Sprachlabor:Gehört aufgehängt!

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Provokatives mit Duden-Einschränkung. Ferner ein paar Gedanken über die Erwerbstätigkeit vor der Geburt.

Von Hermann Unterstöger

UNTER DEN ADJEKTIVEN, die nicht gesteigert werden können (tot, viereckig, maximal, urkomisch, lila), werden auch die aufgeführt, die ein mögliches Geschehen verneinen und das durch die Vorsilbe un- kundtun. Unsere Leserin H. entdeckt bei uns immer wieder Komparative wie "unbezahlbarer", "unerreichbarer" und "unverständlicher". Sie ist der Ansicht, dass stattdessen mit einer Umschreibung zu arbeiten sei: "weniger bezahlbar", usw. Lässt man sich im Netz beraten, findet man viele Seiten, die solche Komparative zulassen - Seiten nebenbei, die in ihrer starren Mechanik den Eindruck erwecken, als seien sie von Automaten erstellt worden. Für Formen wie "unverständlicher" könnte man ins Feld führen, dass der verneinende Charakter des Adjektivs verblasst ist, der reguläre Komparativ also nicht mehr als fehlerhaft empfunden wird.

IN DER KÜRZE liegt die Würze, doch unmittelbar daneben beginnt auch schon das Glatteis. Darauf passierte der Passus über ein in Österreich gängiges pauschales Elterngeld "für Menschen, die vor der Geburt nicht erwerbstätig waren". Leser L.-K. blickt aus Bochum nach Süden und seufzt: "Ach, felix Austria!"

DIE REDEWEISE, jemand habe einen Bypass "implantiert bekommen", findet Leserin L. "supermegaultra umständlich". Das ist ihr gutes Recht, aber ihre Alternative, der Bypass sei jemandem "implantiert worden", hat ebenfalls eine gewisse Erdenschwere. In der Literatur wird der Passiversatz, der mit bekommen, kriegen, erhalten und gehören plus Partizip II gebildet wird, als brauchbare Alternative behandelt, mit der beispielsweise in der Duden-Grammatik enthaltenen Einschränkung, wonach kriegen "in der Standardsprache nach Möglichkeit gemieden" wird. Ansonsten handle es sich um eine Variante, die in der Alltagssprache längst heimisch sei und die "langsam auch in die Schriftsprache eindringt". Gehören plus Partizip II wird als umgangssprachlich eingestuft und mit einem Wort aus Klaus Manns "Wendepunkt" belegt: "Wer über dreißig ist, gehört aufgehängt." Damit charakterisiert Mann das provokative Gebaren der damaligen Jugend.

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