Überforderung am Arbeitsplatz:Der nächste Burn-out kommt bestimmt

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Wer glaubt, einen Burn-out zu haben, leidet meist nur an Überforderung, sagt der Psychologe Markus Väth. Dagegen helfen keine Therapien. Es sind die Strukturen in den Unternehmen, die sich ändern müssen.

Maria Holzmüller

Es ist das drohende Damokles-Schwert über jedem Berufsleben: das Burn-out-Syndrom. Wer nicht selbst irgendwann ausgebrannt vor dem Schreibtisch sitzen will, versucht gegenzusteuern. Ein bisschen Yoga, ein Zeitmanagement-Seminar des Unternehmens und regelmäßige Auszeiten vom Job - das soll helfen, hoffen die meisten. Arbeitgeber unterstützen ihre Mitarbeiter mit Gesundheitsseminaren und Psychologen arbeiten am Abbau des übermäßigen Perfektionismus.

Burn-out oder einfach Überforderung? Psychologe Markus Väth warnt vor dem "strukturellen Burn-out" - dagegen helfen auch keine Yoga-Kurse. (Foto: N/A)

Alles umsonst, sagt Markus Väth, Psychologe und Business-Coach aus Nürnberg. Um psychologische Erkrankungen am Arbeitsplatz wirklich zu verhindern, müssen sich die gängigen Strukturen in den Unternehmen ändern, sagt er. "Die meisten Arbeitnehmer leiden nicht unter einem Burn-out-Syndrom, sondern sind einfach überlastet von den Arbeitsprozessen. Das nenne ich einen strukturellen Burn-out", sagt er. Anders als das herkömmliche Syndrom sei der strukturelle Burn-out weitgehend unabhängig von persönlichen Faktoren.

Für Arbeitnehmer mag das ernüchternd klingen. Wer dachte, eigenständig für seine Gesundheit am Arbeitsplatz aktiv werden zu können, stößt laut Väth irgendwann an unüberwindbare Grenzen. "Die eigene Persönlichkeit ist der innerste Kreis in einem System, das von den Bereichen des Unternehmens umschlossen wird. Der präventive Ansatz müsste außen ansetzen. Bevor ich selbst etwas tun kann, muss das Unternehmen aktiv werden und seine Strukturen ändern", sagt Väth, der als Psychologe immer wieder Führungskräfte und Mitarbeiter als Burn-out-Klienten behandelt.

Die bisherigen Ansätze der Unternehmen findet er unzureichend. "Seminare oder Gesundheitsmanagement bedienen lediglich die Burn-out-Industrie", sagt er. Um die Gesundheit der Mitarbeiter wirklich zu schonen, müssten Unternehmen grundsätzlichere Dinge ändern, die Mitarbeiter auf lange Sicht krank machen - beispielsweise das Phänomen Multitasking.

"Mitarbeiter sollen heute ein Dokument bearbeiten, nebenher E-Mails kontrollieren, im Meeting hochkonzentriert sein und mehrere Anrufe entgegen nehmen. Das kann nicht funktionieren, weil sich jeder Mensch nur auf eine Sache zu einem Zeitpunkt konzentrieren kann", sagt Väth. Sein Vorschlag: Chefs müssen akzeptieren, dass ihre Angestellten nur eine Aufgabe nach der anderen erledigen können - und diese Akzeptanz auch kommunizieren. Eine Möglichkeit: feste Zeitfenster für verschiedene Aufgaben einrichten. Drei Mal am Tag gibt es eine halbe Stunde zum Lesen der E-Mails, einmal am Tag ein festes Zeitfenster für Meetings.

Das gleiche gilt für die Verwendung von Blackberrys oder die Aktivität in sozialen Netzwerken wie Xing. Wer immer und überall beruflich erreichbar sein muss, gerät schnell ins Trudeln. "Diese Tools kommen spielerisch daher, aber sie vereinnahmen uns. Jeder von uns hat eigentlich verschiedene Lebensrollen, beispielsweise die des Vaters oder des Ehemanns. Durch die zunehmende Vermischung von Beruf- und Privatleben werden diese Rollen von der des allzeit bereiten Arbeitnehmers verdrängt, eine gefährliche Entgrenzung, die auf die Psyche schlägt", sagt Väth.

Ähnliches gilt für die impliziten Werte der meisten Unternehmen: "Es gibt viele unausgesprochene Regeln in einem Unternehmen, auch solche, die schädlich sind." Wenn jeder Mitarbeiter unabhängig vom eigenen Arbeitspensum jeden Tag bis 20 Uhr am Schreibtisch sitze, weil vorher einfach niemand nach Hause geht, lauge das die Mitarbeiter auf Dauer aus. Derlei Werte müssen offen diskutiert werden und auf ihre Nützlichkeit hin bewertet werden, wenn es nach Väth geht. Es habe jedoch wenig Sinn, wenn einzelne Mitarbeiter gegen den Strom schwämmen und einfach nach Hause gingen, "damit widersetzen sie sich der bestehenden Firmenkultur und schaden nur sich selbst". Den Anstoß zum Umdenken müsse stets das Unternehmen geben, so Väth.

Um diese Vision umzusetzen, müsse jedoch die Aufgabe von Führungskräften neu definiert werden. "Ich wünsche mir, dass Unternehmen das Problem künftig an der Wurzel packen und es nicht mehr alibi-mäßig an die Burn-out-Industrie der Seminare und Ratgeber delegieren", sagt Väth. In ihrem eigenen Interesse müsste es sein: Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz kosten Unternehmen inzwischen bis zu 88 Millionen Euro jährlich. Und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist jedes Unternehmen auf motivierte und gesunde Arbeitskräfte angewiesen. Lieber ein paar neue Strukturen, als ständig die Suche nach neuen Mitarbeitern. Markus Väth wird sich weiter dafür einsetzen.

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