Münchner Werksviertel:Da capo für eine Konzertsaal-Hängepartie

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Konzerthaus-Neubauprojekt im Münchner Werksviertel (Stand: Februar 2022). (Foto: Visualisierung bloomimages für cukrowicz nachbaur architekten zt gmbh)

Das lange versprochene, aber nun Denkpausen-gebremste Projekt kommt nicht voran. Das nährt grundlegende Forderungen nach einem anderen Standort.

"Konzertsaal statt Konzerthaus" vom 11. November:

Ungünstiger Standort

Mittlerweile sind es über sechs Jahre her, als am 28. Oktober 2017 die unglückliche Entscheidung fiel, den inspirationslosen, sterilen, sargähnlichen Glaskasten, zu prämieren. Die Bewertung des Preisgerichts bezog sich auf Saalgrößen, Akustik, Aufteilung et cetera - kein Wort über den ungünstigen Standort, welche die Architekten Herzog und de Meuron (Architekten der Elbphilharmonie) kritisierten. Ein Grund für das Preisgericht, sie im zweiten Durchgang zu entsorgen.

Ein Konzerthaus und den Saal betritt man nicht von der Straße, sondern über einen Platz. Somit die erste Bühne für das Publikum. Im Innern: Sehen und gesehen werden. Sinnvoll angelegte Foyers in den Pausen, all das bieten anspruchsvolle Konzertsäle. Auf die damalige Frage, warum er für den Entwurf gestimmt habe, die Antwort eines Laien-Preisrichters an die Presse: Weil man ihn selbst so gut nachzeichnen kann. So bietet der Entwurf keine Überraschung mehr. Später noch die Aussage von politischer Seite, bei mehr als 800 Millionen Euro Baukosten gebe es keine Unterstützung. Zum Glück nun alles Geschichte.

Zurück zum SZ-Gespräch mit Herrn Blume. Jetzt heißt es "Konzertsaal statt Konzerthaus", die Grenze ist im Interview nur vage beantwortet. Keine Frage und damit auch keine Antwort zur Ausschreibung und Planung. Die Chance, jetzt über einen Architektenwettbewerb mit kompetentem Preisgericht den steuerzahlenden Bürgern ein gutes Ergebnis wie in Hamburg zu bringen, bleibt offen. Ferner keine Auskunft zum Erbpachtvertrag und den bisher angefallenen Kosten. Diese Fragen und Antworten, hätte ich mir gewünscht, und inwieweit der neue Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume darauf antwortet und uns Hoffnung macht, ein besseres Ergebnis verspricht und dieses einleitet.

Manfred Vogel, München

Geht's nicht auch privat?

Nun bin ich mir nicht so ganz sicher, ob die bayerische Staatsregierung und die administrativen Apparate der beteiligten Ministerien diese verordnete Denkpause besonders sinnvoll genutzt haben, wenn jetzt nach mehr als einem Jahr nur die Idee einer traurigen Abspeck-Planung für nur einen Konzertsaal herausgekommen ist und es dafür aber noch nicht einmal eine erste Architektur-Skizze gibt.

Daher wiederhole ich meine Frage vom 5. Mai 2022 gerne noch einmal: Warum wird die seit 17 Jahren bestehende "Allianz-Arena" nicht als erfolgreiches Vorbild für einen kooperativen Modellfall "Google Concert Hall" im Werksviertel öffentlich diskutiert? Auf meine letzte E-Mail vom Mai 2022 erhielt ich überhaupt keine Antwort, aber ich bin ein geduldiger Fragen-Wiederholer. Trotz allem immer noch mit hoffnungsvollen Grüßen,

Herbert Gerhard Schön, München

Es bräuchte einen August Everding

Wenn die Denkpause nun von einer Dialogphase abgelöst wird, wird wohl das von Minister Blume angeblich zu vermeidende "Warten auf Godot" doch Realität. Weitere Jahre, in denen eine teure Pacht gezahlt wird, sich aber weiter nur das Riesenrad dreht.

Auf das Interim HP8 (das Gasteig-Ausweichquartier in der Hans-Preißinger-Straße 8 in Sendling; d. Red.) als Referenz zu verweisen, ist ja gut im Blick auf die zügige Umsetzung und Einhaltung des Kostenplans. Gerade daran mangelt es ja beim Projekt im Werksviertel. Beim HP8 ist die Akustik okay, aber Backstage-Bereich, Garderoben, Toiletten und so weiter sind katastrophal. Nun, es ist ein Interim, deshalb in Ordnung.

Was für das Werksviertel geplant war, ist ein Projekt, das in die Zukunft weist. Da verlässt die Staatsregierung jede Ambition! Es bräuchte wohl eine charismatische Person wie August Everding, die mit Entschlossenheit, Mut und Einfallsreichtum das Projekt vorantreibt und zusätzliche potente Sponsoren gewinnt. Die Hightechfirmen sollten im Blick auf die digitale Ausstattung des Konzerthauses ihren Beitrag leisten.

Eric Englert, München

Doch lieber den Finanzgarten

Als Devise für die Münchner Konzerthaus-Planung hat "Think big!" angesichts der gesellschaftlichen Gesamtsituation offensichtlich einiges an Faszination verloren - und das zu Recht! Die von Ministerpräsident Söder schon im vorigen Jahr ins Spiel gebrachte und nunmehr von der neuen Landesregierung propagierte Neubesinnung findet durchaus kompetente Fürsprecher. Sogar der souveräne Altmeister des Journalismus und ehemalige Chefredakteur der SZ Kurt Kister wollte am Ende eines Plädoyers für die Beibehaltung der "großen Planung" die Sinnhaftigkeit der Forderung nach einem Überdenken des Projekts im sogenannten Werksviertel nicht in Abrede stellen. So schrieb er im März 2022, dass es nicht nur richtig, sondern sogar gut sein könne, wenn ernsthaft eine Zwischenbilanz und für die Zukunft entsprechende Schlussfolgerungen gezogen würden.

Ein im Münchner Werksviertel situiertes Konzerthaus mag wohl in Gestalt der überarbeiteten Planung inzwischen objektiv nahezu jeden technischen und künstlerischen Bedarf abdecken, ist und bleibt aber ein riskant kostenträchtiges Großprojekt, das wohl kaum eine Chance haben dürfte, als architektonisches Wunderwerk und - anders, als die Hamburger Elbphilharmonie - als städtebaulicher Solitär Furore zu machen. Keinesfalls obsolet ist allerdings der Gesichtspunkt, dass München als Stadt der Künste, gerade auch der Musik, einen in jeder Beziehung beispielhaften Konzertsaal braucht, damit vor allem das Symphonieorchester des BR endlich das lang ersehnte und von den politischen Entscheidungsträgern stets fest versprochene Zuhause bekommt. Fragt sich nur: Wo und wie ist eine Alternativlösung überhaupt denkbar?

Es gibt sie tatsächlich: Nämlich die vom seinerzeitigen Chef des BR-Symphonieorchesters Mariss Jansons favorisierte, ja geradezu als Herzensangelegenheit verfochtene Planungsvariante. Diese noch dazu in Ideallage! Sie beträfe den Baukomplex und den Parkplatz des Landwirtschaftsministeriums direkt am Finanzgarten und in unmittelbarer Nähe zur Residenz. Ist diese Planung im Laufe der Jahre schlicht vergessen worden, oder hat man sie "einfach so" unter den Tisch fallen lassen, weil man Optimierungsgedanken nachhing, die einem Hang zum Gigantismus nahezukommen scheinen? Die Errichtung eines Konzerthauses im fraglichen Bereich könnte relativ unkompliziert und kostengünstig realisiert werden, wenn man das ebenso klobige wie raumgreifende neoklassizistische Gebäude des Ministeriums (das 1938/39 als Zentralministerium der NSDAP errichtet und durch einen 1958 erstellten Kantinenanbau erweitert wurde) weitgehend einbezöge. Der Raumbedarf (auch zur großzügigen Unterbringung allerneuester Technik) des Hauptnutznießers BR ließe sich in geradezu idealer Weise decken, dächte man ohne Scheuklappen und bezöge den nur etwa 100 Meter entfernten Herkulessaal samt den technischen Räumlichkeiten mit ein. Jahrzehntelang hat dieser dem Bedarf des BR-Symphonieorchesters entsprochen, bis er im Laufe der Zeit den gestiegenen Anforderungen und Ansprüchen nicht mehr voll genügen konnte. Unbestreitbar funktioniert er aber als Konzertsaal nach wie vor doch recht gut. Nächst der Residenz könnte so in einer durch öffentliche Verkehrsmittel ideal vernetzten Lage (für ein unterirdisches Parkhaus liegt eine rasch umsetzbare Planung bereits vor!) ein auch architektonisch herausragender, angemessen dimensionierter attraktiver Konzertsaal samt Nebenräumlichkeiten entstehen. Für eine solche Lösung wäre es natürlich Voraussetzung, das Ministerium zu dislozieren, es etwa ins nahe Augsburg umzusiedeln. Dort klagt man ja schon lange darüber, dass der bayerisch-schwäbischen Metropole überregional bedeutsame staatliche Einrichtungen weitgehend vorenthalten werden. Wie man weiß, steht Bayerns Ministerpräsident Söder vergleichbaren Projekten durchaus aufgeschlossen gegenüber (insbesondere dann, wenn es um seine fränkische Heimat geht). Die Politik sollte sich in Anbetracht der Vielzahl von bestehenden Konzertsälen (Isarphilharmonie, Gasteig-Philharmonie, Herkulessaal und auch Prinzregententheater), vor allem angesichts der Herausforderungen der (gerade auch finanziell) so unguten Zeiten keine Denkverbote auferlegen. Ein kostengünstiger, wunderschöner, zentral gelegener Konzertsaal nächst der Residenz? Eine schöne Vorstellung!

Rainer Leptihn, Unterschleißheim

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