Sprachlabor:Des Werthers "s"

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ferner: Worin unterscheiden sich allein und von allein?

Von Hermann Unterstöger

WER LESERINNEN und Leser zu Briefen verleiten möchte, hat drei Köder: zum einen "Zür icher", zum anderen "segen sreich" und zum dritten "Der zerbroch ene Krug". Es folgen auf dem Fuße die Belehrungen, dass es "Zürcher" heiße, dass in Schuberts Deutscher Messe "segenreich" stehe, dass Kleist "zerbrochne" geschrieben habe und dass man all das mit ein bisschen Allgemeinbildung wissen könne. In diese Kategorie gehören auch "Die Leiden des jungen Werther s", die bei uns, zu Leserin B.s Kummer, als "Leiden des jungen Werther" auftauchten. Es darf entwarnt werden. Goethe schrieb zwar in der Erstausgabe von 1774 "Werther s", aber schon in der zweiten, überarbeiteten Fassung von 1787 wurden "stilistische Modeerscheinungen der Sturm-und-Drang-Epoche (etwa die starke Flexion des Eigennamens im Titel) getilgt". So Kindlers Neues Literaturlexikon, Band 6, Seite 483.

FÜR DIE WERBUNG der SZ ist die Redaktion nicht verantwortlich, doch passt das, woran sich Leser U. stößt, durchaus in diese Kolumne. Herr U. hat auf einem Plakat den Slogan "Die Wahrheit kommt nicht alleine ans Licht" gesehen und fragt sich nun: "Wer kommt denn noch alles mit?" In der Tat hätte es "von allein" heißen müssen, was von allein, also ohne U.s waches Sprachgefühl, vielleicht nie ans Licht gekommen wäre.

EINE ÄHNLICH SPITZFINDIGE FRAGE trieb unseren Leser Dr. v. P. bei der Überschrift "Risiko für Altersarmut" um. Ausgehend von dem "Risiko für Touristen, überfallen zu werden" dachte er über die Gefahren nach, die der Altersarmut drohen könnten, mit dem Ergebnis, dass es den Alten desto besser ginge, je gefährdeter die Armut sei. Aus dem Text des Artikels war zu schließen, dass es nicht um Risiko durch Altersarmut ging, doch wurde dadurch nicht klarer, welche Präposition auf Risiko zu folgen hat. Feste Verbindungen wie Rücksicht auf oder Freundschaft mit eignen sich nicht unbedingt als Parallelen. In Medizintexten findet man sowohl das "erhöhte Risiko für Schlaganfall" als auch das "statistische Risiko auf schwere Verläufe". Am elegantesten wäre wohl "Altersarmut als Risiko" gewesen.

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