Frauenförderung in der EU:Neun Länder wollen Frauenquote blockieren

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Die geplante Frauenquote auf EU-Ebene steht vor dem Scheitern: Großbritannien, die Niederlande und sieben weitere Staaten wollen gesetzliche Vorgaben der Kommission verhindern. Doch Justizkommissarin Reding gibt sich kämpferisch.

Cerstin Gammelin

Jetzt ist der Widerstand gegen eine verbindliche europäische Frauenquote amtlich. Großbritannien, die Niederlande und sieben weitere Staaten haben schriftlich ihr Veto in Brüssel eingelegt. In einem an EU-Kommissionschef José Manuel Barroso und seine Vizechefin Viviane Reding gerichteten Brief vom 14. September 2012 verbitten sich die neun Staaten klipp und klar jede Einmischung der Europäischen Kommission in ihre heimischen Programme zur Frauenförderung.

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Jegliche Ziele, die dazu dienten, mehr Frauen in Spitzenjobs zu bringen, müssten "national beschlossen und umgesetzt werden", heißt es in dem Brief. Und deshalb lehnten die Staaten die geplanten "gesetzlich verbindlichen Maßnahmen für Frauen in Aufsichtsräten auf europäischer Ebene ab".

Der Brief ist deshalb so brisant, weil die neun Staaten - neben Großbritannien und Dänemark Bulgarien, Tschechien, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland und Malta - über ausreichend Stimmen verfügen, das Vorhaben von Justizkommissarin Reding sowie der für Arbeit und Binnenmarkt zuständigen Kommissare, erstmals eine europäische Frauenquote gesetzlich verbindlich vorzuschreiben, zu blockieren und scheitern zu lassen. Für eine Blockade sind mindestens 91 Stimmen nötig. Die Länder verfügen über 97 Stimmen.

Reding will verbindlich vorschreiben, dass Aufsichtsräte öffentlich bestellter Unternehmen bis 2020 mindestens einen Anteil von dreißig Prozent des bisher unterrepräsentierten Geschlechts haben müssen. Und weil das in der Praxis meist Frauen sind, läuft der Vorschlag de facto auf eine Frauenquote hinaus. Unternehmen mit staatlicher Beteiligung sollen die Quote bereits 2018 einführen. Betriebe, welche die Auflagen nicht erfüllen, werden sanktioniert. Ausdrücklich ausgenommen hat Reding Familienunternehmen. Die Quote ist nur für Firmen verbindlich, die mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen und mehr als 50 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften.

Der Gesetzesvorschlag wird derzeit innerhalb der EU-Kommission vorgestellt und sollte im Herbst offiziell vorgelegt werden. Deutschland hat zwar den Brief nach Brüssel nicht unterschrieben. Allerdings haben sich Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Familienministerin Kristina Schröder (CDU) in einem Schreiben an den britischen Arbeitsminister Vince Cable ebenfalls gegen eine rechtlich bindende Frauenquote ausgesprochen. "Wir begrüßen und unterstützen (. . .) ausdrücklich die Initiative Großbritanniens", gegenüber der EU-Kommission noch einmal die Gründe für die Ablehnung der Quote darzulegen, heißt es darin. Diese sei nicht der richtige Weg.

Justizkommissarin Reding werde den Vorschlag dennoch vorlegen, hieß es am Montag in Brüssel. Die konservative Politikerin aus Luxemburg sei als Kämpferin bekannt, wie auch dafür, dass sie sehr harten Widerstand brechen kann. Vor einigen Jahren, als Reding noch für Telekommunikation zuständig war, habe sie beispielsweise die Verordnung zur Begrenzung der Roaming-Gebühren durchgesetzt. Damals hatten 17 Staaten und die Kommissare aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden den Vorschlag verhindern wollen, später sei er einstimmig beschlossen worden. Reding setzt nun auf das Europäische Parlament.

"Gott sei Dank werden Europäische Gesetze nicht hinter verschlossenen Türen von neun Männern in dunklen Anzügen gemacht, sondern in einem demokratischen Prozess mit einem demokratisch gewähltem Europaparlament, das gemeinsam mit dem Ministerrat auf gleicher Augenhöhe entscheidet", sagte Reding der Süddeutschen Zeitung. Tatsächlich ist es so, dass der Gesetzesvorschlag, so er vorgelegt ist, auch im EU-Parlament beraten wird. Die Volksvertreter sind in dem Verfahren mit entscheidungsberechtigt.

Die Abgeordneten kämpfen schon auf anderer Ebene derzeit für mehr Frauen in Spitzenjobs, beispielsweise in der Europäischen Zentralbank. Der Wirtschaftsausschuss hat vergangene Woche die Anhörung des Kandidaten für den sechsten Posten im Direktorium der Notenbank abgesetzt - sie wollen erreichen, dass neben dem Luxemburger Notenbank-Chef Yves Mersch eine weibliche Kandidatin angehört wird. Die neun Länder versuchen nun, vorab so viel Widerstand zu organisieren, dass Reding das Gesetz gar nicht erst vorlegt. Im Gegenzug versprechen sie in dem Brief, national Wege zu suchen, um Frauen zu fördern. "Viele von uns denken darüber nach oder haben schon freiwillige, und wo nötig, auch gesetzliche Maßnahmen ergriffen, um Frauen in Spitzenpositionen zu bringen", schreiben sie. Diesen Anstrengungen müsse zunächst "mehr Zeit eingeräumt werden".

© SZ vom 18.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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