Neue Arbeitswelt:Weiterbildung muss radikaler gedacht werden

Lesezeit: 3 min

(Foto: Razvan Chisu/Unsplash)

Jobs entstehen und verschwinden wieder, Berufsbilder ändern sich oder sterben. Deshalb soll nun lebenslang gelernt werden. Aber viele Maßnahmen bringen die Karriere nur wenig voran.

Essay von Larissa Holzki

"Wenn Sie in Ihrem Job nichts mehr lernen, sollten Sie kündigen." Dieser Satz müsste in jedem Karriereratgeber stehen, denn die Idee des lebenslangen Lernens wird bisher viel zu nachlässig umgesetzt. Weiterbildung muss radikaler gedacht werden. Denn am Ende hilft sie schließlich allen: Ihnen, Ihrem Chef, Ihrer Firma - und Ihrem Geldbeutel.

Wie vuca ist es bei Ihnen aktuell?

Bitte was? Das Trendwort steht für "volatility, uncertainty, complexity, ambiguity". Also für Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit - und damit ist die heutige Arbeitswelt gemeint. Vuca wäre auch ein schicker Name für eine Kampfsportart. Und wendige, reaktionsschnelle, angriffslustige Menschen sind in dieser neuen Arbeitswelt wirklich im Vorteil.

Jobs entstehen und verschwinden wieder, Berufsbilder verändern sich oder sterben. Zusätzlich ändern sich viele Hierarchien, je nachdem, in welcher Konstellation man bei welchem Projekt zusammenarbeitet. Die Hoffnung, dass einen die Schule, die Ausbildung oder die Universität auf so etwas vorbereitet, ist naiv. Und schlicht auch gar nicht leistbar für solche Institutionen. Umso wichtiger ist es, unterwegs nicht den Anschluss zu verlieren. Doch dafür sind beide Seiten gefragt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Denkt Ihr Chef mit?

Firmen müssen zum Beispiel dafür sorgen, dass ihr Personal mit der neuen Buchhaltungssoftware klarkommt. Das ist purer Eigennutz. Solche Maßnahmen nehmen Angestellte oft gar nicht als Fortbildung wahr, weil sie meist im Stillen geschehen. Und leider auch nicht alle in die Geheimnisse neuer Programme eingeweiht werden. So haben verschiedene Studien belegt, dass Männer - und vor allem Väter - mehr von betrieblicher Weiterbildung profitieren. Das ist ein strukturelles Problem: Weil Männer häufiger vollzeitbeschäftigt und in Führungspositionen tätig sind, lohnt sich die Investition für die Firmen mehr.

Für beide Geschlechter gilt leider allerdings: Betriebliche Weiterbildung ist mehr Bleibegarantie als Karrieretreiber. Laut Forschern des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) steigen Teilnehmer einer betrieblichen Weiterbildung zwar seltener ab oder werden arbeitslos als Nichtteilnehmer, aber sie werden auch seltener befördert. Und abgeworben werden sie auch nicht. Kurz: Fortbildung durch den Arbeitgeber ist eigentlich nur Pflege am eigenen Personal. Ihrem persönlichen Karriereweg nützt sie erst mal nicht - außer Sie mögen Stillstand.

Denken Sie mit?

Um die Zusatzqualifikationen fürs Weiterkommen müssen Sie sich also selbst kümmern - und das höchstwahrscheinlich in Ihrer Freizeit. Frauen haben das schon viel früher verstanden als Männer. Sie investieren laut Deutschem Institut für Erwachsenenbildung etwas mehr als Männer in private berufliche Weiterbildung und sogar deutlich mehr, um sich allgemein fortzubilden: vom Spanischkurs für Fortgeschrittene über das Coaching für Führungskräfte bis hin zum Achtsamkeitstraining in den Alpen. Weil die Angebote so unterschiedlich sind, ist unklar, was dabei wirklich für die Karriere ausschlaggebend ist. Und wenig überraschend sind Frauen ohne Kinder hierbei am aktivsten.

Um weiterzukommen, ist es eine smarte Strategie, den Arbeitgeber als Ausbilder zu begreifen. Machen Sie Weiterentwicklung zum Teil des Jobs, indem Sie Fortbildungsmöglichkeiten proaktiv ansprechen oder Sie sich gezielt Herausforderungen stellen. Männer tun das oft automatisch. Psychologen bestätigen, dass sie sich häufiger überschätzen und sich deshalb auf Stellen bewerben, für die sie sich noch strecken müssen. Frauen unterschätzen sich eher und sind in der Folge überqualifiziert. Bei einer Umfrage des Karriereportals LinkedIn haben 2018 36 Prozent der Frauen, aber nur 26 Prozent der Männer gesagt, dass sie schon mal von einer Bewerbung abgesehen haben, weil sie Selbstzweifel gepackt hatten.

Was machen Sie ab jetzt anders?

Schlicht: Sie schauen auf sich, zeitsparend. Stopfen Sie Ihren Kalender nicht mit Wochenendworkshops voll, während andere montags bis freitags Karriere machen. Lernen Sie bei der Arbeit. Suchen Sie sich einen Job, der Sie weiterbildet, auch wenn Ihnen die Herausforderungen erst mal Angst machen. Seminare können dabei helfen, denn in der Gruppe lernt es sich oft leichter. Außerdem können Sie sich dort auch einfach Fertigkeiten von anderen abschauen.

Kinder werden nach einem Tag in der Schule gern gefragt, was sie gelernt haben. Fragen Sie sich das jeden Tag kurz vor Feierabend selbst. Wenn Ihnen dauerhaft nichts einfällt, denken Sie über eine Veränderung nach. Das ist anstrengend wie Karate oder Jiu Jitsu, aber es macht fit für die Vuca Welt.

© SZ PLAN W vom 8. Juni 2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: