Freundschaftsdienste:Freunde sind oft miese Kunden

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Freundschaftsdienste: Freunde meinen oft, sie müssten Freiberufler nicht bezahlen und sehen nicht, wie viel Arbeit sie ihnen machen.

Freunde meinen oft, sie müssten Freiberufler nicht bezahlen und sehen nicht, wie viel Arbeit sie ihnen machen.

(Foto: Brad Neathery/Unsplash.com; Collage Jessy Asmus)

Mal schnell ein paar Fotos, eine neue Frisur oder eine Rechtsberatung: Wer günstig vom Job eines Bekannten profitieren möchte, bringt die Freundschaft in Gefahr - und noch mehr.

Von Larissa Holzki

Wenn im Bekanntenkreis eine Hochzeit ansteht, wird Elisabeth Kindler eingeladen. "Du bringst doch deine Kamera mit?", fragt das Brautpaar sie dann. Elisabeth Kindler ist bekannt dafür, dass sie in Fotos festhalten kann, wie sich die Braut vor der Trauung letztmalig im Spiegel ansieht und ihr zukünftiger Ehemann sich nervös an der Krawatte zupft. Für eine zwölfstündige Reportage zahlen Kunden ihr fast 2000 Euro. Auch von den alten Schulkameraden müsse sie Geld bekommen, wenn sie fotografieren soll, sagt sie ihnen. Die Bekannten verstehen das meist nicht: "Aber du bist doch zum Essen eingeladen?"

Unter Freunden hilft man sich. Doch die Regel kann zum Problem werden, wenn eine Tätigkeit gefragt ist, mit der die Nachbarin oder der Kollege aus dem Schulelternrat sich den Lebensunterhalt verdient. Im schlimmsten Fall gefährden solche Freundschaftsdienste dann nicht nur die Freundschaft, sondern gar die Existenz. Vor allem junge Künstler, aber auch Architekten, Berater, Programmierer, Friseure und andere Handwerker, die sich selbstständig machen, müssen das lernen. Ihre Wut und Enttäuschung kann man auf diversen Blogs und in Foreneinträgen nachlesen.

Früher hat Elisabeth Kindler ihre Kamera oft mitgebracht. "Man will den Leuten ja nicht vor den Kopf stoßen", sagt die Fotografin. Tatsächlich sind Solo-Selbstständige am Anfang häufig auf Kleinstaufträge aus dem Bekanntenkreis angewiesen, um sich überhaupt erst mal einen Namen zu machen. Auch die Frage nach Sonderkonditionen seien oft als Angebot einer Win-win-Situation gedacht gewesen, sagt Kindler: "Wir haben viele junge Gäste eingeladen, wenn die dich sehen, buchen sie dich vielleicht!" Als Studentin hat sie das gerne glauben wollen.

Folgeaufträge ergeben sich nach Freundschaftsdiensten jedoch nur selten. Sven Geske weiß das aus eigener Erfahrung. Als Illustrator entwirft er Maskottchen - und kann natürlich Einladungskarten, Liederhefte und Fotobücher gestalten. "Das könnte funktionieren, wenn der Kunde ein richtig großes Tier, ein großer Verlag wäre." Meistens kämen entsprechende Anfragen aber von Privatleuten oder Kleinbetrieben. "Wie soll ich Kunden gewinnen, wenn mein Bild in einem Wohnzimmer hängt oder in einer Provinzbäckerei, wo niemand Brötchen kauft, der mir einen relevanten Auftrag geben könnte?"

Umzugshilfe und Steuerprüfung sind nicht vergleichbar

Elisabeth Kindler trifft zwar auf jeder Hochzeit Gäste, die sie gerne selbst engagieren würden. Und trotzdem profitiert sie bei Freundschaftsdiensten kaum davon. "Wenn die hören, die Fotografin ist eine Freundin, die macht uns für eine Aufwandsentschädigung professionelle Fotos, dann erwarten sie als Freunde von Freunden auch einen super günstigen Preis", sagt Kindler. Tatsächlich erwarten flüchtige Bekannte sogar häufiger Rabatte als enge Freunde und Verwandte.

Aufträge aus dem Bekanntenkreis sind auf dieser Basis kein Geschäftsmodell und hindern Selbstständige sogar daran, sich zu etablieren. Die Zeit, in der sie für Freunde arbeiten, wäre in echte Werbemaßnahmen und bezahlte Aufträge besser investiert. Denn was oft übersehen wird: Freundschaftsdienste sind keine Freizeit, auch nicht wenn der Betroffene sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Ein Freundschaftsdienst in der Berufstätigkeit zögert den Feierabend hinaus. Das ist etwas grundlegend anderes, als nach der Arbeit die Kinder des Nachbarn ins Bett zu bringen oder am Wochenende für den Fußballkumpel Umzugskisten zu schleppen.

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