"Im Minenfeld der Worte" vom 21. April und "Eins mit Sternchen" 1./2. April:
Sprachwandel übersteuert
Der sich im Bereich des Genderns vollziehende Sprachwandel wird institutionell gesteuert (besser: übersteuert). Vor fast 50 Jahren kamen Impulse zur Betrachtung patriarchaler Verhältnisse in der deutschen Sprache von Luise Pusch und Senta Trömel-Plötz. Seither überschlagen sich die Reformvorschläge zu Personenreferenzen mit immer neuen Zeichen vor dem Feminin-Baustein.
Derzeit wird an Universitäten der Doppelpunkt favorisiert, davor war es der Asterisk, davor das groß geschriebene Binnen-I. Leitlinien sind bei Firmen, Städten und Bildungsanstalten zu einer bedeutsamen Textsorte geworden. Sie setzen auf Unterweisungsaffinität. Ob die Unterweisung funktioniert, dass wir uns beim Asterisk eine non-binäre Person vorstellen, bezweifelt die Forschung.
Natürlich ist das ein Sonderfall von Sprachwandel, der sich kaum um Übergangsformen schert. Natürlich schreibt sich so Milieudistinktion in diese Praktiken ein. Wer bekommt die neuesten Wendungen überhaupt mit? Es gibt ihn leider, den Hochmut der Sprachgerechten. Darüber sollte auch die GEW unbedingt nachdenken.
Prof. Dr. Helga Kotthoff, Freiburg
Einfach beide
Die Lösung für die unsäglich albernen Sternchen, Doppelpunkte oder sonstige Genderkonstruktionen gibt es doch längst; auf der Wissensseite vom 17. April macht das Benjamin von Brackel in seinem Artikel über Blitzdürren unauffällig und ohne Gewese vor: Er schreibt von "Autorinnen und Autoren" und von "Kolleginnen und Kollegen". So einfach ist das. Ich hoffe, er findet Nachahmer.
Ulla Schacht, Bremen
Bitte bei den Fakten bleiben
Der Autor behauptet, das Berliner Verwaltungsgericht habe im Gerichtsverfahren "auf seiner Spurensuche nach einem Gender-Zwang" an Schulen herausgefunden, Schulen in Deutschland zwängen Schülerinnen und Schüler durch zahlreiche Verordnungen "zum Gegenteil - zum Nicht-Gendern". Und das sei "[i]lliberal, sprachlich bevormundend". Wer den Gerichtsbeschluss gelesen hat, ist über diese kühne Deutung doch sehr erstaunt. Ganz abgesehen davon, dass es aus guten Gründen amtliche Rechtschreibregeln gibt.
Auch die Behauptung des Autors, die drei "Richterpersonen" erschienen im Urteilsbeschluss quasi bewusst als geschlechtslos und seien nicht jeweils als "Richterin" oder "Richter" ausgewiesen, wird schon auf der ersten Seite des Beschlusses widerlegt.
Der Autor behauptet ferner explizit, dass an Berliner Schulen bei Verwendung von gendergerechten Schreibweisen infolge des Verstoßes gegen die geltenden amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung ein "Punktabzug" erfolge, und zwar "bei jedem Versuch des Genderns". Wie kommt er darauf? Davon ist weder in dem zitierten Deutsch-Fachkonferenzbeschluss (vom März 2022, nicht 2020) die Rede noch im Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichtes.
Ein Verstoß gegen die aktuell geltenden Rechtschreibregeln durch eine bis dato als fehlerhaft geltende Verwendung bestimmter "gendergerechter" Schreibweisen wird als einzelner Rechtschreibfehler angestrichen, alle gleichartigen weiteren gelten als "Folgefehler". Konsequenz für die Benotung: gar keine. Für eine sachliche Diskussion wäre es hilfreich, bei den Fakten zu bleiben.
Dr. Franz Eyckeler, Berlin
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