TV-Duell in Thüringen:Freie Bühne für die AfD

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(Foto: SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte)

In einem Spartensender tritt AfD-Politiker Björn Höcke gegen den CDU-Mann Mario Voigt an. Was bedeutet das für die Demokratie? SZ-Leserinnen und -Leser sind unterschiedlicher Meinung.

"Die Grenzen des Sagbaren" vom 17. April und "Fast Unterhaltungsfernsehen" und "Radikal populistisch", beide vom 13. April:

Was im Gedächtnis bleibt

Man kann sich das TV-Duell zwischen dem CDU-Mann aus Thüringen, Mario Voigt, schönreden, wie ich es aus dem Artikel entnehme. Man kann aber auch das Argument vertreten, dass dieser CDU-Mann nicht nur die AfD - und Herrn Höcke - salonfähig gemacht hat. Wie Sie richtig schreiben, fand die Diskussion im Spartensender Welt-TV statt; also nur eine geringe Anzahl von Bürgern sah die Sendung überhaupt. Das nachträgliche Medienecho ist jedoch immens.

Der Bevölkerung bleibt im Gedächtnis, dass ein CDU-Mann auf Augenhöhe mit einem Vertreter der AfD - einer angeblich nicht verfassungskonformen Partei - ohne Probleme diskutiert. Schlimmer noch, die Bürger können sich vorstellen, wenn überhaupt eine Partei jemals mit der AfD eine Regierungskoalition eingehen wird, wird es bestimmt die CDU sein. Davor kann man sich nur schützen, wenn man beide Parteien nicht wählt und sich besser für die verbleibenden demokratischen Parteien entscheidet.

Jörg Hennig, Köln

Demokratische Verantwortung

Die Tatsache, dass der Thüringer CDU-Vorsitzende Mario Voigt mit dem AfD-Landeschef Björn Höcke sich beim Privatsender Welt-TV ein Fernsehduell lieferte, kann wohl bei keinem Demokraten eine positive Reaktion hervorrufen. Angesichts der verfassungsfeindlichen Aktivitäten der AfD halte ich es für geradezu verantwortungslos, dem Demagogen Höcke eine Bühne zu geben.

Ganz im Gegenteil: Voigt trägt vielmehr die Verantwortung dafür, dass Höcke einer breiten Öffentlichkeit seine hetzerischen Aussagen vermitteln konnte, wobei Höcke bei seinem Fernsehauftritt Kreide gefressen hat. Besser wäre es wohl, wenn es eine Übereinkunft der demokratischen Parteien in diesem Lande gäbe, die jede Debatte mit Braunen ablehnen würde. Die AfD, die zumindest in Teilen nachgewiesen rechtsextrem ist, sollte durch demokratische Parteien nicht die Möglichkeit erhalten, ihre unterirdischen Argumente unters Volk zu bringen. Erhellend wäre es hingegen gewesen, wenn sich Mario Voigt mit einem klaren Nein dazu bekannt hätte, sich nicht mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen.

Manfred Kirsch, Neuwied

Katalog rechtswidriger Wörter

Ich möchte vorwegsagen, dass ich kein Freund der AfD bin. Im Gegenteil bin ich der Meinung, dass die Mitglieder dieser Partei am ganz rechten Flügel von allen politischen Tätigkeiten auf dem Rechtsweg ausgeschlossen werden sollten. Sie versuchen, unsere Demokratie mit demokratischen Mitteln in eine Diktatur umzuwandeln.

Es kann aber trotzdem nicht sein, dass die Wörter "alles für Deutschland", wenn sie in einem kausalen Zusammenhang mit einer Aussage benutzt werden - zum Beispiel "Wir müssen alles für Deutschland tun, damit ..." oder Ähnlichem -, rechtlich verfolgt werden.

Auch ist mir ein Katalog "rechtswidriger Wörter oder Wortwendungen" nicht bekannt. Dann müsste man die deutsche Sprache komplett verbieten, denn während der Nazizeit wurde der gesamte deutsche Wortschatz für schändliche Reden missbraucht. Eine andere Sache ist es jedoch, wenn Naziparolen, ohne in einem Kontext zu stehen, am Ende einer Rede ausgesprochen werden. Wir müssen aufpassen, dass nicht irgendwelche "woken" Leute in ihrem Übereifer, absolut gerecht zu sein, mehr und mehr Wörter und Ausdrücke finden, deren Gebrauch auch nur im weitesten Sinne irgendjemand eventuell kränken oder verletzen könnte oder im Kontext der Nazizeit gesehen werden könnten.

Schnell ist man dann wieder bei den Stereotypen "Anti-", "-feindlich" oder "rassistisch". Ich denke, dass die Mehrheit der Deutschen das ähnlich oder genauso sieht.

Dieter Lehmann, Karlsfeld

Thüringen in Zahlen

Wird um den Oberlehrer und Westimport für Thüringen als AfD-Vorsitzender nicht zu viel Wind gemacht? Ein übertriebener Hype um eine Person, die in einem der kleinsten Bundesländer mit 2,1 Millionen Einwohnern und 1,73 Millionen Wahlberechtigten zur Wahl steht. Die Wahlbeteiligung der letzten Landtagswahl lag bei 1,12 Millionen Wählern, davon Anteil AfD circa 260 000 Wähler. Bei angenommenen 30 Prozent würden circa 330 000 Thüringer die AfD und damit Höcke mitwählen.

Bei diesen Zahlen relativiert sich der Hype um die AfD, die übertriebene mediale Aufmerksamkeit mit allen Ängsten um die demokratische Zukunft der Bundesrepublik hilft nur Oberstudienrat Höcke im Wahlkampf! Und sind die prognostizierten 30 Prozent für die AfD nicht auch zum Teil der Vergangenheit DDR geschuldet? Da waren wohl circa zehn bis zwanzig Prozent der Thüringer staatskonform oder Mitläufer. Und heute wohl Rechtsfaschisten?

Die Demokratie in unserem Land ist stabil, mehr Mut und Zuversicht trotz der Problemfülle ist zu wünschen. Ängstlichkeit ist der schlechteste Ratgeber, die Medien in unserem Land sind sehr wachsam, als vierte Macht im Staate unverzichtbar und in der Investigation und der Aufdeckung von Konflikten und Korruption oftmals dem Parlament voraus.

Hans-Eckard Steuernagel, München

Und das Wahlprogramm?

Wieder einmal steht die AfD beziehungsweise in diesem Fall Björn Höcke in der Kritik; der Schwerpunkt liegt meist auf Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit. Mir stellt sich die Frage, warum man die Öffentlichkeit nicht mehr über deren Wirtschaftsprogramm aufklärt.

Einige Beispiele: Staatliche Tätigkeit will die AfD auf ein Minimum reduzieren, viele öffentliche Aufgaben privatisieren und Regulierungen abbauen. Markt und Konkurrenz sollen es richten. Wer besonders auf öffentliche Daseinsvorsorge und soziale Unterstützung angewiesen ist, hat das Nachsehen. Das Renteneintrittsalter will die AfD noch weiter anheben, das Arbeitslosengeld I privatisieren (Quelle: Verdi).

In den Medien und in den Talkshows sollte darauf deutlich hingewiesen werden - das würde vielleicht mehr bewirken als alle Aufforderungen zur "Verteidigung der Demokratie"! Es wäre eine Chance aufzudecken, dass diese Partei extrem wirtschaftsliberal ist und ihre potenziellen Wähler, die viel beschworenen "enttäuschten kleinen Leute", sich von dieser Partei keineswegs eine Verbesserung ihrer Lebensumstände erwarten können, sondern das Gegenteil.

Sybille Böhm, München

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