Sprachlabor:Kollateralschäden des Genderns

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Der SZ-Sprachlaborant hat sich mit dieser Frage beschäftigt - und mit dem "Emirati", der ein linguistischer Verwandter der Mafiosi sein könnte.

Von Hermann Unterstöger

Sind Antony Blinken und Sergej Lawrow Amtskollegen oder nur Kollegen? Leser Dr. H. nimmt daran Anstoß, dass Minister verschiedener Staaten bei uns als Amtskollegen figurieren, ein Anstoß, der wohl auf die verbreitete Meinung zurückgeht, dass lateinisch collega auf Deutsch Amtskollege heiße, der Amtskollege mithin ein Amtsamtskollege sei. Der Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch hat gegen dieses etymologische Argument ein kommunikatives Bedürfnis ins Feld geführt: Manchmal sei es nötig, "von Menschen zu sprechen, die zwar nicht ,Kollegen' im normalen Sinne des Wortes sind, die aber von Zeit zu Zeit zusammen arbeiten, weil sie dasselbe Amt bekleiden", und für deren Beziehung zueinander biete sich das Wort Amtskollege förmlich an.

DEN "EMIRATI", der kürzlich zur Fahrt in den Weltraum aufbrach, hatten unsere Leserinnen L. (1) und L. (2) im Verdacht, dass er, sprachlich gesehen, ein naher Verwandter der "Mafiosi" sei. Tatsächlich heißen die Bewohner der Emirate Emirati. Dass das Wort auch im Singular gebräuchlich ist, lässt sich über discover-arabia.de belegen, wo es heißt: "Jeder arabische Emirati hat seinen festen sozialen Platz und ist Teil eines Clans, eines Stammes und der Emirate."

WER SPÄTER EINMAL Bilanz über den Prozess des Genderns zieht, wird unter den Kollateralschäden möglicherweise das Partizip Präsens verbuchen. Dieser Verbform hat man zur Vermeidung von Gendersternchen etc. mehr aufgeladen, als sie tragen kann, und die Genderkritik gewann daraus Schlagzeilen wie "Wenn Mordende auf Richtende treffen". Auch bei uns macht sich das Gender-Partizip breit. Dabei kam es kürzlich zu einem ärgerlichen Durcheinander, indem die Bus-, U-Bahn- und Straßenbahnfahrer, also die Fahrzeugführer, als "U-Bahnfahrende/Bus- und Straßenbahnfahrende" bezeichnet wurden. Unser Leser B. (1) kritisierte das als "kunterbuntes Pseudogendern", und Leser B. (2) gab der Hoffnung Ausdruck, es möge doch über so viel vermeintlich gendersensibler Korrektheit bitte nicht die semantische "auf der (Bahn-)Strecke bleiben".

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