Sprachlabor:Jahr des Drachens

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Was heutzutage nicht alles gestemmt wird

Von Hermann Unterstöger

VON DRACHEN kommt in aller Regel nichts Gutes, außer bei Hölty, der im "Hexenlied" schreibt: "Ein Feuerdrach' / umfliegt das Dach / und bringet uns Butter und Eier!" Und die Nachbarn? Sie schlagen ein Kreuz ... Ganz so arg war es bei Leser Sch. nicht, aber er kam doch ins Sinnieren, als er in einem Text über das chinesische Jahr des Drachen folgende Formen vorfand: Kinder des Drachen, ein Drache, der Drache und Jahr des Goldenen Drachens. Der Drache/n verfügt wie der Friede/n oder der Glaube/n über Doppelformen im Nominativ, wobei er, anders als diese beiden, verschiedene Bedeutungen mitliefert: Mit Drache ist das Fabeltier gemeint, mit Drachen das Fluggerät oder ein zänkisches Weib.

MIT ALTEN WÖRTERN wie sintemalen, weidlich oder derohalben muss man behutsam umgehen. Man stolpert beispielsweise leicht bei der Aussage, die AfD habe sich von gewissen Enthüllungen nicht "gänzlich unbenommen" gezeigt (statt "unbeeindruckt"). Dr. W. legte den Bock zur Beschau vor, was ihm als Leser, mag es für uns gleich peinlich sein, auch künftig unbenommen bleibt.

DAS VERBUM stemmen steht zwar nach wie vor für Tätigkeiten wie die, dass man beispielsweise ein Klavier in die Höhe hebt, ein Loch in die Wand meißelt, die Skier so nach außen stellt, dass die Kanten in den Schnee greifen, oder nach drei Mass Bier noch eine vierte zum Mund führt. Dass man die Praxis, Milch durch Zugießen von Rahm fester und gehaltvoller zu machen, stemmen nannte, ist in Vergessenheit geraten. Dafür hat das Wort in neuerer Zeit insofern einen Zuwachs an Bedeutung erfahren, als nun vieles, was früher erledigt werden musste, gestemmt wird: der Gemeindehaushalt, die höhere Miete oder die Energiewende, und unlängst legte ein Handballtrainer seine Arbeit nieder, da man sich nicht mehr in der Lage sehe, "stabiles Drittliganiveau zu stemmen". Bei so viel Gestemme kann es schon vorkommen, dass einiges durcheinandergerät, etwa dass jemand, wie es bei uns hieß, "den nächsten Schritt ... nicht mehr allein stemmen" könne. Unser Leser Dr. R. war fix und kräftig genug, die Blüte ins Labor zu stemmen.

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