Sprachlabor:Kriegsgurgel und andere Rätsel

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Was in der Schweiz gängig ist, ist bei uns eher mysteriös. Aber ein Blick in das Werk der Brüder Grimm kann ebenso helfen wie das Sprachlabor der SZ.

Von Hermann Unterstöger

ALS IHM DIE SZ das Wort postheroisch ins Haus brachte, vermutete Leser A., es gehöre vielleicht "zum immerwährend raunenden Geschwätz der heutigen Jetztzeit", wobei er sofort einschränkte: "Vielleicht aber auch nicht." Das Präfix post- zählt zusammen mit prä- und neo- zu den produktivsten Einheiten der Lehnwortbildung, und dass die Fülle der so entstandenen Lehnwörter manchmal auf die Nerven fällt, zählt seinerseits zu den im Kern honorigen, jedenfalls nicht verbotenen Regungen des wachen Sprachbewusstseins. Um auch hier einmal an aushäusigem Expertenwissen zu partizipieren, so sei auf einen Aufsatz des Kultursoziologen Ulrich Bröckling verwiesen, dem zufolge mit postheroisch Einstellungen bezeichnet werden, "die allergisch auf Pathosformeln reagieren, für Appelle an Opferbereitschaft taub sind und zur Verehrung großer Männer allenfalls ein ironisches Verhältnis pflegen". (Zum ganzen Text: www.exc16.uni-konstanz.de/postheroische-helden.html)

"RÄTSEL ÜBER RÄTSEL" sieht unsere Leserin Sch. vor sich aufgetürmt, und das, weil das Literaturhaus 1997 "eröffnete". "Kann das Haus das?", fragt sie, "braucht es niemanden, der es eröffnet?" Das Literaturhaus ist in diesem Punkt dem Kuchenbüffet zu vergleichen, das ebenfalls wie durch Zauberhand "öffnet", doch da hier wie dort gute Geister walten, kann auf das steife und unpersönliche Amtsdeutsch leicht verzichtet werden.

DASS DICK CHENEY in den USA als eine "Kriegsgurgel" gilt, bewegte unseren Leser S. weniger als die Frage, was eine Kriegsgurgel denn sei. Auch wenn das Wort bei uns nicht so gängig ist wie ersichtlich in der Schweiz, erschließt sich ohne Weiteres, dass es sich um eine beschimpfende Bezeichnung für Militaristen handelt. Bei Grimm findet sich die Vermutung, dass die Bauern damit einst marodierende Landsknechte bezeichneten, "die ihnen hauptsächlich mit der thätigkeit ihrer gurgel bedeutsam wurden".

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