Sprachlabor:Erster Kajüte!

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Worin sich "tragfähig" und "tragbar" unterscheiden.

Von Hermann Unterstöger

NIMMT MAN ES GANZ GENAU, bedeutet "sippenhaft" so viel wie "sippenartig" oder "nach Art einer Sippe lebend", doch liegt auf diesem Sinn der Schatten einer Zeit, in der man von Familien schwärmte, die noch durch Ahn und Urahn sippenhaft zusammengehalten würden. Inzwischen ist "sippenhaft" zum Substantiv geworden, und Leser E. (1) ist nicht der einzige, der die Gleichsetzung von "Sippenhaft" und "Sippenhaftung" für einen "unausrottbaren Fehlgriff" hält. Mit "unausrottbar" hat er recht, da selbst die Gerichtsbarkeit nichts dabei findet, positive Asylentscheidungen auf drohende Sippenhaft zu stützen. Trotzdem sei daran erinnert, dass man es Sippenhaftung nennt, wenn Angehörige von Oppositionellen terrorisiert werden.

EINE VERWECHSLUNG hat auch unser Leser E. (2) im Auge, wenn er den Passus kritisiert, wonach eine Referentin aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun, "nicht mehr tragfähig" sei. Auch wenn es sich dabei um ein Zitat gehandelt hatte, wäre es eine gute Tat gewesen, das Suffix -fähig schlankerhand und über den Kopf des Sprechers hinweg durch -bar zu ersetzen, da laut Herrn E. Brücken und Kompromisse tragfähig seien, nicht jedoch Unsinn redende Angestellte. Diese seien nicht mehr tragbar, wie denn überhaupt das Adjektiv tragbar im Hinblick auf Personen negativ verwendet wird: Tragbar sind Rechner, Kleider und - im Idealfall - Steuererhöhungen, doch wenn es von einem Mitarbeiter heißt, er sei gerade noch tragbar, hat der Mann seine beste Zeit eingebracht.

WOHLBEKANNT ist der Joke, eine Koryphäe als "Konifere" einzuführen. Wenn man auf Vermutungen bauen kann, handelt es sich bei dem scherzhaften Qualitätssiegel "erster Kajüte" um eine Verballhornung von "erster Güte". Dafür spricht, dass zum Beispiel die Welt einmal bei einem Limonadentest kurz hintereinander Getränke "erster Kajüte" und "erster Güte" vorstellte, obwohl sie gleichwertig gewesen sein dürften. In diesem Sinn beantwortete ein Kollege die Frage des Lesers H., was ein "Schurkenstück erster Kajüte" sei: ein "besonders schurkiges Schurkenstück", also eines erster Güte.

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