Sprachlabor:Putin verhaften!

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Was passiert, wenn man das Go bekommt, und wie man bei der Empathie daneben dappen kann.

Von Hermann Unterstöger

WAS HÄTTE DIE REGIERUNG in Pretoria tun müssen? Sie hätte, wie es bei uns und anderswo hieß, "einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vollstrecken müssen". Der Haftbefehl gilt Wladimir Putin, und die Sache hörte sich an, als hätten die Südafrikaner den Mann laufen lassen. Tatsächlich war Putin aber gar nicht dort, und er wird auch nicht zum Brics-Gipfel (vom 22. bis zum 24. August in Johannesburg) reisen. Unser Leser (und Ex-Kollege) U. hält den Satz für falsch formuliert, weil der Konjunktiv II "hätte ... müssen" sich auf etwas bezieht, das in der Vergangenheit hätte geschehen können, aber nicht geschehen ist. So weit, so korrekt. Der Duden-Grammatik zufolge hat der Konjunktiv II als "Modus der Irrealität und Potentialität" aber auch die Lizenz, "etwas nur Vorgestelltes" auszudrücken, in unserem Fall also das, was Südafrika hätte tun müssen, wäre Putin dort aufgetaucht. Der kritisierte Satz stand im Vorspann eines Artikels und sparte die Umstände des "nur Vorgestellten" aus - ein dramaturgisches Mittel, wie man es auch im Alltag kennt, etwa wenn jemand ohne nähere Hinweise ausruft: "Das hätte aber in die Hose gehen können!"

WER AN WEIHNACHTEN sagt, er habe "das Go bekommen", meint entweder, dass unterm Baum das lang ersehnte japanische Brettspiel lag, oder aber, dass man ihm signalisiert hat, er könne nun den Punsch anrichten. Leserin I. findet, dass man erstens nicht das Go bekomme, sondern das go-ahead, und dass zweitens der Ausdruck in einem Blatt wie der SZ nichts verloren habe. Indirekt bestätigt das ein Internetportal, das unter anderem Synonyme generiert. Die Anfrage "das Go bekommen" beantwortet es mit "Meinen Sie vielleicht: Junge bekommen, gut bekommen, verliehen bekommen, den Weiter bekommen" usf.

DER WELT GINGE es besser, wenn "wir alle emphatischer" wären, sagte eine alte Dame der SZ. Leser Sch. ist ebenfalls dafür, dass es der Welt besser geht, doch sollten wir seiner Ansicht nach dafür "empathischer" sein. Mit Emphase, das lehrt die Erfahrung, wird sie allenfalls lauter.

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