Finanzkriminalität:Cum und weg

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Anne Brorhilker, Kölner Staatsanwältin, bei einer Cum-Ex-Verhandlung vor dem Bonner Landgericht im Jahr 2022. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Die Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal wirft frustriert hin - wofür ihr Leserinnen und Leser der SZ Respekt zollen. So viel Entschlossenheit wünscht sich manch einer auch vom in den Skandal verwickelten Kanzler.

"Cum-Ex-Chefermittlerin Brorhilker wirft hin" und Kommentar "Gefahr für die Demokratie" vom 23. April und Kolumne "Frustriert" vom 26. April:

Kanzler der Gedächtnislücken

Mich hat die Nachricht empört, dass die Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker ihre Stelle bei der Kölner Oberstaatsanwaltschaft gekündigt hat. Wieder einmal hat die Politik eine motivierte Praktikerin verbrannt. Frau Brorhilker hat ihre Konsequenzen gezogen und damit in der Cum-Ex-Affäre mehr Verantwortung übernommen als unser Bundeskanzler. Leider hat Herr Scholz die Mindestanforderung, die ich an einen Bundeskanzler habe, nicht erfüllt: nämlich ein ordentliches Gedächtnis.

Es ist eine Schande, dass diese Geschäfte aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind. Unser System macht, so sagt es Frau Brorhilker, reiche Menschen noch reicher zulasten der restlichen Bevölkerung. Da werden in der Justiz Deals angeboten und Haftstrafen ausgesetzt. Ich würde mich freuen, wenn Sie dieses Thema in einem Artikel durchleuchten. Ich denke, da steckt ordentlich Zündstoff drin. Anne Brorhilker könnte ich mir als zukünftige Bundespräsidentin vorstellen.

Jörg Weber, Markgröningen

Ermitteln Sie in Hamburg!

Vielen Dank für die Kolumne von Heribert Prantl, der am Beispiel der Cum-Ex-Affäre die deutsche Problematik der Bindung der Staatsanwaltschaft an die Politik auf den Punkt bringt. Eine schöne Wendung nähme die Angelegenheit, wenn Frau Brorhilker - könnte man sie denn dafür gewinnen - nicht zur Nichtregierungsorganisation "Finanzwende" ginge, sondern auf die Stelle des Leitenden Oberstaatsanwalts in Hamburg berufen würde und ihre Tätigkeit dort fortsetzen könnte - mit der notwendigen Ausstattung und ohne dass man ihr Steine in den Weg wirft. Die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) könnte damit zeigen, dass es ihr mit der effektiven Aufklärung und Strafverfolgung auch im Bereich der Finanz- und Steuergroßkriminalität ernst ist.

Ursula Scheurer, Hamburg

Unvergessliche Staatsdienerin

Da muss man doch wirklich den Hut ziehen vor Frau Brorhilker! Für die weitere Aufklärung im Cum-Ex-Skandal mag dies keine gute Nachricht sein, aber es ist beruhigend, dass nicht alle, allen voran unser oberster Staatsdiener, vergesslich sind oder gar im Tross derer mitschwimmen, die sich als Profiteure geriert haben.

Rudolf Schonhoff, Gladbeck

Behandelt wie eine Nebensache

Stell dir vor, die Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal wirft hin - und die SZ berichtet darüber an zweiter Stelle im Wirtschaftsteil. Einer der größten, wenn nicht der größte Steuer- und Finanzskandale in Deutschland wird behandelt wie eine Nebensache. Es hätte der Aufmacher sein müssen, stattdessen geht's dort darum, was Scholz sagt, was Kant zu Putin gesagt hätte. Das halte ich mit Verlaub für eine fulminante journalistische Fehlleistung. Denn wie es an anderer Stelle in der SZ richtig heißt: Die Finanzkriminalität, die in Deutschland seit Jahren unzureichend bekämpft wird, ist eine Gefahr für die Demokratie. Im Aufmacher wäre die Gelegenheit gewesen, auf diese unterschätzte Gefahr nachdrücklich hinzuweisen.

Johanna Stadler, Freising

Nur keinem wehtun

Als jahrelanger Mitarbeiter einer Bundesoberbehörde habe ich immer wieder erlebt, wie die Rechtsabteilungen nach dem Grundsatz verfahren: Nur keinem wehtun. Man vermeidet möglichst jeden Streit, wenn man weiß, im Ernstfall ganzen Gruppen von Anwälten finanzstarker Interessenten kaum gewachsen zu sein. Nur keinem wehtun - mir hat das manchmal ziemlich wehgetan. Die Begründung der Oberstaatsanwältin Brorhilker für ihre Kündigung spricht mir aus der Seele.

Dr. Jochen F. Wurster, Geretsried

Höchsten Respekt

Die Cum-Ex-Chefermittlerin Brorhilker hat richtig gehandelt. Ihr mutiger Schritt verdient höchsten Respekt und wird hoffentlich etwas in die gewünschte Richtung bewegen: zumindest mehr Personal in der Strafverfolgung von Steuerkriminalität. Bleibt die Frage, ob auch Nichthandeln unmoralisch sein kann? Nicht gehandelt hat die Politik. Die Berichte der Fachleute sollen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) alle vorliegen. Ich kann deshalb dem SZ-Kommentator Markus Zydra nur zustimmen: "Er sollte weniger reden, sondern einfach umsetzen - der Freiheit wegen."

Uwe Andresen, Hamburg

Diebe, nichts anderes

Schon vor etlichen Jahren, als die Cum-Ex-Geschäfte von den Medien publik wurden, habe ich mich sehr gewundert: Da soll es nicht kriminell sein, wenn man sich vom Finanzamt Steuer zurückerstatten lässt, die man nie gezahlt hat? Jeder, der seine Hand in fremde Kassen steckt, ist ein Dieb, und wenn er erwischt wird, landet er vor Gericht und wird je nach Sachlage und Schaden zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Und im Falle von Cum-Ex braucht es erst noch die Bestätigung des Bundesgerichtshofes im Jahre 2021, dass damit ein Straftatbestand erfüllt ist? Wer soll das eigentlich noch verstehen? Und dies vor allem, wo uns Bürgern doch bei jeder Gelegenheit von unseren Politikern erklärt wird, dass wir ja schließlich in einem Rechtsstaat leben. Wie bitte? Was ist das für ein Rechtsstaat, in dem geltendes Recht nicht durchgesetzt wird? Dies betrifft natürlich auch die Geldwäsche, wie im Kommentar von Markus Zydra zutreffend und sehr ausführlich dargestellt. Man darf sich inzwischen fragen, ob unsere Politiker die richtigen Themen auf ihrer Agenda haben. Die Produktion von Sprechblasen und Worthülsen in diversen Talkshows und Interviews helfen uns nicht weiter.

Burkhard Colditz, Sindelsdorf

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