo".

Konzeptkünstler Delvoye wurde international bekannt mit der Maschine "Cloaca", die den Verdauungsvorgang des Menschen täuschend echt simuliert (ebenfalls eine spektakuläre Sauerei). 2008 verkaufte Delvoye die Rückentätowierung des Schweizers Tim Steiner - Totenschädel mit Madonna - für 150 000 Euro an einen deutschen Kunstsammler. Im Gegensatz zu Donata ist Steiner wenigstens noch am Leben.

"Geschmacklos, pietätlos, unmenschlich, pervers", sagen die Kritiker

Seit die Schau mit der Sau in Hamburg eröffnet wurde, werden Ausstellungsmacher und Künstler mit wütenden Protesten bombardiert. Geschmacklos, pietätlos, unmenschlich, pervers - das sind noch die harmloseren Kommentare auf der Facebook-Seite des Museums. "Hier werden Tiere für die Kunst missbraucht," sagt Manfred Graff, Vorsitzender des Hamburger Tierschutzvereins.

Auch Martina Stephany von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten ist empört: "Tätowieren verursacht bei Tieren unnötige Schmerzen und ist in Deutschland verboten. Selbst unter Narkose gestochene Schweine leiden unter der Wundheilung."

Tätowieren tut wirklich schweineweh. Und hierzulande sind zwar Brandzeichen, Nasenringe und Ohrmarken bei Tieren erlaubt, nicht aber das großflächige Verzieren von Tierkörpern, in den meisten europäischen Ländern ist das ähnlich. Deshalb hatte Wim Delvoye im Jahr 2004 in China seine "Art Farm" eröffnet, auf der er mehrere Schweine tätowieren ließ, laut eigener Aussage unter Narkose.

Eine Frage der Ethik

Der Künstler soll seine Tattoo-Schweine gut umsorgt haben, mit viel Auslauf und artgerechter Ernährung. Und ging es den tätowierten Tieren auf ihrer Kunst-Farm letztendlich nicht besser als den meisten Schweinen in Deutschland, die ohne Betäubung kastriert, in Fabriken gemästet und dann zu Billigschnitzeln verarbeitet werden?

Tätowierer, die ihr Handwerk noch nicht so gut beherrschen, üben an toten Schweinen. "Wir haben die gleiche Haut, wir essen das Gleiche und wir haben die gleichen Organe", sagt der Künstler, "tätowierte Schweine sehen aus wie tätowierte Menschen."

Ob das Arschgeweih an einem Menschen oder an einem Schwein schön ist, mag eine Frage der Ästhetik sein - ob sich jemand ein Tattoo selber aussucht oder im Namen der Kunst zwangsweise tätowiert wird wie Donata, ist dagegen eher eine Frage der Ethik.

© SZ vom 18.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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