Früher genügte eine Stellenanzeige im Staatsanzeiger oder in einer Fachzeitschrift, wenn Kommunen einen neuen Kämmerer suchten, eine Geschäftsführerin für die Stadtwerke oder einen Feuerwehrkommandanten. Heute klappt es oft nur mit einem Headhunter.
Edmund Mastiaux hat sich mit seiner Personalberatungsgesellschaft ZFM auf die Vermittlung von Führungskräften für Kommunalverwaltungen und öffentliche Unternehmen spezialisiert. "Seit drei, vier Jahren haben wir so viele Anfragen von Kommunen aus ganz Deutschland, dass wir gar nicht mehr akquirieren müssen", sagt Mastiaux. "Allerdings wird es auch für uns immer schwieriger, gute Kandidaten zu finden. Wenn es der Wirtschaft gut geht, ist die öffentliche Verwaltung eben nicht so attraktiv."
Der Stadt Köln hat die ZFM beispielsweise einen neuen Baudezernenten vermittelt. Das Amt war schon fast ein Jahr vakant, als es der Architekt Markus Greitemann im Juni 2018 übernahm, ein Verwaltungsquereinsteiger, der das Gebäudemanagement eines Großunternehmens und später der Universität Köln geleitet hatte. Zu seinem Wechsel ins Baudezernat sagt der 58-Jährige: "Finanziell war das kein Fortschritt - das war mir aber auch nicht wichtig. Mich hat es gereizt, diese großartige Stadt gestalten zu können. Ich sehe das als letzten großen Baustein in meiner Karriere, sodass ich am Ende sagen kann, ich habe etwas bewegt."
Wahlbeamte wie Markus Greitemann sind auch deshalb besonders schwer zu rekrutieren, weil sie neben der fachlichen Eignung das richtige Parteibuch haben müssen. Greitemann war im Sauerland lange Stadtverordneter und Kreistagsabgeordneter der CDU. Auch wegen dieser kommunalpolitischen Erfahrung schreckte ihn das aufwendige Auswahlverfahren für das neue Amt nicht ab: erst drei Auswahlrunden zu fachlichen Themen, dann die Vorstellung bei den Ratsfraktionen. "Wenn Führungspositionen in der Privatwirtschaft besetzt werden, ist der Ablauf natürlich nicht so kompliziert", sagt Greitemann.
Keine Lust auf das Auswahlverfahren
Unterhalb der Wahlbeamtenebene sind Auswahlverfahren für den öffentlichen Dienst noch stärker formalisiert, weil sie gerichtsfest sein müssen. In der Praxis bedeutet das unter anderem, dass alle Bewerber vor einem Gremium denselben Fragenkatalog beantworten müssen. Nicht viele hochqualifizierte und erfahrene Manager oder Ingenieure haben Lust auf das recht langwierige Verfahren, an dessen Ende dann beispielsweise das Amt eines Behördenleiters winkt, mit Verantwortung für bis zu 300 Mitarbeiter, aber einem vergleichsweise bescheidenen Jahresgehalt von etwa 90 000 Euro.
Nach Berechnungen des Deutschen Beamtenbundes fehlen Bund, Ländern und Kommunen derzeit etwa 200 000 Beschäftigte. Erzieher und Lehrer sind darin eingerechnet. Aber auch in Finanz-, Jugend-, Gesundheits-, Bau- oder Ordnungsämtern, beim Zoll, in Jobcentern und Ausländerbehörden sind Tausende Stellen unbesetzt. Die Belegschaften sind stark überaltert, auch wegen Personaleinsparungen in der Vergangenheit. Wenn die Babyboomer-Generation in den Ruhestand geht, könnte die Zahl der unbesetzten Stellen beim Staat auf 700 000 steigen. Kommunen sind von dem Personalmangel besonders betroffen - am stärksten prosperierende Großstädte, denn mit dem Wachstum einer Kommune steigt auch die Zahl ihrer Verwaltungsaufgaben.
Ingenieure, Chemiker, Informatiker oder Mediziner werden mit Abstand am dringendsten gesucht. Doch auch Bewerbungen von Juristen werden knapper. Und während früher längst nicht alle Absolventen von Verwaltungshochschulen eine feste Stelle bekamen, haben die heutigen die Wahl. Die Verwaltungshochschule Kehl fragt ihre Studierenden immer im Januar vor den Abschlussprüfungen nach ihren Zukunftsplänen. "In den letzten Jahren hatten zu dem Zeitpunkt schon etwa 95 Prozent unserer Studierenden eine Stelle in Aussicht", sagt der Rektor der Hochschule, Professor Paul Witt. "Spätestens im Mai ist niemand mehr auf dem Markt." Einige Städte, die versucht hatten, mehr Stellen für Angestellte auszuschreiben, hätten umdenken müssen: "Die Absolventen wollen natürlich verbeamtet werden."
Laut dem aktuellen "Nachwuchsbarometer Öffentlicher Dienst", für das die Beratungsagentur Next Public bundesweit Studierende aus acht Fachrichtungen befragt hat, können sich 58 Prozent durchaus vorstellen, beim Staat zu arbeiten - auch wenn diese Neigung bei Informatikern, Ingenieuren und Ökonomen geringer ausgeprägt ist als im Durchschnitt.
Das letzte "Schülerbarometer" des Marktforschungsunternehmens Trendence fiel für Bund, Länder und Gemeinden als Arbeitgeber ebenfalls vielversprechend aus: Im vergangenen Jahr wünschten sich mehr als ein Viertel der Schüler einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, deutlich mehr als zwei Jahre zuvor.
In der Theorie stehen die Chancen auf Nachwuchs für den öffentlichen Dienst also gar nicht schlecht. Junge Leute fänden das sichere Beschäftigungsverhältnis attraktiv, meint Petra Schütt vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München. Auch bei den Möglichkeiten zur flexiblen, familienfreundlichen Arbeitszeitgestaltung oder bei der Gleichstellung ist der öffentliche Dienst der Privatwirtschaft überlegen.
Starre Einstellungskriterien
"Aber der Arbeitsalltag in der Verwaltung hat ein verheerendes Image: starr, dröge und grau. Auch deshalb kommen zu wenige der jungen Leute, die an den Umfragen teilnehmen, am Ende in den Verwaltungen an", sagt Schütt. "Die Kommunen müssten viel besser vermitteln, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihre Beschäftigten haben: dass man an seinem Wohnort etwas bewegen kann und sinnvolle Arbeit für das Gemeinwohl leistet."
Allerdings schrecke nicht nur das unverdient schlechte Image den Nachwuchs ab, sondern auch die hierarchische Organisation und mangelnde Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten. Vor allem seien die Einstellungskriterien zu starr, meint Arbeitsmarktforscherin Schütt: "Wenn eine Stelle in einer bestimmten Lohngruppe ausgeschrieben ist, fallen Bewerber ohne Bachelor-Abschluss raus, auch wenn sie aufgrund ihrer Berufserfahrung das nötige Wissen mitbringen. Das sind Hürden, die abgebaut werden müssen."
Jede Kommune habe inzwischen erkannt, dass sie sich mit dem Thema Nachwuchsgewinnung befassen müsse, sagt Uwe Lübking, Personaldezernent beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Möglichkeiten gebe es viele: Die Kommunen könnten soziale Medien und Ausbildungsmessen viel besser nutzen, ihre eigenen Azubis als Werber in Schulen auftreten lassen, mehr duale Studiengänge beispielsweise in Informatik anbieten. "Auch die Einstellungsprozesse müssen schneller laufen, junge Leute wollen umworben werden."
Als wegweisend gilt eine Kampagne der Stadt Bonn, die seit acht Monaten unter dem Motto "Bonn macht Karriere" im Internet, auf Plakaten und auf Veranstaltungen intensiv um Personal wirbt. Im Zentrum stehen Videos mit echten Mitarbeitern: Der Leiter einer örtlichen Kläranlage tritt als "Klarspüler" auf, der städtische Forstwirtschaftsmeister als "Waldmeister". Die 25-jährige "Datenträgerin" Andrea Wagner, die eine Ausbildung zur Verwaltungswirtin macht, beschreibt ihre Tätigkeit im Video so schlicht wie authentisch mit den Worten: "Telefonieren, Bürger beraten, Kram eingeben, einheften in Akten." Der Erfolg der Kampagne ist durchschlagend - die Stadt Bonn erhält auf ihre Stellen jetzt fast doppelt so viele Bewerbungen.