Berufe im Gesundheitswesen:Was macht eigentlich ein Orthoptist?

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Einblick in das Archiv der Augenklinik des Rostocker Universitätsklinikums. Die Stücke wurden vor mehr als 150 Jahren gefertigt, um Augenerkrankungen zu visualisieren. Gutes Anschauungsmaterial für Orthoptisten. (Foto: dpa)

Altenpfleger oder Physiotherapeutin - diese Berufe kennt man. Im Gesundheitswesen gibt es aber auch viele Jobs, die vergleichsweise unbekannt sind. Ein Überblick.

Von Rebekka Gottl

Fachkräfte in Gesundheitsberufen leisten einen wesentlichen Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung in Deutschland. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2018 rund 5,65 Millionen Beschäftigte im Bereich der Gesundheitsförderung angestellt. Etwa ein Fünftel davon arbeitet in Krankenhäusern, ein ebenso großer Teil ist in Berufen der Gesundheits- und Krankenpflege, beim Rettungsdienst oder in der Geburtshilfe tätig. Eingesetzt werden Gesundheitsfachkräfte außerdem in medizinischen Laboren, ärztlichen Praxen sowie Apotheken und der pharmazeutischen Industrie.

Die Bezeichnung Gesundheitsfachberuf bezieht sich in der Regel nichtakademische Ausbildungsberufe. Die Akademisierung schreitet seit einigen Jahren jedoch auch im Gesundheitswesen voran, weshalb immer mehr Hochschulen in Deutschland Studiengänge wie Pflegewissenschaft, Hebammenkunde oder Gerontologie anbieten.

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Trotz dieser Entwicklungen führt der klassische Weg zu einer Tätigkeit in der Gesundheitsförderung, der medizinischen Therapie und Rehabilitation nach wie vor über eine schulische Aus- oder Weiterbildung. Wer sich für eine Ausbildung im Gesundheitswesen entscheidet, hat viele Möglichkeiten. Denn neben Berufen wie Altenpflegerin und Altenpfleger oder medizinisch-technische Assistentin/Assistent gibt es zahlreiche Jobs, die bisher weniger bekannt sind. Eine Auswahl:

Mit Augenmaß heilen

Das linke Auge des Mädchens wird von einer schwarzen Klappe verdeckt, während Roxana Kiwardt nacheinander Brillengläser in verschiedenen Stärken vor das rechte Auge des Kindes hält. Sie ist gelernte Orthoptistin, ihre Ausbildung hat sie am Universitätsklinikum Düsseldorf gemacht. Die Orthoptik, ein Teilbereich der Augenheilkunde, ist ein vergleichsweise junges Berufsbild in Deutschland. Kiwardt diagnostiziert und behandelt unter anderem Sehschwächen und Störungen wie Schielen sowie Augenzittern.

Dazu misst die Orthoptistin etwa das Gesichtsfeld der Patienten, testet die Augenfolgebewegungen und den Schielwinkel. "An meinem Beruf gefällt mir am meisten", sagt Kiwardt, "dass ich mit der richtigen Therapie Kindern wie Erwachsenen helfen kann, besser zu sehen." In der dreijährigen Ausbildung stehen sowohl die Anatomie des Auges als auch das Erstellen von Behandlungskonzepten auf dem Lehrplan. Der Berufsverband Orthoptik listet 14 Berufsfachschulen und Institute auf, die eine Ausbildung zum Orthoptisten anbieten, darunter auch das Universitätsklinikum Gießen sowie die Universitätsmedizin Greifswald. Über diesen Beruf informieren folgende Webseiten: www.orthoptik.de, www.ukgm.de, www.uniklinik-duesseldorf.de, www.medizin.uni-greifswald.de.

Zellproben analysieren

Forscherin beim Betrachten von Zellen unter dem Mikroskop. (Foto: imago images / Westend61)

Geschicklichkeit und ein aufmerksamer Blick sind bei diesem medizinischen Ausbildungsberuf gefragt. Denn Zytologieassistenten untersuchen Zellproben, Präparate und Abstriche unter dem Mikroskop auf Anzeichen bösartiger Zellveränderungen. Dazu schneiden sie die Gewebeproben mit dem Skalpell in dünne Scheiben, färben diese ein und vergrößern das auf dem Objektträger aufgebrachte Material. In der schulischen Ausbildung lernen die angehenden Fachkräfte, verdächtiges Gewebe zu erkennen und Auffälligkeiten zu lokalisieren.

Mithilfe der Dokumentation ihrer Untersuchungsergebnisse kann der Arzt einen Befund erstellen. Damit leisten Zytologieassistenten einen entscheidenden Beitrag zur Krebsfrüherkennung. Die Lehre von der Zelle steht bei der zweijährigen Ausbildung im Fokus, wobei besonderes Augenmerk auf deren Aufbau und Beschaffenheit liegt. Die Zytologieschulen in Tübingen und Bensheim haben zudem Laborpraktika in ihren Lehrplan integriert. Eine Beschäftigung finden Zytologieassistenten überwiegend in Labors von Kliniken oder Frauenarztpraxen, doch auch Gesundheitsämter und Forschungsinstitute zählen zu den Arbeitgebern. Weitere Informationen liefern die Portale zytologieschule-tuebingen.de und zytologieschule-bensberg.de.

Experten für Pillen und Pulver

In großen Anlagen findet die industrielle Arzneimittelherstellung statt, dort wird Pulver vermengt, dort werden Salben abgewogen und Tabletten in Blister verpackt. Gesteuert werden die Maschinen von Pharmakantinnen wie Dorothee Hoch. "Wir sind hauptsächlich in der pharmazeutischen Produktion tätig, stellen dort Arzneimittel her und führen die Prozesskontrollen durch", sagt sie. Für Chemie habe sich Hoch bereits in der Schule interessiert. In der Ausbildung, die dreieinhalb Jahre dauert, kam ihr dieses Wissen zugute.

Im Labor hat die Pharmakantin gelernt, Vitaminbrause herzustellen, die Bruchfestigkeit von Tabletten zu testen und die Wirkstoffe von Cremes schonend zu trocknen und zu filtrieren. Ein Schwerpunkt der Ausbildung ist die praktische Umsetzung des Gelernten im Betrieb. In Pharmaunternehmen wie Dr. Pfleger in Bamberg oder Boehringer Ingelheim werden die Verarbeitung pharmazeutischer Rohstoffe, der sichere Umgang mit Maschinen sowie die Produktkontrolle gelehrt. Da die Anlagen meist rund um die Uhr laufen, arbeiten Pharmakanten häufig in Wechselschicht. Nähere Informationen unter www.dr-pfleger.de, www.boehringer-ingelheim.de.

Feilen und fräsen

Anatomische Pinzette, Arterienklemme, Skalpell und Mikroschere - die Instrumente der Chirurgen sind scharf, spitz, fein gearbeitet und liegen gut in der Hand. Hergestellt werden sie von Chirurgiemechanikern. Aus Titan, Stahl, Kautschuk oder Kunststoffen fertigen diese neben Operationsbesteck auch Endoskope und Implantate wie künstliche Hüftgelenke. Die Materialien bearbeiten die Chirurgiemechaniker zum Teil mithilfe computergesteuerter CNC-Fräsen oder sie bohren, schneiden und feilen das Metall manuell. Dabei sind eine ruhige Hand und gutes Augenmaß nötig.

Um die medizinische Behandlung zu verbessern, müssen die Geräte exakt funktionieren. Die handwerkliche Ausbildung dauert dreieinhalb Jahre, der Unterricht findet abwechselnd in der Berufsschule und in Werkstätten oder Werkhallen von Medizintechnikunternehmen wie Aesculap, Weinmann oder Schnorrenberg statt. Im Anschluss an die bestandene Gesellenprüfung können die Fachkräfte eine Weiterbildung zum Meister absolvieren oder sich spezialisieren, etwa in den Bereichen Werkstoff- oder Elektrotechnik. Weiterführende Informationen: www.bbraun.de, www.weinmann-emergency.com, www.schnorrenberg-gmbh.de.

Wellness für die Füße

Podologen kümmern sich um die Gesundheit und Pflege der Füße. (Foto: imago images/Panthermedia)

Obwohl sie im Vergleich zum restlichen Körper recht klein sind, vollbringen sie doch eine große Leistung: Die Füße tragen den Menschen durchs Leben. 5200 Schritte legt jeder Deutsche pro Tag durchschnittlich zurück, heißt es in einer Studie der Universität Stanford von 2017. Um die Gesundheit und Pflege der Füße kümmern sich Podologen. Die medizinischen Fußpfleger empfangen Patienten aller Altersklassen, um Krankheiten vorzubeugen, Schmerzen zu lindern und kleinere Verletzungen zu heilen. "Das Ziel ist, sie von akuten Fußproblemen zu befreien und vor eventuellen Folgeschäden zu schützen", sagt Volker Pfersich vom Verband Deutscher Podologen.

Dazu gehören die Untersuchung des Fußskeletts und des Nagelbetts, aber auch das Entfernen von Warzen und das Abtragen von Hornhaut. Die Ausbildung kann entweder in Vollzeit binnen zweier Jahre oder berufsbegleitend in drei bis vier Jahren absolviert werden. Der Verband bietet eine Übersicht über alle staatlich anerkannten Ausbildungsstätten für Podologie wie die Hippokrates-Schule in Darmstadt oder die Henriette-Goldschmidt-Schule in Leipzig. Informationen zu diesem Beruf: www.verband-deutscher-podologen.de, www.hippokratesschule.de, www.goldschmidtschule-leipzig.de.

Coach für die Ernährung

Was ist gesund? Worauf sollte man besser verzichten? Um Experte beim Thema Essen und Trinken zu werden, kann man studieren oder eine Ausbildung machen. (Foto: imago images / Panthermedia)

Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lebensmittelunverträglichkeiten - es gibt verschiedene gesundheitliche Gründe, weshalb Menschen ihre Ernährung umstellen. Bei diesem Prozess spielt die Unterstützung von Diätassistenten eine wichtige Rolle. Gemeinsam mit den Patienten erstellen die Experten Ernährungspläne und Therapiekonzepte, wobei sie ärztliche Verordnungen umsetzen. Sie messen den Body-Mass-Index (BMI), errechnen den Energiebedarf und ermitteln, wie viel Fett, Eiweiß und Cholesterin der Patient bestenfalls zu sich nehmen sollte.

Aus welchen Inhaltsstoffen bestehen Brötchen, Tomaten und Nudeln? Wie koche ich mit weniger Salz? Und wie wirken Stoffe wie Histamin auf den Körper? In Berufsfachschulen, die wie in Würzburg und Ulm meist an Universitätskliniken angeschlossen sind, gehen die angehenden Diätassistenten diesen Fragen nach. Zudem lernen sie in Großküchen, ausgewogen und gesund zu kochen. Nach der dreijährigen Ausbildung begleiten sie Patienten in Krankenhäusern, Beratungsstellen oder ärztlichen Praxen. Mit einer Fortbildung zum Ernährungsberater, zur Verpflegungsmanagerin oder einem Studium im Fach Diätetik können die Ernährungsexperten an die Ausbildung anknüpfen. Näheres unter www.ukw.de, www.akademie.uniklinik-ulm.de.

Auf der Jagd nach Keimen

Obgleich man das vermuten könnte, besteht ihre Arbeitskleidung weder aus einem weißen Schutzanzug noch tragen sie täglich Handschuhe oder halten sich in sterilen Räumen auf. Fachkräfte für Hygieneüberwachung tragen meist Alltagskleidung und sind in Sachen Gesundheit überwiegend an öffentlichen Plätzen oder in öffentlichen Einrichtungen unterwegs. Als Angestellte beim Gesundheitsamt oder im Krankenhaus kontrollieren sie, ob die hygienischen Vorschriften in Kindergärten, Hallenbädern und Pflegeheimen eingehalten werden. Wie hoch ist der pH-Wert des Wassers? Wird es regelmäßig ausgetauscht? Und welche Keime befinden sich auf den Lichtschaltern?

Um diese Fragen beantworten zu können, führen diese Gesundheitsexperten bei ihren Rundgängen Protokoll, entnehmen Proben und werten die Messergebnisse im Labor aus. Dabei sind Sorgfalt und Fachwissen im Bereich der medizinischen Mikrobiologie sowie in der Hygiene- und Arzneimittellehre gefragt. Zu den Inhalten der dreijährigen Ausbildung gehören außerdem Themen wie Infektionsschutz und Gesetzeskunde. Im Gegensatz zur Weiterbildung zur Hygienefachkraft wird sie nur an wenigen Ausbildungsstätten in Deutschland angeboten, die berufsbildende Schule für Gesundheit, Soziales und Sozialpädagogik in Gera ist eine davon ( www.sbsgesuso-gera.de).

Ergonomie am Arbeitsplatz

Damit Arbeitnehmer von Berufskrankheiten wie Rückenschmerzen, Schwerhörigkeit oder Atembeschwerden möglichst verschont bleiben, sorgen Arbeitsmedizinische Assistenten dafür, dass der Arbeitsplatz ergonomisch gestaltet und sicher ist. Sie kümmern sich um die Gesundheit der Mitarbeiter in Betrieben aller Art. Dazu organisieren sie Erste-Hilfe-Schulungen, informieren über Gefahrenstoffe und beraten bei Fragen zur Unfallverhütung, zum Gesundheitsschutz oder zur Suchtprävention. Zudem unterstützen sie Betriebsärztinnen bei Blutentnahmen sowie bei Hör- und Sehtests.

Der Weiterbildungsberuf baut auf einer abgeschlossenen Ausbildung als medizinische Fachangestellte oder Arzthelfer auf. Schwerpunkte der Fortbildung sind Erstversorgung, Rehabilitation und Gesundheitsaufklärung, doch auch Betriebshygiene und Toxikologie sind Teil des Curriculums. Der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte bietet die Weiterbildung zum Arbeitsmedizinischen Assistenten in neun Bundesländern an, und die Bundesärztekammer gibt wiederum einen Überblick über die konkreten Inhalte des berufsbegleitenden Lehrgangs. Informationen: www.vdbw.de, www.fortbildung-mfa.de.

Mit Kunst und Musik heilen

Kunsttherapeuten nähern sich den Patienten über das Werken oder Malen. Wie hier in einem Stuttgarter Hospiz. (Foto: picture alliance / dpa)

"Beim achtsamen Malen spürt man immer wieder in sich hinein", sagt Vanessa Sharma vom Berufsverband für anthroposophische Kunsttherapie (BVAKT). "Daher ist Kunst eine kreative Möglichkeit, sich mit sich selbst zu verbinden." Die freiberufliche Kunsttherapeutin unterstützt Menschen mit körperlichen oder mentalen Krankheiten dabei, sich auf schöpferische Weise mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Der freie Umgang mit Farbe und Pinsel, Ton, Tusche oder Tinte soll Kindern wie Erwachsenen helfen, den Heilungsprozess selbst anzustoßen, so Sharma. "Etwas mit den Händen zu erschaffen, sagt viel über die eigenen Fähigkeiten aus und erzeugt Selbstbewusstsein."

Neben Malerei und Bildhauerei setzen Kunsttherapeuten auch auf Musik, Sprache und Gesang. Daher ist die berufsbegleitende Weiterbildung besonders für Pfleger, Psychotherapeutinnen und Sozialpädagogen mit einer kreativen Ader geeignet. Angeboten wird die ein- bis zweijährige Schulung zum Kunsttherapeuten unter anderem vom Deutschen Institut für Entspannungstechniken und Kommunikation in Braunschweig sowie der Kölner Schule für Kunsttherapie. An der LKT-Schule mit Sitz in Rees am Rhein können Interessierte zudem an Schnupperworkshops teilnehmen. Näheres zum Berufsbild unter www.anthroposophische-kunsttherapie.de, www.iek-braunschweig.de, www.koelnerschule.de, www.lkt-schule.de.

© SZ vom 12.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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