Ingolstadt:Schön wär' so ein neues Theater - und schwierig auch

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So hätten Ingolstadts neue Kammerspiele aussehen können - beim Bürgerentscheid war die Mehrheit dagegen. (Foto: blrm Architekt*innen GmbH)

SZ-Leserinnen hadern mit dem Ergebnis eines Bürgerentscheides und formulieren kulturelle Anforderungen an die Donaustadt.

"Hätte, hätte, Ausweichstätte" vom 26. August über einen per Bürgerentscheid verhinderten Theaterneubau in Ingolstadt:

Enttäuschender Entscheid

"Wo waren die Kulturfreunde und Theaterliebhaber, als es um ihre Sache ging?", fragt Christine Dössel am Ende ihres Beitrags. Zwei von ihnen, mein Mann und ich, saßen Luftlinie 400 Meter von Ingolstadts Stadtgrenze fassungslos im Wohnzimmer und waren zur Tatenlosigkeit verdammt. So ging es bestimmt vielen Kulturfreunden, die in der Peripherie Ingolstadts leben und nicht wahlberechtigt waren, also in den angrenzenden Landkreisen Pfaffenhofen, Neuburg/Schrobenhausen und Eichstätt ihren Wohnsitz haben.

Insgesamt beträgt die Einwohnerzahl der drei genannten Landkreise plus die Stadt Ingolstadt etwa 500 000 Einwohner (die Zahl der davon Wahlberechtigten ist mir unbekannt). Ich weiß nicht, wie viele davon regelmäßig das Theater oder ein Konzert im Festsaal besuchen, der in das Theater integriert ist und den Konzertsaal der Stadt darstellt. Aber wir sind schon zwei Personen, die ein Theater-Abo haben und durchschnittlich zwei Mal pro Monat dort sind. Außerdem sind wir glücklich darüber, dass wir unseren beiden Kindern so Theaterkultur näher bringen können, ohne dafür nach München fahren zu müssen, und dass sie, wie viele Landkreiskinder, in Ingolstadt zur Schule gehen und über die Schule Kontakt zum Theater haben.

Kultur ist systemrelevant, und jeder muss Zugang dazu haben, auch wenn es vielen Menschen nicht bewusst ist, dass Kultur für sie wichtig ist. Somit ist das Theater Ingolstadt eben auch für die Landkreisbewohner eine systemrelevante Stätte, also die nächsterreichbare Infrastruktur für Kultur. Ausnahme: Bewohner des südlichen Landkreises Pfaffenhofen werden eher nach München fahren.

Mir ist bewusst, dass direkte Demokratie örtlich festgemacht werden muss und dass der Restbetrag, der nicht vom Freistaat Bayern bezahlt wird, von den Steuergeldern der Stadtbürger getragen würde. Aber die geringe Wahlbeteiligung der Stadtbewohner und dass somit 5000 Stimmen das Projekt "Kammerspiele" zu Fall gebracht haben, frustriert mich sehr und lässt mich persönlich - wie schon bei anderen Bürgerentscheiden - am Instrument "direkte Demokratie" zweifeln. Was bringt's, wenn keiner hingeht?

Vielleicht haben die Initiatoren des Bürgerentscheids, also die Gegner der Kammerspiele, sogar insgeheim mit den zwei Faktoren gerechnet: Viele Theaterbefürworter sind nicht wahlberechtigt, und die, die wahlberechtigt sind, bekommen ihren Hintern nicht hoch.

Christine Engel, Manching

Auch die Musik hätte Bedarf

Ich bin selbst junge Ingolstädterin (unter 30) und gehe gern und regelmäßig ins Theater. Niemand in meinem Umfeld bezweifelt, dass es dringender denn je ist, das Stadttheater zu sanieren und den Angestellten einen würdigen Arbeitsplatz zu geben. Dennoch war und ist die Kontroverse um die Kammerspiele bei Weitem nicht so einfach wie dargestellt. Es gibt eine Vielzahl mehr von Gründen, warum die Leute gegen die Kammerspiele gestimmt haben. Es gibt in Ingolstadt, wie in anderen bayerischen Städten auch, zahlreiche Leerstände in der Innenstadt und auch im Klenzepark am anderen Donauufer. Dort stehen Gebäude seit Jahren und Jahrzehnten leer und werden nur wenige Tage im Jahr genutzt. Genauso, wie der Park, der wenig Leben enthält.

Es wird immer gesprochen von der "Belebung der Innenstadt". Jedoch bedeutet Belebung nicht, einen neuen Prunkbau hinzustellen, dessen Unterhalt in der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Frage gestellt werden darf und der womöglich in etlichen Jahren genauso leer steht wie vieles andere auch. Außerdem wurde auch nie darüber gesprochen, was mit den Gebäuden passiert, in denen sich derzeit das Kleine Haus befindet. Nach dem Auszug des Theaters: weiterer Verfall? Über die Gebäude im Klenzepark, die teils dem Freistaat Bayern gehören, wurde zu Beginn der Standortsuche sogar verhandelt. Leider erfolglos. Die Frage ist doch, wer hier Populismus betreibt. Ingolstadt sollte sich lieber um seinen Bestand kümmern, diesen aufwerten und die Ressourcen schonen.

Ein anderer Grund war mit Sicherheit der vor dem Bürgerentscheid erschienene Klimabericht. Es geht nicht um "ein paar Bäume", sondern um eine Luftschneise, welche die gesamte Altstadt kühlt. Was in Zeiten des Klimawandels wirklich nicht zu unterschätzen ist. Es ist auch hinsichtlich dieses Aspekts an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen.

Ihre Berichterstattung gleicht sehr einem Abklatsch dessen, was die Befürworter in Tagen vor dem Bürgerentscheid rauf und runter gebetet haben. Ich bin auch Vorsitzende eines in Ingolstadt sehr aktiven Musikvereins. Die Laiengruppen erfahren hier kulturell von der Stadt in keiner Weise irgendeine Unterstützung. Es geht hier nicht ausschließlich um ein Gebäude, sondern auch um die kulturelle Infrastruktur im Ganzen. Sehr viele Kulturveranstaltungen werden auf den letzten Drücker organisiert, Kommunikation von Seiten des Kulturamtes immer mangelhaft. Die ansässigen Vereine und Gruppierungen würden sich bei diesem Thema auch freuen, wenn es in Zukunft einen "offenen Raum" geben würde, der von allen für Konzerte, Vorstellungen, Aufführungen genutzt werden kann - zu einem Budget, das Ehrenamtliche auch aufbringen können.

All das wäre mit den geplanten Kammerspielen auch gestorben. Die Stadt respektive der Stadtrat kennt alle diese Themen. Leider wollten die Verantwortlichen einfach nicht näher auf die Bürger zugehen. Dafür kam jetzt die Quittung. Schade, dass das Theater jetzt als Sündenbock dafür herhalten musste.

Kathrin Eickenberg, Ingolstadt

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