Bürgermeisterin von Amiens:"Madonna, leih uns dein Bild"

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"Diana und Endymion" ist ein Gemälde von Jérôme-Martin Langlois. (Foto: Sunny Celeste/mauritius images)

Die Pop-Ikone besitzt angeblich ein Gemälde aus Frankreich, das seit dem Ersten Weltkrieg verschollen ist. Ein Interview mit der Bürgermeisterin von Amiens, die das Kunstwerk wiederhaben will.

Interview von Léonardo Kahn

21. März 1918: Einen Monat lang befindet sich die nordfranzösische Stadt Amiens unter deutschem Beschuss. Die Kunstwerke des Musée de Picardie werden in Sicherheit gebracht, auch ein Ölgemälde von Jérôme-Martin Langlois. Auf einer Leinwand von zwei mal drei Metern hatte er ein Jahrhundert zuvor im Auftrag des Königs die sagenhaft schöne Diana gemalt, die zu ihrem goldgelockten Geliebten Endymion schwebt. 11 000 Granaten und 870 Fliegerbomben später liegen weite Teile der Stadt in Trümmern, auch ein Flügel des Museums, die Werke blieben verschollen.

24. Oktober 1989: Im New Yorker Auktionshaus Sotheby's taucht ein Bild auf, das dem von Langlois zum Verwechseln ähnlich sieht. Datum und Signatur fehlen aber und die Leinwand ist einige Zentimeter kleiner. Handelt es sich hier um eine Kopie oder wurde das Original zugeschnitten? Der Popsängerin Madonna ist das egal: Sie kauft das Gemälde für 1,3 Millionen Dollar.

15. Dezember 2022: Die Bürgermeisterin von Amiens, Brigitte Fouré, 67, reicht die Bewerbungsunterlagen für die Nominierung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2028 ein. Ob das Kulturangebot der früheren Industriestadt dafür genügt? Um sicherzugehen, dreht die Politikerin eine Videobotschaft, in der sie Madonna bittet, ihrer Stadt das Ölgemälde für einige Zeit auszuleihen. Bislang ohne Rückmeldung. Stattdessen ein paar Nachfragen von der Süddeutschen Zeitung.

SZ: Frau Fouré, wenn am anderen Ende der Leitung Madonna wäre, was würden Sie ihr sagen?

Brigitte Fouré: Dass ich nicht die Rechtmäßigkeit ihres Eigentums anzweifle. Sie hat das Gemälde bei einer Versteigerung erworben und dafür extrem viel ausgegeben - sie ist die rechtmäßige Besitzerin des Kunstwerks, keine Frage. Meine einzige Bitte wäre: Madonna, leih uns dein Bild nur für wenige Wochen oder Monate aus. Das würde uns in Amiens so viel bedeuten.

Warum hat Madonna wohl so viel Geld dafür bezahlt?

Denken Sie mal an "Like a Virgin"! Das Gemälde passt perfekt zum Lied: Die Erotik zwischen dem jungen Paar, diese Unschuld, die Sexualität. Das Bild ist von einer atemberaubenden Sinnlichkeit , das musste Madonna damals bei der Versteigerung gefesselt haben.

Popstar, Kunstwerk - und Kunstbesitzerin? Madonna. (Foto: EDUARDO MUNOZ/REUTERS)

Warum ist Ihnen das Bild so wichtig?

Es geht mir weniger um das Gemälde, sondern eher um das Musée de Picardie. Als es im 19. Jahrhundert im Auftrag von Napoleon III. errichtet wurde, war es das erste französische Kunstmuseum außerhalb von Paris. Dann wurde es im Ersten Weltkrieg von einer Bombe getroffen, viele Kunstwerke wurden zerstört. Bis heute kommt das Museum nicht wirklich in Gang. Das Gemälde würde dem Museum einen Teil der Pracht zurückgeben.

Auch für den Fall, dass es sich nur um eine Kopie handelt?

So oder so trägt das Bild zum Kulturerbe meiner Stadt bei. Madonna hat das einzige Exemplar, das von dem Gemälde existiert, ob es nun das Original oder eine Kopie ist.

Wäre es das Original, ginge es hier um Kunstraub. Haben Sie mal über eine Klage nachgedacht?

Dafür müsste das Gemälde Besitz der Stadt sein. Doch da es im königlichen Auftrag gezeichnet wurde, gehört es dem Louvre. Der könnte Klage wegen Diebstahls einreichen, aber daran haben sie kein Interesse.

Amiens ist die Geburtsstadt des aktuellen Präsidenten. Wird Emmanuel Macron sich einmischen?

Ich habe ihm am Dienstag einen Brief geschrieben. Emmanuel Macron hat hier gewohnt, bis er 16 war, und er kehrt auch jetzt immer wieder mal zurück. Ob er sich für das Gemälde interessiert, kann ich nicht einschätzen. Aber seine Frau, Brigitte Macron, sie wird sich ganz sicher dafür einsetzen. Sie war hier lange Lehrerin und hat überall in der Stadt noch Familie.

Ihre Stadt will europäische Kulturhauptstadt werden. Ist das Kulturangebot so dünn, dass Sie auf Madonnas Privatsammlung angewiesen sind?

Nein, wir werden auch ohne Madonnas Gemälde Kulturhauptstadt. Wir sind die Stadt von Jules Vernes, dem meistgelesenen Schriftsteller Frankreichs. Er ist zwar in Nantes geboren, aber gelebt hat er hier.

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