Selbstinszenierung von Chefs:Im Fegefeuer der Eitelkeiten

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Sexy in der Vogue: Yahoo-Chefin Marissa Mayer. (Foto: AFP)

Yahoo-Chefin Marissa Mayer hat ihre körperlichen Vorzüge in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellt. Das ist einerseits verständlich - jeder möchte gefallen. Doch die Inszenierung eines Vorstandsvorsitzenden muss zur Botschaft seines Unternehmens passen, nicht zu seinen persönlichen Eitelkeiten.

Ein Kommentar von Angelika Slavik

Auf einer Liege räkelt sich kopfüber eine blonde Frau, enges Kleid, rote Lippen. In ihrem Blick liegt eine unterkühlte Arroganz, sie sieht, man muss das so deutlich sagen, sexy aus. Ein Foto wie jenes, das nun in der September-Ausgabe der Vogue erschienen ist, gehörte eigentlich zum Standard-Programm einer Modezeitschrift, wäre die Frau auf dem Bild ein Model oder eine Schauspielerin. Aber die, die sich hier in Pose wirft, ist Marissa Mayer, 38, Chefin des börsennotierten Internetkonzerns Yahoo.

Wie sexy darf ein Boss sein? Natürlich könnte man die Aufregung, die in den USA wegen dieses Fotos entstanden ist, als wahnsinnig amerikanisch abtun. Aber die Frage, wie viel Selbstinszenierung sich ein Vorstandschef zugesteht, ist nicht nur eine des persönlichen Geschmacks oder der herrschenden Konventionen. Es ist vor allem eine Frage der Professionalität.

Mayer ist nicht die erste Führungskraft, die der eigenen Eitelkeit nachgegeben hat. Der damalige Infineon-Chef Ulrich Schumacher etwa fuhr einst mit einem Porsche vor der Frankfurter Börse vor, gekleidet in einen Overall, wie man ihn von Formel-1-Fahrern kennt. Richard Branson, der Gründer des britischen Mischkonzerns Virgin, ließ sich beim Kite-Surfen fotografieren - während sich ein nacktes Mädchen an seinem Rücken festklammerte. Und Michael O'Leary, Chef der Fluglinie Ryan Air, posierte in Badehose zwischen halbnackten Stewardessen. Möchte man als Reisender sein Leben in den Händen dieses Mannes wissen?

Die Zeiten sind hektisch und oberflächlich

Das Verlangen zu gefallen, ist zutiefst menschlich. Und natürlich darf auch jemand, der es in die höchste Führungsebene geschafft hat, diesem Verlangen nachgeben - wenn er das in seinem privaten Umfeld macht. Wer also seine mehr oder weniger muskelbepackte Männerbrust unbedingt enthüllen will, wer mit seinem Dekolleté beeindrucken möchte, soll das tun; solange die, denen dann der Atem stockt, nicht Mitarbeiter oder Aktionäre sind.

Es ist so: Die Zeiten sind hektisch und sie sind, vielleicht auch deshalb, wahnsinnig oberflächlich. Unternehmen wie Menschen müssen deshalb kurz und prägnant deutlich machen, wer sie sind und wofür sie stehen. Der Chef oder die Chefin eines großen Konzerns ist also nicht nur dafür verantwortlich, dass am Jahresende die Zahlen stimmen, er oder sie ist auch das zentrale Aushängeschild der Firma: Deshalb muss die Inszenierung eines Vorstandsvorsitzenden zur Botschaft seines Unternehmens passen, nicht zu seinen persönlichen Eitelkeiten.

Netzstrümpfe haben im Büro nichts verloren

Die Trennlinie zwischen privater und beruflicher Selbstdarstellung gilt nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle, die in irgendeiner Form im Berufsleben stehen. Wer für seine geistige Arbeit geschätzt werden will, kann nicht in Netzstrümpfen ins Büro kommen. Nicht, weil man in Netzstrümpfen nicht denken könnte. Sondern weil kaum jemand auf die Idee kommen wird, dass es zu den Netzstrümpfen auch noch einen brillanten Kopf geben könnte. Das mag nicht gerecht sein, aber es ist zumindest für alle gleich.

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Diese Trennung durchzuhalten, mag manchen schwerfallen. Sei es, weil sie auf ihre vermeintlichen oder tatsächlichen körperlichen Vorzüge besonders stolz sind; sei es, weil sie abseits des Jobs kaum eine private Existenz haben.

Aber wer sich zu einem professionellen Selbstverständnis durchringen kann, wer sich überlegt, welche Werte und Qualitäten er repräsentieren will, zumindest von neun bis 18 Uhr, wird profitieren. Als Mitarbeiter, weil die eigene Leistung schneller erkannt und belohnt werden wird. Und als Konzernchef, weil Angestellte, Anteilseigner und Investoren leichter verstehen, was man ihnen anbietet und was man ihnen abverlangt. Das hilft dann auch den Zahlen am Jahresende.

© SZ vom 24.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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