Streiks:Protestwelle vor der EM: Droht Fans das Streik-Chaos?

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Paris (dpa) - Ausgefallene Züge, Versorgungsprobleme an Tankstellen, Zusammenstöße am Rande von Demonstrationen: Seit Wochen prägen Streiks und Proteste den politischen Alltag in Frankreich.

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Paris (dpa) - Ausgefallene Züge, Versorgungsprobleme an Tankstellen, Zusammenstöße am Rande von Demonstrationen: Seit Wochen prägen Streiks und Proteste den politischen Alltag in Frankreich.

Wenige Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-EM ist unklar, ob zentrale Konflikte vorher noch entschärft werden können - oder ob die Aktionen sich in die Zeit des Fußballturniers ziehen.

Wird die aktuelle Protestwelle das Fußballturnier überschatten?

Für eine eindeutige Antwort ist es zu früh, doch Besucher müssen sich auf mögliche Störungen einstellen. Noch ist nicht entschieden, ob der am Mittwoch begonnene Streik der Eisenbahner rechtzeitig beigelegt wird, und bei Air France ist für die ersten EM-Tage ein Pilotenstreik angekündigt.

Im Konflikt um die Arbeitsmarktreform ist kein plötzlicher Burgfrieden zu erwarten, zumal der Senat just während der EM über das Gesetz berät. Für den 14. Juni ist ein neuer Protesttag angekündigt. Diese Demos waren immer wieder Schauplatz von Zusammenstößen, was angesichts der hohen Sicherheitsvorkehrungen für das Fußball-Spektakel eine zusätzliche Belastung für die Polizei darstellt. Und Tränengasschwaden auf dem Platz der Nation sind nicht gerade das Bild, das Frankreich während der EM abgeben will.

Worum geht es in Frankreich eigentlich gerade?

Die Protestwelle ist ein Mix verschiedener Konflikte. Ganz vorne steht der Kampf einiger Gewerkschaften gegen die Arbeitsmarktreform der Regierung. Sie soll das Arbeitsrecht flexibler machen - mit der Hoffnung, dann mehr Jobs zu schaffen. Gegner fürchten, dass Unternehmen leichter Abweichungen von der 35-Stunden-Woche durchsetzen können und der Kündigungsschutz gelockert wird. Hinzu kommen unternehmenseigene Konflikte, beim Bahnkonzern SNCF geht es um Vereinbarungen zur Arbeitszeit.

Frankreich gilt als große Streiknation - stimmt das?

Im Vergleich zu Deutschland wird tatsächlich mehr gestreikt: Nach Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in Düsseldorf kamen in Frankreich von 2005 bis 2013 pro Jahr im Schnitt 132 Streiktage auf 1000 Beschäftigte. Für Deutschland schätzt das gewerkschaftsnahe Institut für etwa den gleichen Zeitraum jährlich 15 Streiktage pro 1000 Beschäftigte - wobei das Jahr 2015 mit ungewöhnlich vielen Streiks nicht eingerechnet war.

Was sind die Gründe für die große Bereitschaft zum Arbeitskampf?

In Frankreich haben die Gewerkschaften im Verhältnis deutlich weniger Mitglieder als in Deutschland. Um Einfluss auszuüben, sind sie daher stärker auf die Macht der Straße angewiesen. Zugleich ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden von Konfrontation geprägt. Das wurde wieder deutlich, als der Chef des Unternehmerverbandes Medef den Aktivisten des großen linken Gewerkschaftsbunds CGT vorwarf, sich ein wenig wie „Gauner“ und „Terroristen“ aufzuführen. Hinzu kommt, dass es üblich ist, auch aus politischen Motiven zu streiken.

Droht die EM also im Chaos zu versinken?

So eine Prognose wäre derzeit übertrieben. Beispiel Bahnstreiks: Der Verkehr war in den vergangenen Tagen gestört, 40 bis 50 Prozent der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge fielen aus. Doch der Streik wird gut gemanagt: Spätestens am Vortag ist bekannt, ob ein Zug ausfällt oder fährt. Zugleich erscheint es unwahrscheinlich, dass der Streik noch länger als ein paar weitere Tage andauert. Die Lage an den Tankstellen hat sich entspannt. Und Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies äußerte die Hoffnung, dass der Pilotenstreik eine Drohkulisse bleibt. „Es wäre ziemlich unverständlich, wenn Frankreich im Luftverkehr blockiert ist“, sagte er dem Sender RTL. Ein Ausstand bei der Flugaufsicht wurde bereits durch eine Einigung abgewendet.

Auch CGT-Chef Philippe Martinez betonte vor einigen Tagen, dass es nicht die Absicht sei, die EM zu blockieren. Er schloss aber auch nicht aus, dass Streiks fortgesetzt werden - und verwies auf die Verantwortung der Regierung, die bei der Arbeitsmarktreform hart bleibt. Französische Medien sprachen bereits von einem „Nervenkrieg“ - doch Pariser Verantwortliche hoffen, dass am Ende der Wunsch überwiegt, bei der EM ein positives Bild des Landes zu zeigen.

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