Tapete als Wandgestaltung:Kühe im Wohnzimmer

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Weide für die Wand, ein Karibik-Sandstrand oder doch lieber ein schlichtes Blumenmuster? Die Gestaltungsfreiheit ist bei Tapeten inzwischen fast unbegrenzt. (Foto: McPhoto/M. Gann/imago/blickwinkel)

Schön fürs Ambiente, schlecht fürs Raumklima: Tapezieren liegt wieder im Trend. Worauf man dabei achten sollte.

Von Jochen Bettzieche

Sie ist wieder da. Mit Motiven von Wäldern, Ständen, Berggipfeln, Hochzeitsfotos oder als Imitationen von modernen Betonflächen. Die Tapete ist zurück an Deutschlands Wänden und individueller als je zuvor. Moderne, digitale Technik ermöglicht, dass nicht nur Massenware, sondern auch Einzelanfertigungen inzwischen erschwinglich sind. Wer tapeziert, sollte allerdings auf ein paar Dinge achten, auch darauf, welche Wände er auswählt. Für Mieter gelten zusätzliche Regeln.

Die Hochphase der Tapete war zwischen den 70er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Danach ging es bergab: "In den vergangenen 40 Jahren ist der Tapetenabsatz in Deutschland von rund 70 Millionen Rollen im Jahr 1980 auf rund 25 Millionen Rollen im Jahr 2020 gesunken", sagt Karsten Brandt, Geschäftsführer des Deutschen Tapeten-Instituts, einer Einrichtung vom Verband der Deutschen Tapetenindustrie in Düsseldorf. Farben direkt auf der Wand oder auf Wandbelägen haben Tapeten abgelöst.

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Was die Zahlen allerdings nicht zeigen, ist, wie sich die Nachfrage verschoben hat. Früher seien Tapeten beim Renovieren häufig zum Kaschieren von fleckigen Wänden, Unebenheiten und kleinen Rissen verwendet worden, sagt Brandt: "Heute ist sie vor allen Dingen Dekoration." Die Beliebtheit von Tapeten steige wieder. Gerade die Fototapete erlebe ein Revival.

Urlaubsfotos, Hochzeitsbilder, Grafik und Kunst. Eigene Motive stehen hoch im Kurs

Dabei werden nicht mehr zwingend an allen vier Wänden eines Raums Tapeten angebracht, sondern oft auch nur gezielt an einer Seite, als Hingucker. Viele Menschen hängen sich nicht mehr ein Bild übers Sofa, die Wand hinter dem Sofa ist das Bild. Feature Wall heißt das auf Englisch, eine Wand als Motiv.

Wer keine vorgefertigten Motive oder Vorlagen aus Bilddatenbanken verwenden will, geht raus und fotografiert selbst, was künftig seine Wand schmücken soll. "Moderne Smartphones liefern eine ausreichende Qualität für den Druck", sagt Frank Seemann, Geschäftsführer von Juicywalls in Schwelm. Das Tochterunternehmen von Erfurt & Sohn fertigt für Kunden individuelle Tapeten nach deren Vorlagen an. Beliebte Motive seien Wälder, Strände und Dünen, das Meer, Blumen und Landschaften.

Es gebe aber auch Wünsche, die Grenzen überschreiten. Caspar, ein Hersteller von individuellen Tapeten mit einer breiten Zielgruppe von Privatpersonen über Messebauer bis hin zur Gastronomie, lehne daher immer mal wieder Motive ab, erklärt Geschäftsführer Michael Caspar: "Wir haben etwas gegen Hakenkreuze." Und bei einem Motiv mit nackten Kindern in eindeutigen Posen schaltete er die Polizei ein, damit diese wegen Kinderpornografie ermittelt.

Heute kommt der Kleister auf die Wand, nicht auf die Papierbahn - das macht Tapezieren einfacher

Bei den Motiven sei ihm vor allem Abwechslung wichtig: "Nur Kiefernwald und Palmenstrand wäre mir viel zu wenig, alles, was schön ist, kann genutzt werden." Comicstrips zum Beispiel. Und er hat bei den Motiven einen weiteren Trend ausgemacht, den Industriechic. "Die Betontapete ist der Klassiker, die sieht aus wie eine kaputte Wand", sagt Caspar. Bretterwände seien ebenfalls bei den Kunden angesagt.

Früher, im vergangenen Jahrhundert, war tapezieren für Heimwerker vor allem eins: mühsam. Bahnen rissen, waren durch den Kleister zu feucht, hingen schief und konnten nicht mehr verschoben werden. Das ist heute einfacher. Der Kleister kommt heutzutage auf die Wand, nicht auf die Papierbahn. Dann legt der Hobby-Tapezierer die Bahn oben an und rollt sie runter. Wichtig ist allerdings, Hubbel vorab wegzuschleifen und zu grundieren, damit kein Staub zwischen Wand und Tapete gelangt.

Auch das Entfernen moderner Wandverkleidung ist einfacher geworden. Erst geht man mit dem Tapetenigel, einer Walze mit Stacheln, über die Wand. Dann weicht man die Tapete mit Wasser ein. Danach lässt sie sich in der Regel abziehen.

Welche Wand man mit einer Tapete beklebt, sollte man sich allerdings vorab genau überlegen. Denn alles, was auf den Putz aufgetragen wird, versiegelt unter Umständen die Wand, erklärt Klaus Edelhäuser, Mitglied im Vorstand der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau in München: "Das kann, abhängig vom Material, den Feuchtigkeitstransport unterbinden und ist dann schlecht fürs Raumklima."

Wenn bereits Schimmelspuren auf einer Wand sind, sollte keine Tapete aufgeklebt werden

Ein weiterer Nachteil sei der Kleister. Denn der basiere auf organischem Material. "Das kann bei passenden Klimabedingungen ein Nährboden für Schimmel sein", sagt Edelhäuser. Wenn bereits Schimmelspuren auf der Wand seien, sollte auf keinen Fall eine Tapete drüber. Er empfiehlt, im Zweifelsfall vorab einen Experten die Wand anschauen zu lassen. Das betreffe vor allem Außenwände. Individuelle Fototapeten würden jedoch meistens an Wände ohne Fenster geklebt, und das seien in der Regel Innenwände. "Die machen weniger Probleme", sagt der Ingenieur.

Mieter können ihre vier Wände genauso wie Immobilienbesitzer tapezieren. Ein paar Regeln sollte man jedoch beachten: "Auch, wenn der Mieter nicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist, sollte er stark ungewöhnliche Tapeten vorm Auszug neutralisieren", empfiehlt Jutta Hartmann, Sprecherin beim Deutschen Mieterbund in Berlin. Dazu gehören beispielsweise Fototapeten, aber auch schwarze Tapeten. Andernfalls könnten Vermieter Schadenersatz für das Beseitigen der Wandgestaltung fordern.

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Ist eine Wohnung wiederum bei Einzug tapeziert, müssen sich beim Auszug die Tapeten in einem ordentlichen Zustand befinden. Das ist nicht der Fall, wenn eine Tapete durch mehrmaliges Überstreichen verbraucht ist, sie sich von der Wand löst oder sie durch Rauchen stark verfärbt worden ist. Gegebenenfalls müsse der Mieter sie dann ablösen und durch eine neue ersetzen, sagt Hartmann: "Ob eine Abnutzung so stark ist, dass neu tapeziert werden muss, ist immer vom Einzelfall abhängig."

Manche individuelle Wandgestaltung geht im privaten wie im öffentlichen Raum aber auch weit über die reine Dekoration hinaus. So habe Michael Caspar 2019 mehr als 13 000 Schuldscheine des chinesischen Künstlers Ai Weiwei auf Tapeten gedruckt, für die Wände einer Ausstellung in Düsseldorf: "Dann wird die Tapete zur Kunst."

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