Gutachten zur Plagiatsaffäre:"Große Schlamperei" - und schuld ist nur der Stress

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Guttenberg entschuldigt seine fehlerhafte Doktorarbeit mit Druck aus der Familie und "chaotischer" Arbeitsweise. Die Uni Bayreuth fällt ein vernichtendes Urteil, den Doktorvater spricht sie frei.

Maria Holzmüller

Das Urteil ist bereits bekannt, jetzt geht es um die schmutzigen Details. In Bayreuth stellt die Untersuchungskommission der Universität den Abschlussbericht zur Plagiatsaffäre Guttenberg vor. Die Hauptnachricht, dass Guttenberg absichtlich abgeschrieben und damit vorsätzlich getäuscht haben soll - was der Ex-Minister bis heute bestreitet -, ist bereits seit vergangener Woche bekannt. An diesem Mittwoch will Uni-Präsident Rüdiger Bormann auch über das dreiseitige Erklärungsschreiben sprechen, das Guttenberg kurz vor seinem Rücktritt an die Universität schickte.

Guttenberg: Zitate zur Plagiatsaffäre
:Von "abstrusen" Vorwürfen und "schmerzlichen Schritten"

Jetzt hat er es schriftlich: Karl-Theodor zu Guttenberg hat bei seiner Doktorarbeit "vorsätzlich getäuscht", sagt die Kommission der Uni Bayreuth. Er selbst sieht das anders. Die gesammelten Zitate zur Plagiatsaffäre.

Die Journalisten scharen sich um Bormann, der von Stephan Rixen, dem Vorsitzenden der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" und Markus Möstl, dem Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät, begleitet wird. Sie liefern die lang ersehnten Details, doch es gelingt ihnen, ihr hartes Urteil zu Guttenbergs Plagiatsaffäre so zu verpacken, dass es scheinbar vor allem um die Zukunft der wissenschaftlichen Qualität in den Universitäten geht.

Uni-Präsident Bormann strahlt auch bei dieser Pressekonferenz eine gelassene Heiterkeit aus, an der jeglicher medialer Druck abperlt. Der Naturwissenschaftler, der seit zwei Jahren an der Spitze der Hochschule Bayreuth steht, scheint sich auf den medialen Schlusspunkt einer für die Uni Bayreuth düsteren Affäre beinahe zu freuen, als er sich mit den Worten "Ich hoffe, die Mikrofone sind alle so platziert, dass Sie mich gut hören können" an den Tisch setzt: vor ihm die Journalistenmeute, hinter ihm nichts als ein nüchternes leeres Whiteboard.

Nüchtern, so wollte der Uni-Präsident die Ergebnisse auch vermitteln. Mit der Veröffentlichung des - mit Anhang - mehr als 80 Seiten langen Abschlussberichts der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" will er die "Diskussion versachlichen". Der Kommission, die Guttenbergs Arbeit die vergangenen Wochen untersucht hatte, sei es nicht um eine Vorverurteilung des Ex-Ministers gegangen, sondern um "die Bewertung des Fehlverhaltens aus wissenschaftlicher Sicht." Und diese Arbeit sei "zügig und professionell" erledigt worden. Nicht etwa, um sich als Tribunal gegen Guttenberg zu positionieren. "Vielmehr verstehen wir uns als Anwalt der Wissenschaft", so Bormann.

Dass er und die Kommission als solche kein Verständnis für Guttenbergs Verhalten haben, daran lassen die Wissenschaftler keinen Zweifel. Die Kommission wolle nichts weichspülen, betont Rixen, und verleiht seinen Worten mit ausladenden Gesten Nachdruck. Im Gegenteil, man sei davon überzeugt, dass Guttenberg vorsätzlich abgeschrieben hat: "Wortlaut- und Inhaltplagiate sind über die ganze Arbeit verteilt". In Montagetechnik habe Guttenberg immer wieder plagiierte Sätze aneinandergereiht und miteinander verbunden, dabei aber Synonyme verwendet und einzelne Wörter ersetzt. Das war ein "werkprägendes Arbeitsmuster", so die Erkenntnis der Kommission. Guttenberg habe "in sehr kreativer Weise" Einzelteile verbunden, bemerkt ihr Vorsitzender Stephan Rixen an anderer Stelle.

Guttenberg: Zitate zur Plagiatsaffäre
:Von "abstrusen" Vorwürfen und "schmerzlichen Schritten"

Jetzt hat er es schriftlich: Karl-Theodor zu Guttenberg hat bei seiner Doktorarbeit "vorsätzlich getäuscht", sagt die Kommission der Uni Bayreuth. Er selbst sieht das anders. Die gesammelten Zitate zur Plagiatsaffäre.

Guttenbergs schriftlichen Erklärungsversuch, dessen Inhalt mit Spannung erwartet worden war, akzeptierten die Wissenschaftler angesichts dieser Arbeitsweise nicht. Auch wenn der ehemalige Minister "auf menschlich berührende Weise" dargelegt habe, wie er den vielfachen Belastungen durch seinen Beruf als Bundestagsabgeordneter, als junger Familienvater und als Doktorand nicht standhalten konnte, so sei das keine Entschuldigung für die Plagiate, stellt Kommissions-Chef Rixen dar.

Auf den medialen Schlusspunkt der Plagiatsaffäre Guttenberg schien sich der Präsident der Universtität Bayreuth, Rüdiger Bormann, zu freuen. (Foto: dpa)

Guttenberg hatte in seiner schriftlichen Erklärung - zu einem persönlichen Gespräch war er nicht bereit - erläutert, er habe eine "ungeordnete Arbeitsweise" mit "gelegentlich chaotischen Zügen" gezeigt, zugleich aber auch den Druck verspürt, seine Promotion fertigstellen zu müssen. Er habe dabei nicht die Kraft gehabt, das Projekt aufzugeben. "Ich wollte mir eine Schwäche nicht eingestehen", hieß es laut Uni-Bericht in der Stellungnahme Guttenbergs.

"Er beschreibt letztlich, dass es sich eher um eine große Schlamperei in Folge von Dauerstress handelt", fasst Rixen die Erklärung zusammen - und kommt zu einem deutlichen Urteil: "Wer jahrelang über alle selbst erkannten Warnzeichen hinwegsieht, akzeptiert, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält. Damit handelt er nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich". Der Fokus der Kommission auf die Falschangaben im Text sei "kein Formalismus. Zitieren ist Respekt vor der geistigen Leistung anderer." Ob Guttenberg angesichts seiner bewussten Täuschung ein Lügner sei? Diese provokante Frage gibt Präsident Bormann geschickt an die Journalisten zurück: "Das ist eine sprachliche Auslegung, die Sie treffen."

So deutlich die Worte der Wissenschaftler zu Guttenberg selbst ausfallen, so sehr nimmt die Kommission seinen Doktorvater Wolfgang Häberle in Schutz. Ihn und den Zweitprüfer Rudolf Streinz treffe keine Mitschuld an der Plagiatsaffäre. "Es ist festzuhalten, dass auch die Gutachter getäuscht wurden" heißt es im Untersuchungsbericht. "Es wurde so plagiiert, dass man es nicht erkennen musste", erläuterte der Kommissionsvorsitzende Rixen - und legte mit der Formulierung offen, dass auch die Kommission so ihre Probleme mit der Summa-cum-laude-Benotung durch Häberle und Streinz hatte. "Besonders Kollegen aus den Naturwissenschaften sind not amused - gerade weil sie selbst auch strengen Richtlinien folgen", räumte Rixen ein.

Und in einem sind sich die Kommissionsmitglieder einig: Die Bestnote "summa cum laude" mit der Begründung, die Arbeit zeichneten originelle Denkansätze aus, "ist nicht gerechtfertigt". Dennoch werben die Vertreter der Uni Bayreuth im Rahmen der Pressekonferenz weiter für Verständnis für den kritisierten Doktorvater. "Er hat Guttenberg vielleicht in einer Weise vertraut, die uns altmodisch erscheinen mag - aber für ihn gab es keine Anzeichen, an diesem Vertrauen zu zweifeln."

Damit Vertrauen künftig nicht mehr die höchste Bewertungsgrundlage einer Doktorarbeit ist, fordert die Kommission der Uni Bayreuth in ihrem Gutachten jetzt vor allem Maßnahmen für die Zukunft. "Wir wollen einheitliche Qualitätsmaßstäbe in allen Fakultäten erreichen", betont Uni-Präsident Bormann. Und das am besten über Universitätsgrenzen hinweg. So beginnt für ihn und die Universitäten die eigentliche Affäre da, wo sie für andere endet. Aus einem Tiefpunkt der Wissenschaft soll ein Aufbruch in bessere Zeiten gelingen.

Und das Image der Uni Bayreuth? Laut Bormann hat es durch die Plagiatsaffäre nicht allzu viel gelitten. Die Einschreibezahlen für das Sommersemester seien um das Dreieinhalbfache gestiegen, besondern im Fach Jura seien sie geradezu explodiert. Und mit einem verschmitzten Lächeln fügt er hinzu: "Das kann man jetzt von der einen oder von der anderen Seite sehen." Er sieht es positiv.

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