Habecks Gesetz:"Die Gasumlage ist eine Fehlgeburt"

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SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: Denis Metz)

SZ-Leser kritisieren die umstrittene Regelung zur Rettung strauchelnder Gasfirmen. Sie fürchten bald eine gespaltene Gesellschaft. Um das zu verhindern, machen einige Verbesserungsvorschläge.

"Nichts als Ärger mit der Gasumlage" vom 27. August, "Ein großer Fehler" vom 25. August und "Die Unruhe wächst" vom 24. August, "Gas kostet Familien Hunderte Euro mehr" vom 16. August:

Nach dem Gießkannenprinzip

Selten hat eine politische Entscheidung das deutsche Volk derart polarisiert und in Aufruhr versetzt wie die von der Bundesregierung im Schnellverfahren durchgepeitschte Gasumlage. Diese rettet möglicherweise die Energiekonzerne vor der Insolvenz, doch der Preis ist hoch, und die Zeche für die Blindheit der Politik zahlen Millionen Verbraucher, die in diesem Winter vermehrt und ohne Zutun in die Armut stürzen werden. Zwar kann niemand die globalen Energiepreise steuern. Doch statt die rund 20 Millionen mit Gas heizenden Haushalte zu entlasten, werden die Energiekonzerne auch noch vom Einkaufsrisiko freigestellt.

Statt die Krisengewinner zu zwingen, die Mehrkosten für die Ersatzbeschaffung von Gas aus den Rücklagen ihrer sprudelnden Milliardengewinne der Vergangenheit zu begleichen, werden die Mehrkosten mit der Gasumlage per Gesetz auf die ohnehin von immensen Inflationssorgen gebeutelten Bürger abgewälzt, die weiter ausbluten und kaum mehr wissen, wie sie den Alltag finanziell stemmen sollen. Natürlich wird im Zuge dessen auch wieder von Entlastungen für die Bürger gefaselt. Ob das Geld dann aber wirklich bei den Bedürftigen ankommt, darf bezweifelt werden. Es ist vielmehr zu befürchten, dass das Geld wieder nach dem Gießkannenprinzip verteilt wird und so eine unversöhnlich gespaltene Gesellschaft entsteht, die in die Fänge der Rechtspopulisten getrieben wird.

Dietmar Helmers, Westerheim

Ein bürokratisches Monstrum

Die Gasumlage ist eine Fehlgeburt. Da sollen alle Gasbezieher eine Umlage bezahlen, um strauchelnde Gasfirmen zu retten. Wie zu erwarten, gibt es neben wenigen echt betroffenen Firmen wie Uniper und Gazprom Germania einige Trittbrettfahrer, die auch Geld aus der Umlage wollen. Die Regierung will die Inflation bekämpfen, führt aber eine Gasumlage ein, die diese erhöht. Dabei wird sie ab September, wenn Neun-Euro-Ticket und Benzinrabatt entfallen, ohnehin kräftig zulegen. Was soll das? Die Regierung soll die wenigen Gasfirmen unterstützen, aber doch nicht ein bürokratisches Monstrum schaffen. Diese Umlage ist schlecht gemacht, schlecht erklärt und bürokratischer Unsinn.

Axel Bock, München

Marktwirtschaftlich gerecht

Lange haben wir die preisgünstige Versorgung mit Gas aus Russland genossen, ohne den Lieferanten und seine Beweggründe genauer zu betrachten. Putin hat es geschafft, uns mit günstigen Preisen in eine Abhängigkeit zu bringen. Sein Angriffskrieg auf die Ukraine demaskiert ihn jetzt als Dealer. Eine weitere Zusammenarbeit ist für uns nicht mehr akzeptierbar. Leider fällt uns jetzt die Gasabhängigkeit auf die Füße. Sich aus ihr zu befreien, ist schwer, aber nicht zu umgehen. Wir Gasverbraucher (Haushalte und Industrie) haben bisher profitiert und müssen jetzt wohl unseren Beitrag zur Lösung leisten. Der erste Schritt muss die Überlegung sein: Wo kann ich sparen oder substituieren?

Das Leben im "Energie-Luxus-Wunderland" ist nicht wie gewohnt fortführbar, denn Konsum ist mit Energieverbrauch verbunden. Zur Sicherung der Gasversorgung ist die solidarische Gasumlage von 2,419 Cent pro Kilowattstunde geplant. Wer wenig verbraucht, zahlt weniger. Scheint doch gerecht. Sollen aus diesem Topf jetzt nur die Unternehmen gestützt werden, die sich auf das Gasgeschäft mit Russland spezialisiert haben, oder auch die Unternehmen, die auch andere Geschäftsfelder (= Diversifizierung) betreiben, mit denen sie die Verluste mehr als ausgleichen können? Spezialisierung und Diversifizierung sind unternehmerische Entscheidungen mit Vor- und Nachteilen. Daher erscheint es aus marktwirtschaftlicher Sicht gerecht, wenn alle Unternehmen etwas erhalten. Unter moralischen Gesichtspunkten könnten gutverdienende Unternehmen auf ihren Anteil verzichten, wie gutverdienende Haushalte oder Unternehmen freiwillig eine höher Abgabe zahlen könnten, um den armen Haushalten zu helfen. Darauf besteht aber selbst in einer sozialen Marktwirtschaft kein Rechtsanspruch.

Johannes Lakes, Oberhausen

Wo sind die Rücklagen?

Nur drei Fragen zum Thema, die sonst so nicht gestellt werden. Die Bürger verhindern mit ihrem Geld Verluste oder den Konkurs der Gasimporteure. Erhalten sie nach der Krise auch Anteile an den neuerlichen Gewinnen? Und was ist mit den - teils riesigen - Gewinnen der Importeure aus der Vergangenheit? Als Selbständiger hatte ich Rücklagen für wirtschaftliche Krisen gebildet. Sollten die Importeure nicht gesetzlich zur Bildung entsprechender Rücklagen verpflichtet werden?

Wolfgang Graul, Saarbrücken

Betriebswirtschaftlicher Grundkurs

In jedem betriebswirtschaftlichen Grundkurs wird gelehrt, dass die Auswirkungen (positiv wie negativ) einer Maßnahme in die Entscheidungsfindung und Umsetzung mit einfließen müssen. Warum sind unsere Politiker und deren Beamte nicht in der Lage, Fakten zu prüfen, wie etwa: Welche Unternehmen müssen bei der Gasumlage wirklich unterstützt werden? Die Vernachlässigung solcher Fakten kann nicht mit Zeitdruck abgetan werden. Der gesunde Menschenverstand zeigt, wo Geld ohne Kontrollmechanismen verteilt wird, gibt es immer kriminelle Energie.

Uwe Mehl, Hamburg

Eine mutige Übereinkunft

Es handelt sich um einen Schildbürgerstreich, ein Gesetz so zu konzipieren, dass Unternehmen, die "Übergewinne" verbuchen, von einer Umlage profitieren könnten, die die Allgemeinheit aufbringen muss. Wir leben in ungewöhnlichen Zeiten, da sind außergewöhnliche Maßnahmen zu treffen. Ich denke an die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre, als der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt mit seinem "New Deal" ein staatliches Arbeitsbeschaffungsprogramm auflegte. So wäre anstelle der Gasumlage, die nach dem altbekannten Schema "Gewinne privatisieren, Risiken sozialisieren" funktioniert, ein "Brave Deal" (mutige Übereinkunft) erforderlich. Alle Energieträgerimporteure, die in der Krise gute Geschäfte machen, zahlen in einen Solidaritätsfonds ein, aus dem sowohl die von Insolvenz bedrohten Unternehmen als auch die, die durch die hohen Gaspreise existenziell bedroht sind, unterstützt werden. Diese Sonderabgabe, die an genau festgelegte Kriterien gebunden ist, würde auch die Diskussion über die Übergewinnsteuer beenden.

Helmut Knett, Regensburg

Kostspielige Illusion

Die Gaspreise steigen. Dazu räumte Wirtschaftsminister Habeck ein, er und sein Ministerium hätten nicht gewusst, wie der Gasmarkt verflochten sei, welche Firmen Anteile an Töchtern hätten. Die Folge: Firmen, deren Mutterkonzern oder Tochter schwindelerregende Gewinne in anderen Geschäftsbereichen gemacht hat, melden Ansprüche auf staatliche Unterstützung für Verluste aus dem Gasgeschäft an. Habeck und sein Ministerium tun mit berückender Unbedarftheit so, als ob das die Schuld der geldgierigen Konzerne sei. Nein, das ist allein der schlampigen Arbeitsweise von Habecks Ministerium geschuldet. Wer so dilettantisch und mit fachlicher Ahnungslosigkeit vorgeht, muss sich nicht wundern, wenn seine Kompetenz in Zweifel gezogen wird. Als ob es zu viel verlangt wäre, dass sich das Wirtschaftsministerium einen Überblick über internationale Verflechtungen von Konzernen macht, bevor es die Ansprüche von Firmen auf Entschädigung juristisch so zementiert, dass es kaum mehr Korrekturmöglichkeiten gibt.

Trotzdem stellte sich der Minister gewohnt empathisch vor die Mikrofone und beklagte eine moralische Schieflage. Dabei nutzen die Konzerne nur die stümperhafte Arbeit seines Ministeriums aus. Recht geschieht ihm, ist man versucht zu sagen, wenn es nicht um Steuergelder ginge. Wird denn in Berlin nur noch gemurkst? Die Medien waren wochenlang voll des Lobes für die menschelnden Auftritte Habecks. Ein neuer Typ Politiker schien geboren, nah an den Sorgen und Nöten der Menschen. Eine kostspielige Illusion, wie sich nun herausstellt. Der Wirtschaftsminister ist von ähnlichem Format wie sein Vorgänger.

Josef Geier, Eging am See

Als rückzahlbarer Kredit

Anstelle einer Umlage, die pauschal verteilt wird, schlage ich vor: Systemrelevante Unternehmen, denen der Konkurs erspart werden soll - bei Uniper trifft das wohl zu -, sollten nach Antrag einen Überbrückungskredit aufnehmen dürfen. Kreditgeber sollte der Staat in Gestalt einer Bank, vielleicht der KfW, sein. Über die Vergabe entscheidet der Kreditgeber nach wirtschaftlichen, nicht "politischen" Kriterien. Wesentlich am Kredit ist seine Rückzahlung, die Geber und Nehmer aushandeln. Damit kann erreicht werden, dass nur Bedürftige unterstützt werden. Das Verfahren erinnert an die Kreditvergabe während der Bankenkrise in den USA. Die Kredite sind mittlerweile auf dem Weg der Tilgung. Das Verfahren erfordert auch keine Verwaltung.

Dr. Alf Vinçon, München

Die ungerechtest mögliche Form

Wirtschaftsminister Robert Habeck nannte die Gasumlage für Verbraucher in Höhe von 2,419 Cent pro Kilowattstunde die "gerechtest mögliche Form", die Zusatzkosten für die Gasbeschaffung zu verteilen. Das trifft so nicht zu. Als Grund für die Notwendigkeit der Gasumlage nennt die Bundesregierung die Rettung von Gasimporteuren vor einer eventuellen Insolvenz, um einen Zusammenbruch des deutschen Energiemarkts zu vermeiden. Es gehe dabei insbesondere um kleinere und mittlere Energieversorgungsunternehmen. Nachdem diese Unternehmen jedoch auch die Versorgung mit Strom und Wasser sicherstellen, müssten die Kosten für die Vermeidung von Insolvenzen nicht nur von den Gaskunden getragen werden, sondern von allen Kunden. Die Gasumlage ist daher die "ungerechtest mögliche Form".

Zudem wirkt sich die Gasumlage bei Einkommensschwachen besonders negativ aus. Es ist bedauerlich, dass keine Lösung gewählt wurde, die die wirtschaftliche Situation berücksichtigt. Die zeitlich begrenzte Einführung eines gestaffelten Solidaritätszuschlags zur Einkommens- und Unternehmensertragssteuer wäre der bessere und gerechtere Weg gewesen.

Prof. Dr.- Ing. Dr. phil. Frank Müller-Römer, Neubiberg

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