Outplacement:Dienstag - der beste Tag zum Kündigen

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In Up in the Air überbringt George Clooney als Outplacement-Berater Kündigungen. Eine, die diesen Job macht, erklärt, wie gut er das macht.

J. Pilgram

Kündigungsberater haben Konjunktur. Die Outplacement-Branche hat ihren Umsatz im vergangenen Jahr auf 54 Millionen Euro gesteigert. Da passt es gut ins Bild, dass die Tragikomödie Up in the air für sechs Oscars nominiert wurde. Die Betriebspädagogin Elke Schmidt begleitet seit vielen Jahren Kündigungsprozesse in Firmen und hat sich den Film angeschaut. Sie ist davon überzeugt, dass nicht nur die Ausscheidenden und Verbleibenden im Unternehmen betreut werden müssen, sondern auch die Vorgesetzten, die das Trennungsgespräch führen.

SZ: Was hat der Film mit Ihrem Alltag als Outplacement-Beraterin zu tun?

Elke Schmidt: Vieles, was der Film zeigt, ist in Deutschland völlig undenkbar. Zum Beispiel, dass externe Berater die Trennungsbotschaft überbringen. Und erst recht, dass dies - zumindest im Film - per Videokonferenz geschieht. Bei einem professionellen Trennungsmanagement gehört diese Aufgabe in die Hand des nächsten Vorgesetzten. Denn der muss ohnehin früher oder später Stellung nehmen.

SZ: Wie macht George Clooney seinen Job als externer Berater?

Schmidt: Das Paradoxe ist, dass er die Kündigungsgespräche formal richtig führt, sogar geradezu lehrbuchhaft. Es zeugt jedoch von einer großen sozialen Kälte, dass die Berater im Film anschließend sofort aus der Firma verschwinden. Sie gehen bewusst sehr schnell auf Distanz, um die menschlichen Schicksale nicht zu nahe an sich heranzulassen.

SZ: Wie läuft denn ein lehrbuchhaftes Kündigungsgespräch ab?

Schmidt: Die eigentliche Trennungsbotschaft sollte so präzise wie möglich vermittelt werden. Dafür reichen zwei bis drei Sätze. Doch manche Vorgesetzte finden einfach nicht den Mut, in klaren Worten zu sprechen. Sie reden um den heißen Brei herum und reichen den Mitarbeiter dann zur Personalabteilung weiter, wo sich herausstellt, dass er gar nicht kapiert hat, was gerade passiert ist.

SZ: Kommt es oft vor, dass solche Gespräche völlig Ahnungslose treffen?

Schmidt: Ich erinnere mich an den Fall eines Tee-Einkäufers in einem Münchner Feinkosthaus, dem kurz vor seinem 25-jährigen Firmenjubiläum gekündigt wurde. Als er zum Gespräch gebeten wurde, dachte er, es ginge um seine Jubiläumsfeier. Er war so schockiert, dass er ohne Abschied den Hut nahm und sich nie mehr in der Firma blicken ließ. Man sollte sich also unbedingt Gedanken über den Zeitpunkt und die momentane Situation des Mitarbeiters machen. Als Termin ist der Dienstag besser als der Freitag, damit der Betroffene nicht verzweifelt ins Wochenende entlassen wird.

SZ: Was läuft sonst noch schief?

Schmidt: Ganz falsch ist es, in dieser Situation alte Konflikte aufzuwärmen. Wenn der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter gegenübersitzt und in seinen Augen nur die Frage "Warum ich?" sieht, kramt er in seiner Erinnerung nach irgendeiner Sache, die ihn an dessen Arbeit immer schon gestört hat. Das ist eine Art hilflose Selbstverteidigung, die man sich aber in diesem Moment verkneifen sollte.

SZ: Im Film wird dem Gekündigten ein Dossier ausgehändigt, mit Abfindungsvorschlag und Beratungsangeboten. Ist das auch vorbildlich?

Schmidt: Es wirkt im Film eher wie ein Abschieben. Auch hier kommt es auf das wertschätzende Verhalten des Vorgesetzten an. Wenn danach nichts folgt und der Mitarbeiter alleingelassen wird, nützt so ein Dossier wenig. Doch auch in diesem Punkt haben die Firmen in den letzten Jahren dazugelernt. Die Hilfestellungen gehen in viele Richtungen und weit über übliche Bewerbungstrainings hinaus. Zum Glück haben wir in Deutschland keine Hire-and-fire-Mentalität.

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SZ: Es läuft also alles viel humaner ab?

Schmidt: Zumindest hat sich in den letzten Jahren einiges verbessert. Noch vor zehn Jahren wurde bei einem großen Automobilkonzern bei der Weihnachtsfeier ein Organigramm der gerade umstrukturierten Abteilungen präsentiert, und einige Manager entdeckten einen Kringel um ihren Namen. Auf Nachfrage hieß es, mit ihnen habe man etwas Besonderes vor, im neuen Jahr werde man Einzelgespräche zu Vorruhestandsregelungen und Abfindungen führen. Keiner war darauf vorbereitet gewesen. Bis heute spricht man in dieser Firma von "Kringel-Managern". Solche abschreckenden Beispiele sind seltener geworden.

SZ: Trotzdem wird eine Kündigung auch heute noch als Scheitern erlebt.

Schmidt: Ja, aber das ist falsch. Früher wurde in der Regel wegen Fehlverhaltens oder Minderleistung gekündigt. Heute gibt es meist eine Quote: Zum Beispiel müssen zehn Prozent der Belegschaft abgebaut werden. Da geht es oft um ganz andere Überlegungen als um die Leistung des Einzelnen. Sicher ist auch mal einer dabei, den man ohnehin loswerden wollte. Aber oft trifft es gerade die, von denen man sich eigentlich ungern trennt.

SZ: Das ist doch genauso schlimm.

Schmidt: Ja. Und ich habe auch noch nie einen Menschen getroffen, der händereibend so einen Job gemacht hat - selbst wenn es um einen ungeliebten "Low Performer" ging. Allerdings muss ich fairerweise sagen: Zu unseren Kunden gehören naturgemäß nur solche Firmen, die auch in dieser Phase achtsam mit Menschen umgehen. Die anderen lernen wir gar nicht kennen.

SZ: Wie geht es Vorgesetzten, die viele Kündigungen aussprechen müssen?

Schmidt: Nach dem Gespräch befinden sie sich meist in großer Aufregung. Sie müssen vor ihre Mitarbeiter treten und die richtige Umgehensweise mit dem Ausscheidenden vorgeben. Darüber machen sich die meisten vorher gar keine Gedanken. Viele Fragen müssen geklärt werden: Wie geht es jetzt in der Abteilung weiter? Gibt es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft? Bleibt der Gekündigte vorerst an Bord und übernimmt administrative Aufgaben, während mit den anderen die Zukunft gestaltet wird? Oder sind wir weiterhin eine Mannschaft?

SZ: Wie viele Unternehmen, die Personal abbauen, nehmen überhaupt Outplacement-Beratung in Anspruch?

Schmidt: Das ist schwer zu sagen. Wir haben jedenfalls viel zu tun, und es wird immer mehr. Allerdings unterscheiden wir Outplacement und Newplacement. Der Begriff Outplacement ist unglücklich gewählt. Out heißt raus oder weg und klingt so, als gehöre jemand ab jetzt nicht mehr zur Arbeitswelt dazu.

© SZ vom 27.02.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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