Schokonusscreme:Herz über Kopf

Lesezeit: 4 min

Mit Küchenmaschinen begann sie ihre ersten Nuss- und Schokocremes zu produzieren: Unternehmerin Ebru Erkunt. (Foto: Till Glaeser)

Wie aus Kindheitserlebnissen ein Geschäft wird: Ebru Erkunt brachte eine Nusscreme auf den Markt. Doch bis zum Erfolg brauchte die Unternehmerin viel Durchhaltevermögen und einen starken Partner.

Von Steffen Uhlmann

"Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht oft kurz davor war, aufzugeben", bekennt Ebru Erkunt. "Doch egal wie groß oder gar dramatisch die Herausforderungen auch waren, ich habe nie aufgehört, für meine Träume zu kämpfen." Wohl der größte Gewinn der 43-Jährigen ist dabei die Gewissheit, dass man irgendwie alles erreichen könne, wenn man es nur wirklich will.

Geboren und aufgewachsen ist Ebru Erkunt in Essen. Dort hatten sich ihre Eltern angesiedelt, als sie der Arbeit wegen von der Türkei nach Deutschland gezogen waren. Nach ihrem Abitur hat sie im benachbarten Duisburg Wirtschaftswissenschaften studiert und ist danach gleich weiter an die renommierte Berkeley-Universität in San Francisco gezogen, um dort bis Ende 1995 eine Marketingausbildung dranzuhängen. Zurück in Deutschland betreute sie jahrelang im Auftrage einer Hamburger Werbeagentur diverse Konsumgüterkonzerne - von Unilever bis Procter & Gamble.

Die ersten Cremes rührte sie nach Feierabend und an Wochenenden

Ihre unternehmerische Geschichte beginnt eigentlich schon in der Kindheit, als ihre Großmutter bei den regelmäßigen Sommerferien in der Türkei die Enkelkinder mit einem türkischen Nussaufstrich verwöhnte. Der habe sie regelrecht "süchtig" gemacht, sagt sie. "Vor allem durch die vielen Haselnüsse in der Creme." So ein Aufstrich war in Deutschland einfach nicht zu finden. Also wuchs bei ihr der fixe Gedanke, die Creme in Deutschland selbst herzustellen.

Sie fuhr mit ihrem Vater nach Ordu an die türkische Schwarzmeerküste, um dort eine Haselnuss-Börse zu besuchen. Zurück in Deutschland begann sie, eine eigene Nusscreme anzumischen. Die Rezeptur sollte viel mehr Haselnüsse als herkömmliche Cremes enthalten und ohne weißen Zucker, Palmöl und Gluten auskommen. Stattdessen setzte Ebru Erkunt auf Kokosblütenzucker und den vollen Nussgeschmack. "Man sagt, dass die türkischen Haselnüsse sehr knackig und überaus aromatisch sind", erklärt sie ihre Wahl. Und natürlich sollte ihre Creme auch vegan und bio sein.

2014 war Bio noch ein Nischenthema, für Erkunt aber schon ein wichtiger Antrieb für ihre Firmengründung. So stand sie dann wenige Monate nach ihren ersten Versuchen mit vier eigenen Nusscremes auf der Nürnberger Biofachmesse. Und damit war auch ihr Produkt- und Firmenname Haselherz in der Welt, denn die Messe bescherte der Gründerin gleich mehrere Aufträge.

Sie mietete eine gewerbliche Küche in ihrer Wahlheimat Hamburg an und begann mit Küchenmaschinen ihre ersten Nuss- und Schokocremes zu produzieren. Und das allein - nach Feierabend und an den Wochenenden. Ihren Marketingjob gab sie zunächst nicht auf. Also musste die Küchenarbeit parallel dazu geschehen. Bald war sie so geübt, dass sie es schaffte, in acht Stunden bis zu 200 Gläser abzufüllen. Für einen fest terminierten Großauftrag mit 3000 Gläsern reiste ihre ganze Familie aus Essen an und half mit, die Cremes anzurühren. "Wir haben es gewuppt", sagt sie. "Das war damals schon eine schöne und genauso verrückte Zeit für mich, weil ich merkte, wenn es sein muss, dann schaffe ich alles."

Beim fünften Anlauf schafft sie es in die "Höhle der Löwen"

Erst 2017 stieg sie aus dem Beratergeschäft aus, um sich voll und ganz um Haselherz zu kümmern. Zu jener Zeit war es noch eine Unternehmung, die sie ganz allein betrieb. Ein- und Verkauf, Entwicklung und Produktion, Buchhaltung, Marketing und Vertrieb - alles hing von ihr ab. Mühsam sei die Zeit gewesen, mit vielen Rückschlägen und Enttäuschungen. Mal sprangen Produzenten wegen zu geringer Auftragsmengen ab. Mal fehlte das nötige Kapital, um die Produktion vorzufinanzieren und Lieferanten zu bezahlen. Einzelhändler wiederum listeten sie aus, weil Haselherz häufig keine Ware liefern konnte. Ebru Erkunt übernahm einen Job am Flughafen, um irgendwie finanziell über die Runden zu kommen. Aufgegeben hat sie dennoch nicht.

Sie fing an, intensiv nach Partnern zu suchen und bewarb sich beim Privatsender Vox, um an der Gründershow "Die Höhle der Löwen" teilnehmen zu können. Einmal, zweimal, dreimal, viermal umsonst. "Beim fünften Mal hat es dann aber tatsächlich geklappt", sagt sie. "Erst das Casting, 2020 dann die Aufzeichnung, ein knappes Jahr später lief endlich mein Auftritt über den Sender." Was stockend vor Kamera und Prominenten begann, endete schließlich glücklich für die Haselherz-Gründerin. Ihre Nuss-Nougat-Cremes erhielten viel Zuspruch von den Juroren. Und einer von ihnen, der Handelsunternehmer Ralf Dümmel, bot ihr sogar die erhoffte Partnerschaft an.

"Er hat mir 80 000 Euro für 25 Prozent Anteil an Haselherz geboten", erzählt Ebru Erkunt. "Ohne zu überlegen, habe ich gleich Ja gesagt - so aufgeregt war ich gewesen." Dabei hatte sie sich eigentlich vorgenommen, 100 000 Euro für die 25 Prozent Anteil zu verlangen. "Egal", sagt sie, "wichtiger als das Geld sind eh Ralf Dümmels unternehmerischen Erfahrungen und noch viel mehr seine geschäftlichen Kontakte und Verbindungen."

Seit Dümmels Eintritt hat sich vieles professionalisiert bei Haselherz. Für die Produktion gibt es nun feste Partner. Zwei Lager wurden in Deutschland eingerichtet. Das Sortiment wurde erweitert, ein neues Preismodell geschaffen. Mittlerweile gibt es vier Cremes, zwei Nuss- und zwei Schokocremes, sowie zwei vegane Schokoladen. Weiterhin sind alle Zutaten biozertifiziert.

Haselherz-Produkte finden sich mittlerweile nicht nur in mehr als 1000 Rewe-Märkten, sondern auch in den meisten Bio-Ketten und bei weiteren Einzelhändlern. Mehr als 400 000 Gläser hat Haselherz 2021 abgesetzt und dabei einen Handelsumsatz von mehr als zwei Millionen Euro erzielt. Erkunt glaubt, dass im schwierigen Wirtschafts- und Handelsjahr 2022 zumindest die gleichen Absatzzahlen erreicht werden können. Sie selbst hat jetzt ein Zweiraum-Büro in der Hafencity bezogen. Zwei Mitarbeiterinnen beschäftigt sie dort. Künftig sollen weitere hinzukommen.

Der Erfolg ist da. "Es macht mich unheimlich glücklich, zu sehen, wie Haselherz wächst und gedeiht", sagt Erkunt und kündigt weitere Cremes und sogar ganz neue Produkte an.

Im Februar hat sie sich mit der Influencerin und Schauspielerin Elena Carrière zusammengetan und mit ihr zusammen eine neue Rezeptur kreiert. Die von Carrière präsentierte Crunchy Choco Nuss vegan Edition ist jetzt in ausgewählten Läden zu haben. "In limitierter Auflage, versteht sich", sagt die Firmen-Chefin und meint: "Wir wollen doch beweisen, dass veganer Lifestyle auch mit Haselherz funktionieren kann."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: