Eigentumswohnungen und Häuser werden in Deutschland in den meisten Fällen unmöbliert verkauft. Der Vorbewohner zieht aus und hinterlässt die Immobilie "besenrein", also gefegt und normalerweise leer. Danach suchen in der Regel Makler nach einem Käufer. Immer öfter setzen sie dabei das sogenannte Home Staging ein. Dabei werden einzelne Räume der Immobilie zu Vorzeigezwecken eingerichtet, in der Branche nennt man das "inszeniert". Die Inszenierung soll dafür sorgen, dass potenzielle Käufer einen guten Eindruck vom Objekt bekommen. Dahinter steht das Ziel, die Immobilie rasch und zu einem möglichst guten Preis zu verkaufen.
Aber ist es in der heutigen Zeit überhaupt nötig, eine Wohnung oder ein Haus für den Verkauf herauszuputzen? Schließlich übersteigt die Nachfrage das Angebot schon seit Langem. Weil die Zinsen niedrig sind und eine Geldanlage in Finanzwerte kaum noch Rendite bringt, gehen Immobilien heute weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Und das zu Preisen, die man sich vor einigen Jahren noch gar nicht vorstellen konnte. Warum also sollte man als Anbieter vor dem Verkauf überhaupt noch Geld für eine Inszenierung ausgeben?
"Den Käufern fehlt die Vorstellungskraft. Es gibt Studien, die sagen, dass nur zwei von zehn Personen in der Lage sind, sich einen Raum anders vorzustellen als so, wie er sich ihnen gerade präsentiert", sagt Nadja Büchter, die seit 2019 als Home Stagerin in Essen arbeitet. Oft kommen Interessenten in eine leere Wohnung, die vielleicht auch noch sehr verwohnt aussieht. Die Wände sind in einigen Fällen schon seit Jahren nicht mehr gestrichen worden, die Decke ist vergilbt, und dort, wo die Küche gestanden hat, sieht es besonders verschmutzt aus. Und an so seinem Ort soll man gerne wohnen wollen? Viele Interessenten tun sich damit schwer, sich eine verlebte Wohnung schön vorzustellen, selbst dann, wenn die Lage in Ordnung ist.
Der Trend zum Home Staging hat seinen Ursprung im Seattle der 70er-Jahre
Ein weiteres Problem: Viele Menschen können gerade in kleinen Räumen nur schwer abschätzen, ob die eigenen Möbel hineinpassen, ob genug Platz für ein Sofa da ist oder ob es dann nicht vielleicht zu eng wird. Bei einer neuen Luxus-Penthouse-Wohnung wäre das sicherlich anders. Tatsächlich werden daher vor allem Wohnungen und Häuser inszeniert, die in die Jahre gekommen sind, teilweise sind sie sogar stark renovierungsbedürftig. Solche Objekte, weiß Büchter, verkaufen sich auch in Zeiten hoher Nachfrage nicht ganz so einfach. "Vor Kurzem habe ich ein Anderthalb-Raum-Apartment eingerichtet. Der Eigentümer hatte es ein Jahr lang nicht verkaufen können", sagt sie. In solchen Fällen holen sich Verkäufer immer häufiger Home Stager ins Boot und nehmen dafür auch Geld in die Hand: Für die Gestaltung einer 100-Quadratmeter-Wohnung veranschlagt Büchter zwischen 3000 und 3200 Euro. Kosten für Handwerker kommen manchmal noch hinzu.
Die Idee zum Home Staging geht auf Barb Schwarz zurück, eine amerikanische Maklerin aus Seattle. In den 70er-Jahren hatte Schwarz damit begonnen, Immobilien, die ihr zum Verkauf angetragen wurden, aufzuhübschen. Sie ließ offensichtliche Makel von Handwerkern ausbessern, stellte einige Möbel in die Zimmer und sorgte für mehr Licht in den Räumen. In den USA hat sich das Inszenieren leerer Räume zum Verkauf seither fest als Marketingwerkzeug in der Immobilienbranche etabliert. Kaum ein Makler verzichtet darauf, denn auch für die Kundschaft ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit - vom Standard-Eigenheim bis zum Luxus-Penthouse. Der dortige Branchenverband, die Real Estate Staging Association, hat in einer Umfrage 2020 festgestellt, dass von 13 000 "inszenierten" Häusern der erzielte Preis beim Verkauf in 85 Prozent der Fälle zwischen fünf und 23 Prozent höher lag als der zunächst angesetzte Verkaufspreis.
Auch in Deutschland nutzen immer mehr Makler die Möglichkeit, Immobilien für den Verkauf in Szene zu setzen. Damit steigt auch die Zahl der Home Stager. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber in der Branche geht man davon aus, dass mittlerweile gut 1000 freiberufliche Home Stager arbeiten. Lernen kann man das Handwerk in zahlreichen Schulen, die meist von etablierten Home Stagern geführt werden. Aber auch Industrie- und Handelskammern im ganzen Bundesgebiet haben entsprechende Lehrgänge im Programm.
"Eine Immobilie sollte immer ein durchgängiges Farbschema haben."
Eine der privaten Schulen ist die Staging-Akademie von Heike Uhlemann. Sie bietet ihren Schülern Online-Kurse mit Video-Lektionen an. Für 1299 Euro kann man dort die Techniken des Home Staging schrittweise erlernen. Da geht es zum Beispiel um den Einsatz von Licht. Welche Lichtquellen benutzt man und wie viele? In Seminaren lernt man außerdem, darauf zu achten, das Licht in unterschiedlichen Höhen einzusetzen, und mit Farben professionell umzugehen. "Eine Immobilie sollte immer ein durchgängiges Farbschema haben, das schafft ein Gefühl von Harmonie", weiß Uhlemann, die vor der Gründung ihrer Akademie bereits zehn Jahre als Home Stagerin gearbeitet hat.
An der Akademie lernen zukünftige Home Stager aber nicht nur die professionelle Gestaltung von Räumen. "Bei uns wird auch vermittelt, wie man sich selbständig macht, wie man sich vermarktet und wie man den Preis für seine Arbeit kalkuliert. Dann geht es um Fragen, wo man die Möbel herbekommt, wo man sie lagert und wie man mit Handwerkern zusammenarbeitet", sagt Uhlemann. Zu den Online-Kursen könne man außerdem Praxismodule hinzubuchen und beispielsweise dabei sein, wenn Uhlemann einen Staging-Auftrag für einen Kunden umsetzt.
Home Staging treibt die Verkaufspreise von Immobilien weiter in die Höhe
Inzwischen wird Home Staging auch virtuell angeboten. Der Interessent einer Immobilie kann sich dabei online durch die inszenierten Räume bewegen und sich so schnell einen Eindruck von ihnen verschaffen. Auf diese Weise lässt sich auch vermitteln, ob ein Zimmer genug Platz für eine Schrankwand oder ein großes Bett bietet. Virtuelles Home Staging hat den Vorteil, dass man sich keine Möbel und Zubehör mehr anschaffen und irgendwo lagern muss. Auch Auf- und Abbau entfallen, weil die Möblierung der Räume ausschließlich am Computer gemacht wird. Die Kosten entstehen durch die Software und durch Innenarchitekten, die sich um das virtuelle Einrichten kümmern. Dabei ist die virtuelle Raumgestaltung weitaus billiger. "Bei uns kostet ein Raum 89 Euro, in der Regel bestellt ein Makler drei bis vier Räume einer Immobilie", sagt Mehdi Sarraj, Geschäftsführer von Space Renovator, einer Firma, die auf virtuelles Home Staging spezialisiert ist. Die virtuelle Raumgestaltung habe zudem den Vorteil, dass man eine Wohnung gleich in mehreren verschiedenen Einrichtungsstilen zeigen und so verschiedene Zielgruppen erreichen könne. Seine Kunden, die Makler, benutzten Home Staging vor allem als Akquisetool, zusätzlich zu Bildern und Exposé.
"Viele Käufer haben nicht die Fantasie, sich vorzustellen, wie etwas Altes später aussehen könnte, die können auch nicht gut abschätzen, was so etwas kostet", sagt Michael Weber, Geschäftsleiter beim Immobilienmakler Engel & Völkers am Standort Speyer. Weber arbeitet daher schon seit Längerem mit virtuellen Home Stagern zusammen. "Wenn der tatsächliche Zustand den Käufer abschreckt, er aber unbedingt in dieser Lage wohnen möchte, dann wäre es schade, diesen Kunden zu verlieren, nur weil ihm der erste Schritt nicht gelingt, sich die Immobilie in fertigem Zustand vorzustellen", sagt Weber.
Und die Käufer? Gerade bei kleineren oder alten Objekten ist es häufig so, dass sie messerscharf kalkulieren müssen. Wollen sie wirklich mehr bezahlen, nur für eine Inszenierung? Home Stager und Makler beantworten diese Frage unisono mit ja. "In Berlin kann man eine 30-Quadratmeter-Wohnung, die stark renovierungsbedürftig ist, heute für 300 000 Euro verkaufen. Aber man kann sie auch für 330 000 oder 340 000 Euro verkaufen, wenn man Emotionen schafft", sagt Sarraj.