Bürgergeld:Neue Härte

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Gitta Connemann, Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), hat das Papier der CDU zur Grundsicherung präsentiert. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die CDU will das Bürgergeld abschaffen und den Druck auf Arbeitslose erhöhen. Bei den Leserbriefschreibern der SZ kommt der Plan nicht gut an.

"Kein Geld für Arbeitsunwillige" vom 19. März:

Mehr Empathie

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat vorgeschlagen, das Bürgergeld in seiner aktuellen Form abzuschaffen und diejenigen, die es beziehen, jedoch arbeiten könnten, zur Arbeit zu drängen. Andernfalls droht er mit dem Entzug der Grundsicherung. So zumindest in der Theorie.

Diese Forderung wirft für mich jedoch erhebliche Fragen auf. Es scheint, als ob Herr Linnemann und andere hochrangige Mitglieder der CDU wie Parteichef Friedrich Merz in einer völlig anderen Realität leben, die wenig mit den Lebensrealitäten der Normalbürger zu tun hat. Höhere Sphären zu sagen, wäre vielleicht passgenau. Mit einem Einkommen, das weit über dem Durchschnitt und im Fall von Friedrich Merz möglicherweise sogar im Millionenbereich liegt, ist es leicht, von einem hohen Ross aus über die Notwendigkeit von Kürzungen bei den Ärmsten zu sprechen.

Vielleicht wäre es angebracht, dass diese Herren einmal ein Selbstexperiment durchführen und einen Monat lang mit dem derzeitigen Betrag von 563 Euro Bürgergeld auskommen. Diese Summe ist alles andere als ausreichend, um die grundlegenden Bedürfnisse zu decken, geschweige denn ein würdevolles Leben zu ermöglichen. Die ganze Art und Weise, wie die werten Herren dieses Thema angehen, erinnert doch stark an eine Mentalität von mehr als gut situierten Gutsherrn. Es ist höchste Zeit, dass politische Entscheidungsträger sich wirklich mit den Lebensbedingungen der Menschen auseinandersetzen und sich für Maßnahmen einsetzen, die echte Verbesserungen bringen. Dies erfordert eine Sensibilität und Empathie, die in den aktuellen Diskussionen um das Bürgergeld oft fehlt. Bei der CDU sowieso.

Michael Ayten, Trier

Rutschbahn nach unten

Mit dem Bürgergeld hatte die Ampelkoalition sich von den Prinzipien des Misstrauens und des Drucks verabschiedet, die die sogenannten Hartz-IV-Gesetze kennzeichneten. Zudem wurde mit dem Bürgergeld die Rückkehr zu dem Prinzip des Qualifikationserhalts und Qualifikationsausbaus eingeläutet, indem von den Arbeitslosen der Druck genommen wurde, irgendeine noch so unqualifizierte Arbeit anzunehmen.

Der Millionär Friedrich Merz und die Arbeitgeberlobbyisten Carsten Linnemann und Gitta Connemann wollen das Rad wieder zurückdrehen und alle diese Fortschritte revidieren. Die Menschen sollen wieder gezwungen werden können, jede noch so unqualifizierte Arbeit anzunehmen. Damit werden die Menschen auf die Rutschbahn nach unten und in die Altersarmut gesetzt. Mit dem Ziel, Druck auszuüben, jeden noch so schlechten Job anzunehmen, will die CDU den Niedriglohnsektor ausbauen und damit auch das gesamte Lohngefüge absenken.

In Zeiten des Fachkräftemangels ist dies genau der falsche Weg, zumal die CDU ja offensichtlich ohnehin nicht in der Lage ist darzustellen, wie groß eigentlich das von ihr behauptete Problem der "Totalverweigerer" unter den Arbeitslosen ist.

Udo Ehrich, Bielefeld

Wahlkampf auf Kosten der Schwachen

In der Tat ist es so, dass die CDU den Sozialneid bemüht, um Wahlkampf auf Kosten der Schwachen in der Gesellschaft zu führen. Und es stimmt auch, dass genau das den Populistinnen und Populisten sowie den Rechtsextremen gefallen wird, die schon seit langer Zeit immer gegen die faulen Arbeitslosen hetzen. Die CDU sollte sich schämen, wenn sie erneut auf Schwachen herumhackt. Es stimmt, dass im November 2022 die Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag sowie die unionsgeführten Länder im Bundesrat die Einführung des Bürgergeldes mit beschlossen haben.

Jetzt erleben wir das Rollback. Es sind jene Momente, die auch dazu beitragen, sich wieder bewusst zu werden darüber, weshalb ich Sozialdemokrat bin. Das Verächtlichmachen armer Menschen darf nicht unwidersprochen bleiben. Hier sind Gewerkschaften, demokratische Parteien und Kirchen gefordert, deutlich zu sagen, dass das, was hier von der CDU erneut kommt, mit Christentum nichts, aber mit Heuchelei umso mehr zu tun hat. Arme Menschen haben kaum eine Lobby in dieser Republik und Menschen mit Migrationshintergrund auch nicht. Das, was Schröder mit seiner vermaledeiten "Agenda 2010" angefangen hat, hat bereits eine tiefe Schneise der Verwüstung in das bundesdeutsche Sozialsystem gerissen.

Der CDU scheint jedes Mittel recht zu sein, um mit Stimmungsmache zur weiteren Stigmatisierung Armer beizutragen. Die Arbeitsbedingungen für viele Lohnabhängige schreien zum Himmel, und es ist eine Binsenweisheit, dass nur dann, wenn Arbeit auch Freude machen kann, die lohnabhängig Beschäftigten gerne arbeiten. Arbeit muss menschlich und attraktiv sein und entsprechend vergütet werden. Carsten Linnemann und die CDU haben ein Fass aufgemacht, das den Charakter eines Kulturkampfes in der Bundesrepublik hat. Wir haben es alle in der Hand diesen Kulturkampf zugunsten von Freiheit, Demokratie, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit zu führen und zu entscheiden.

Manfred Kirsch, Neuwied

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