Viele Hoffnungen ruhen auf Ganztagsschulen: Sie sollen Jugendliche intensiver fördern, mehr Zeit zum Lernen und zum Erholen bieten und den Eltern helfen, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren. Wie gut ihnen das gelingt, ist bisher nur in Ansätzen systematisch erforscht. Auf einer Tagung des Bundesbildungsministeriums und des Deutschen Jugendinstituts Ende vergangener Woche in München zeigte die junge Wissenschaftlerin Regina Soremski, dass das Verhältnis von Freizeit und Ganztagsschule für einige Jugendliche durchaus spannungsgeladen ist.
Keine Zeit für Freizeit
Sie zitierte aus Interviews mit Schülern: "Training zweimal die Woche und dann auch noch Ganztagsschule und dann noch Lernen zu Hause..." Während einige Jugendliche bereits in den Freizeitangeboten, die es an ihren Ganztagsschulen gibt, aufgehen und damit zufrieden sind, trennen andere weiterhin die Sphären - und fühlen sich dadurch belastet. Ein Schüler sagte: "Ich hab' für meine Freizeit so was von gar keine Zeit!"
Soremski hat ein gutes Dutzend Schüler intensiv befragt und begleitet; ihre Studie ist nicht repräsentativ, sie ist aber ein Hinweis darauf, dass Ganztagsschulen mitunter neue Probleme schaffen, während sie andere lösen. Vor allem, wenn Jugendliche außerhalb der Schule noch Freundschaften und Hobbys pflegen wollen, können nun auch sie ein Vereinbarkeitsproblem bekommen. Und dieses Problem taucht in Deutschland womöglich deshalb besonders stark auf, weil Ganztagsschüler oft noch eine Minderheit sind - was bedeutet, dass der Freund aus der Nachbarschaft, der vielleicht eine andere Schule besucht, schon mittags nach Hause geht.
Besser im sozialen Lernen
Maria von Salisch, Professorin an der Universität Lüneburg, zeigte allerdings anhand einer Befragung von knapp 400 Brandenburger Schülern, dass die Zahl außerschulischer Freundschaften nach dem Wechsel von der Grundschule generell kleiner wird. Dieser Rückgang betrifft Jugendliche auf Halbtagsschulen ebenso wie auf Ganztagsschulen.
Salischs Team fand jedoch auch Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen: So zeigten sich positive soziale Effekte speziell bei Ganztagsschülern. Diese hatten bessere Werte, wenn es um soziales Lernen und die Hilfe durch Mitschüler geht. Befragt wurden Haupt- und Realschüler der siebten Klasse zu Beginn und zum Ende des Schuljahres (in Brandenburg wechseln die Kinder in der Regel erst nach der sechsten Klasse auf eine weiterführende Schule).
Ganztagsschule wird Normalität
Nicht auszuschließen ist, dass die Eltern und Kinder, die sich in Deutschland für eine Ganztagsschule entscheiden, noch immer eine Gruppe mit besonderen Merkmalen bilden. Da bundesweit immer mehr Ganztagsschulen entstehen, könnte sich das aber in den kommenden Jahren ändern.