Der Aussetzer kam während einer Kundenpräsentation. Katja Siemann spürte plötzlich nur noch Leere im Hirn. Ihre Stimme zitterte, ein Kollege musste übernehmen. Seit acht Jahren arbeitete Siemann als Projektleiterin für eine große Digitalagentur und betreute Kunden aus der Pharmabranche. Das dauerhaft hohe Arbeitspensum, verbunden mit großer Budgetverantwortung, hatte sie an den Rand eines Burn-outs gebracht. Nach der verpatzten Präsentation beschloss sie, endlich zu kündigen.
"Die letzten drei Jahre habe ich nur noch funktioniert", sagt Siemann. Und das anscheinend sehr gut, denn sie bekam immer größere Projekte obendrauf. Die Angst vor dem Jobverlust hielt sie. Erst nach ihrem Blackout waren ihr die Konsequenzen egal. Ihr Bekanntenkreis hatte wenig Verständnis. "Viele jammern, aber sie kündigen nicht", sagt Siemann, die wie die anderen Selbstkündiger in diesem Text eigentlich einen anderen Namen trägt.
In den ersten Monaten nach der Kündigung fühlte sich die 37-Jährige befreit. Doch bald bedrückte sie die Furcht vor dem sozialen Abstieg, vor Altersarmut, auch wenn das Einkommen ihres Mannes den Lebensstandard sicherte. Siemann fürchtete, es aus der Arbeitslosigkeit heraus nicht mehr in einen neuen Job zu schaffen. Nach sechs Monaten begann sie mit der Suche. Die Lücke in ihrem Lebenslauf kaschierte sie durch freiberufliche und ehrenamtliche Tätigkeiten.
Die Lücken-Problematik kennt Bernd Rose gut. Er ist seit 20 Jahren Personalberater und Mitgründer der Capera-Personalberatung in Kassel. Weit über 500 Suchmandate zur Rekrutierung von Fach- und Führungskräften für vorwiegend mittelständische Unternehmen hat er abgewickelt. Auf seinem Tisch landen auch unzählige Bewerbungen von Selbstkündigern, die nun ganz schnell einen neuen Job brauchen.
Arbeitslose haben eine schlechtere Verhandlungsposition
Von solchen Kündigungen rät Rose ab, von Kurzschlusshandlungen sowieso. Aber man müsse differenzieren. Während ein spezialisierter SAP-Berater am nächsten Tag aus hundert Angeboten wählen könne, katapultiere sich ein Laborleiter eines Chemieunternehmens möglicherweise ins Abseits.
"Konservative Personaler markieren die Lücken mit einem Rotstift, getreu dem Motto: Lücke gleich Problem", sagt Rose. Aber natürlich gebe es Menschen, die besser als andere mit ihrer Lücke umgehen können und erhobenen Hauptes argumentieren. "Das kann auch imponierend wirken." Ausschlaggebend für den Personalberater ist jedoch die deutlich schwächere Verhandlungsposition, die man aus der Arbeitslosigkeit gegenüber einem potenziellen Arbeitgeber hat.