Leserbriefe:So richtig elektrisiert das noch nicht

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SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: Denis Metz (Illustration))

Viele SZ-Leser blicken kritisch auf E-Autos und grünen Wasserstoff. Mit der FDP gehen sie hart ins Gericht.

"Pro und Contra: Sollen die Deutschen voll auf E-Autos setzen?" vom 9./10. September und "Das Blaue vom Himmel" vom 1. September:

Keine objektive Analyse

Woran erkennt man den Unterschied zwischen einer objektiven Analyse und einseitiger Werbung? Bei einer seriösen Analyse werden sowohl Stärken als auch Schwächen, Chancen und auch Risiken objektiv einander gegenübergestellt, während Werbung ausschließlich die Vorteile hochhebt und Nachteile kleinredet.

Ihr Artikel zu E-Autos tut Letzteres - so sieht keine objektive Analyse aus, das war einfach nur einseitige Werbung für die ideologisierte Politik der Grünen. Dazu vier Details:

Ökonomische und ökologische Bilanz: Ein guter Verbrenner kann locker 20 Jahre und viele Hunderttausende Kilometer gefahren werden, entweder vom Erstkäufer, oder aber er ist als Gebrauchtwagen weiter verkaufbar - bei einem E-Auto hingegen muss man mit einem "Aus" der teuren Batterie nach 8 Jahren rechnen, was einen wirtschaftlichen Totalschaden bedeutet; dass ein Weiterverkauf als Gebrauchtwagen so nicht möglich ist, versaut jede Wirtschaftlichkeitsrechnung, und dass so die kompletten Autos schon nach acht statt 20 Jahren verschrottet werden müssen, versaut auch die Ökobilanz.

Ladestationen: Solange ein Ladevorgang zu lange dauert, um darauf warten zu können wie beim Verbrenner, ist ein E-Auto erst dann alltagstauglich, wenn ich es auch an meinem Tiefgaragenstellplatz zu meiner Mietwohnung aufladen kann - dazu könnte man über gesetzliche Vorgaben für Neubauten nachdenken - davon sind wir noch meilenweit entfernt. Davon keine Rede in Ihrem Artikel.

Brandgefahr: Es kommt nicht darauf an, wie häufig ein Auto zu brennen anfängt, sondern wie es (auch ohne Feuerwehr) im Brandfall gelöscht werden kann, welche Gefahren von einem brennenden Auto ausgehen. Dazu gibt es noch keine vernünftige technische Antwort bei E-Autos.

Entsorgung: Die in Ihrem Artikel dargestellten Lösungswege sind leider reine Science-Fiction - Lösungswege, die erst noch realisiert werden müssen. Was geschieht denn heute mit nach acht Jahren ausgelutschten E-Auto-Batterien? Dieselbe Kurzsichtigkeit wie seinerzeit bei der Frage, wie man den Atommüll der vermeintlich umweltfreundlichen Kernkraftwerke entsorgen kann. Ich will damit nun nicht genauso einseitig das E-Auto verteufeln, aber eine etwas ausgewogenere, objektivere Gegenüberstellung der Pros und Contras hätte ich von der SZ schon erwartet.

Bernhard Tröger, Feldafing

Vorsicht vor Technologieoffenheit

Klima-Journalismus ist keine Meinungswiedergabe, und ohne Fact-Checking Irreführung. Ausreichendem Fact-Checking wird der Pro-Contra-Artikel nicht gerecht.

Die an sich richtige Aussage "grüner Strom bleibt knapp und teuer; deshalb muss das Land offen sein für den Wettbewerb verschiedener Energieformen" kann doch nicht dazu führen, dass Energieformen für den Pkw-Verkehr in Deutschland gewählt werden, die im Fall der Herstellung und Verbrennung von E-Fuels circa sechs Mal energie-ineffizienter sind als ein E-Auto (bei Betrachtung der gesamten Prozesskette "Well to Wheel"). Rechnen Sie doch mal aus, wie viel höher die Öko-Stromproduktion für den Verbrenner-Pkw-Bestand in Deutschland sein müsste. Wir werden auch so schon einen Teil unseres Energiebedarfes importieren müssen.

Die Selbstverständlichkeit, mit der manche Akteure und Akteurinnen die besten Standorte für Wind- und Sonnenenergie in Ländern des globalen Südens für die E-Fuel Produktion zum Export nach Deutschland in Anspruch nehmen wollen, hat zuweilen imperialistische Züge. Viele dieser Länder nutzen heute noch überwiegen fossile Energieträger. Sie müssen sich erst selbst in den Zustand einer emissionsfreien Energieproduktion versetzen. "E-Fuels in der Wüste" - da haben wir dann auch noch das Problem des Wassermangels, und Meerwasserentsalzungsanlagen kosten zusätzlich viel Energie. Aber die kommt ja aus der Wüste ...

Viele weitere technologische, ökonomische und politische Aspekte gibt es zu berücksichtigen. Unter anderem den notwendigen Einsatz von E-Fuels in anderen Bereichen des Verkehrs, wo der Einsatz von batteriebetriebenen Antrieben nicht möglich ist.

Der Pro-Contra-Artikel erfüllt in keiner Weise den Anspruch einer faktenbasierten journalistischen Arbeit. Sie ist eine Scheindebatte. Der Stand der verfügbaren Forschungsberichte ist hier schon viel weiter, und indifferente Technologieoffenheit führt zur Unterstützung der fossilen Autoindustrie und zur Verzögerung nachhaltigerer Maßnahmen.

Dr. Ing. Michael Niemeyer, München

Nicht jeder braucht ein eigenes Auto

Wir müssen Mobilität anders denken. Nicht jeder muss ein Auto besitzen, und schon gar nicht mit einer Reichweite, die den meisten Nutzern für ein bis zwei Wochen oder mehr bei täglichem Fahren reichen würde. Wir haben schon eine (vernachlässigte) Form der Mobilität, die Bahn, und in vielen Städten Straßenbahnen. Hier besteht das Zukunftspotenzial, und alle Anstrengungen sollten darauf ausgelegt werden, dies zu verbessern.

E-Autos sollten nur als Carsharing oder mit Ausnahmen für Dienstleister unter strengen Auflagen zur Verfügung stehen. Denn viele Mobilitäts- und Rohstoffprobleme werden mit der Eins-zu-eins-Ersetzung der Verbrennerautos nicht gelöst, wie etwa enormer Ressourcenverbrauch, Staus, Feinstaubbelastung und Energie- und Flächenverbrauch. Damit würden sich auch viele mit der individuellen E-Mobilität verbundene Probleme in Luft auflösen, wie Mangel an seltenen Rohstoffen, Schnellladestationen oder fehlende Ladepunkte, da man gar nicht so viele benötigen würde.

Michael Beck, Wolfenbüttel

Hinhalte-Rhetorik von der FDP

Der Autor bringt das Thema "grüner Wasserstoff" als potenziell künftiger Energiequelle dankenswerterweise auf den Punkt, indem er die wesentlichen, teils bekannten Fakten auf der Seite Drei sachlich zusammenfasst.

Tatsache ist, dass uns grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen und zu bezahlbaren Preisen leider nicht vor dem Ende dieses Jahrzehnts zur Verfügung stehen wird; und danach weder für den Individualverkehr noch als Wärmequelle. Daher wirken die Kommentare einiger Protagonisten, namentlich aus der FDP, unter dem wohlklingenden Titel "Technologieoffenheit" wie leere Phrasen.

Der Weitblick, zumindest von Teilen der FDP, scheint nur bis zur nächsten Landtagswahl zu reichen. Dabei geht es bei der Energiewende um strategische Entscheidungen, die über den zeitlichen Rahmen von Legislaturperioden hinausgehen.

Jürgen Rohlfshagen, Quickborn

E-Autos sind schmutziger als ihr Ruf

Zum Thema Ökobilanz sind in den Berechnungen die Materialbeschaffung von Kupfer, Kobalt, seltene Erden und Lithium nicht berücksichtigt. Es ist doch technisch klar, dass für ein E-Auto bei der Herstellung mehr Kupfer und Lithium benötigt wird (E-Motor, Verkabelung, größere Batterien) und daher ein enormer Eingriff in die Umwelt erfolgt (Kupferminen sind bis 1000 Meter tief).

Kupfer-, Kobalt- und Lithiumgewinnung erzeugen bei der Herstellung Giftabfälle, die vergleichbar sind mit der Ölgewinnung, daher sind bei den Berechnungen bewusst die Materialbeschaffung/Umweltschäden nicht berücksichtigt, um die Ökobilanz der E-Autos lobbytauglich zu machen.

Zum Titel: "Die Batterien sind eine große Umweltsauerei". Mit der Aussage "zum anderen finden sie sich in unzähligen anderen elektronischen Geräten" wird Whataboutism bedient, sprich, ein anderes Problem beschönigt nicht das ursprünglich angesprochene Problem.

Helmut Schuessler, Augsburg

Falsche Subventionen

Lohnt es sich wirklich, den Traum von wasserstoffbetriebenen Autos oder Heizungen mit großem argumentativem Aufwand zu widerlegen, wenn diesen Technologien doch ohnehin höchstens ein Nischendasein beschieden sein wird?

Die ungeheuerlichen Subventionen, die es bräuchte, um grünen Wasserstoff konkurrenzfähig zu machen, wird niemand aufbringen wollen. Auch nicht die FDP. Und sollte es in Zukunft doch ein größeres Angebot an grünem Wasserstoff zum Beispiel aus Afrika geben, mit dem heute noch niemand rechnet, dann wäre das auch nicht schlimm, denn auf welchem Weg wir null Emissionen erreichen, kann uns eigentlich egal sein. Nur eines sollte der Staat vermeiden: Auf Dauer Technologien zu bezuschussen, die nicht konkurrenzfähig sind. Dass die FDP das wirklich tun wollte, halte ich allerdings für ausgeschlossen.

Axel Lehmann, München

Geistige Ressourcenverschwendung der FDP

Lindner sagt, die Regierung arbeite und verursache eben dadurch Geräusche. Es gibt produktive Arbeit, die eine Sache voranbringt. Man kann aber auch große Mühe darauf verwenden, Dinge zu komplizieren und zu verzögern. Auch das ist Arbeit, aber sie schadet nur. Unnötiger Reibungswiderstand verursacht eben auch Geräusche.

Das Ganze läuft bei der FDP unter "Technologieoffenheit". Bei den Pkw zugunsten des Verbrennermotors den teuren und ineffizienten Umweg der E-Fuels offenzuhalten, den knappen Wasserstoff auch in Hausheizungen und Pkw einzusetzen - das sind die Projekte der FDP, die sich gegen die Marktkräfte stemmen und mit der von der FDP für sich reklamierten Vernunft nichts zu tun haben. Dann noch zu behaupten, das sei keine Planwirtschaft, setzt dem Ganzen die Krone auf. Wissing und seine Parteifreunde sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass Wasserstoffautos Ladenhüter sind.

Auch bei der Atomkraft versucht die FDP, gegen den Strom zu schwimmen. Gegen den Willen der Betreiber will sie die ausgemusterten und im Rückbau befindlichen Atomkraftwerke wiederbeleben.

Wie die Klimaleugner bastelt sich die FDP ihre eigene Wissenschaft zurecht. Sie sorgt damit für Verunsicherung und Verwirrung in den Debatten und betreibt geistige Ressourcenverschwendung. Wissenschaftler Quaschning und Minsterin Lemke haben recht: Es lohnt sich einfach nicht, sich zum x-ten Mal mit diesen Themen zu beschäftigen. Stattdessen sollte man wirklich gangbare Wege zu Klimaschutz und Ressourcenschonung energisch vorantreiben.

Dr. Eduard Belotti, Augsburg

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