Uche Akpulu, 44 Jahre
"Wie ein ganz normaler Mensch zu leben, war mein Ziel, als ich im Jahr 2003 als Flüchtling nach Deutschland kam. Zu solch einem normalen Leben gehört für mich auch dazu, arbeiten zu dürfen. Ich komme aus Nigeria und habe dort an der Universität meinen Masterabschluss in Biochemie gemacht. In meiner Heimat war ich etwa zehn Jahre als Umweltberater in verschiedenen Ingenieurbüros tätig.
Natürlich hätte ich gerne gleich gearbeitet oder mich an der Uni weitergebildet. Aber beides war nicht möglich, ich hatte nicht das Gefühl, dass sich die Behörden für meine Qualifikation interessierten. Als ich in München damals meinen Asylantrag stellte, erfuhr ich, dass ich erst nach einem Jahr eine Arbeitserlaubnis erhalten würde. Das war ein Schock für mich, ich kam mir unerwünscht vor. Die deutsche Sprache lernte ich dann aber doch - bei einer Rentnerin, die mich und andere Flüchtlinge ganze zwei Jahre lang zweimal pro Woche ehrenamtlich unterrichtete.
Meinen ersten Job in Deutschland hatte ich etwa ein Jahr nach meiner Ankunft als Spüler in einem Altenheim. Vier Jahre nachdem ich meinem Asylantrag gestellt hatte, wurde ich schließlich anerkannt. Ich bekam ein Stipendium und machte an der Hochschule Nordhausen in Thüringen ein Ergänzungsstudium in Umwelttechnik. Danach habe ich mich beworben, beworben, immer wieder. Auf mehr als 200 Bewerbungen erhielt ich nur Absagen, nur ein einziges Mal wurde ich überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Diese Zeit habe ich in schlimmer Erinnerung, am freien Markt hatte ich keine Chance.
Arbeit für Flüchtlinge:Sie wollen, dürfen aber nicht
Die Unternehmen brauchen Flüchtlinge - und die würden gerne arbeiten. Doch beiden wird es sehr schwer gemacht.
Was mir letztendlich zugutekam, war mein Engagement in verschiedenen Vereinen. Ich unterstützte zum Beispiel auch den Bayerischen Flüchtlingsrat und knüpfte dadurch viele Kontakte. Als vor fünf Jahren eine Stelle beim Flüchtlingsrat frei wurde, klappte das. Heute berate ich dort unter anderem Flüchtlinge und halte Vorträge zur aktuellen Flüchtlingspolitik. Es gibt heute immerhin schon mehr ehrenamtliche Projekte als vor zehn Jahren, die Geflohenen bei der Arbeitssuche helfen, aber es ist noch immer viel zu tun. Für mich ist es ein schönes Gefühl, ein Teil davon zu sein. Ich habe meine Berufung gefunden und hoffe, dass ich wiederum Flüchtlingen dabei helfen kann, hier eine Arbeit zu finden - im Gegensatz zu mir auch in den Berufen, die sie in ihrem Heimatland gelernt haben."
Misagh Doroudgar, 33 Jahre
"Ich musste mein Heimatland Iran vor vier Jahren verlassen, weil ich politische Probleme hatte. In Deutschland habe ich schnell gemerkt, dass es ziemlich hart ist, in einem fremden Land ein komplett neues Leben anzufangen. Ich habe gleich versucht, die Sprache zu lernen. Denn mir war klar: Das ist der Schlüssel für meine Zukunft. Außerdem habe ich sofort meine iranischen Zeugnisse übersetzen lassen, vor allem mein Ingenieurs-Diplom. Ich bin Elektronik-Ingenieur, habe in Iran allerdings nur kurz in diesem Bereich arbeiten können, bevor ich fliehen musste und schließlich in Friedrichshafen am Bodensee landete.
Dort habe ich zufällig den Geschäftsleiter meiner jetzigen Firma kennengelernt und er hat einfach gesagt: "Kommen Sie doch am Montag vorbei!" Nach einer kurzen Probearbeit hat er mich eingestellt - obwohl ich bis zu diesem Zeitpunkt nur für kurze Zeit einen Deutschkurs besuchen hatte und sich mein Asylverfahren und die damit verbundenen Gerichtsprozesse drei Jahre lang hingezogen haben. Nun arbeite ich noch immer für die ZIM Flugsitz, eine Firma, die Flugzeugsitze für Kunden in der ganzen Welt entwickelt - was mir ziemlich zugute kommt, weil mir Englisch immer noch etwas leichter fällt als die deutsche Sprache. Ich bin stolz, hier zu arbeiten, und wohl fühle ich mich auch. Anfang des Jahres habe ich geheiratet."
Olaleye Akintola, 33 Jahre
"Ich bin Journalist, aber in meiner Heimat Nigeria war ich nicht frei - weder als Journalist noch als Mensch. Die Medien dort werden von der Regierung extrem beeinflusst. Es ist frustrierend, in so einem Umfeld zu arbeiten. Seit Anfang 2015 bin ich nun in Deutschland, zunächst war ich in Nordrhein-Westfalen untergebracht. Seit einigen Monaten lebe ich in Ebersberg, in der Nähe von München.
Eigentlich ist es eine gute Nachricht, dass man sich inzwischen als Flüchtling auf Jobs bewerben darf, sobald man drei Monate im Land ist. Aber wie soll man arbeiten, ohne die Sprache zu sprechen? Es gibt für uns Asylbewerber gerade nur zweimal pro Woche einen Deutschkurs, der von Freiwilligen organisiert wird. Das reicht nicht, um die Sprache in kurzer Zeit gut zu lernen. Deutschland hat gerade eine große Aufgabe zu bewältigen und ich weiß zu schätzen, was das Land für uns tut. Trotzdem gibt es viel zu verbessern: Ich habe nicht das Gefühl, dass der Staat ein Interesse daran hat, mich zu qualifizieren. Mit Behörden und Sozialarbeitern habe ich bereits besprochen, wie es bei mir beruflich weitergehen soll. Bisher blieb das aber ohne Ergebnis.
Mein Wunsch wäre es noch mehr darüber zu lernen, wie Journalismus in Entwicklungsländern funktioniert und wie man ihn verbessern kann. Ich habe ursprünglich Kommunikationswissenschaft studiert und viel Erfahrung als Journalist, die ich gerne irgendwo einbringen würde. Ich hoffe weiterhin, in Zukunft wieder arbeiten zu dürfen, am liebsten als Auslandskorrespondent in einem afrikanischen Land."
Abel Haile, 30 Jahre
"Ich habe Anfang August meine Lehre begonnen, und das ist ein tolles Gefühl. Denn nun fange ich an, mich als ein Mensch zu fühlen. Lange habe ich immer nur gehört, was ich als Flüchtling alles nicht darf. Jetzt kann ich endlich selbständig leben und verdiene mein eigenes Geld. Ich lerne Elektroniker für Kommunikations- und Informationstechnik bei Kubus in Bochum, einer kleinen Firma mit unglaublich netten Menschen, die Rauchabzugsanlagen einrichten und warten.
Flüchtlinge in Deutschland:So können Sie helfen
Geld spenden, gemeinsam kochen - oder lieber Deutsch unterrichten? Wer Asylsuchende unterstützen möchte, hat viele Möglichkeiten. Aber nicht alles ist hilfreich.
Ich habe mit zwölf meine Eltern verloren, wir waren als Flüchtlinge aus Eritrea in Äthiopien, aber dort wirklich nicht willkommen. Ich habe mit meinem älteren Bruder auf der Straße gelebt. Er hat mir Englisch und Mathe beigebracht. Dann hat er gesagt: Du musst weg hier. So bin ich nach Deutschland gekommen. In sechs Monaten habe ich Deutsch gelernt, war dann auf einer Musikschule, habe dann gemerkt: Ich will lieber auf eine richtige Schule. Eine deutsche Familie hat mich aufgenommen und ich habe den Realschulabschluss gemacht.
An die Lehrstelle bin ich über die Handwerkskammer gekommen. Die Berater haben mir Vorstellung und Probearbeit vermittelt. Mehr als vier Jahre bin ich jetzt hier, anerkannt als Flüchtling bin ich noch nicht. Die Klage läuft noch, aber ich bin zuversichtlich. Meinen Bruder habe ich seit der Flucht nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt."
Zahra, 19 Jahre
"Wenn man in einem neuen Land lebt und sich nicht verständigen kann, dann kommt man sich vor wie ein Depp. Ich war 16, als ich vor knapp vier Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam. Unsere Flüchtlingsunterkunft lag ziemlich weit draußen und anfangs gab es keine Möglichkeit für mich, einen Deutschkurs zu machen. Man konnte nur warten, es war frustrierend. Nach einigen Monaten konnte ich dann doch die Sprache lernen. Weil mein Deutsch noch nicht so gut war, sollte ich auf die Hauptschule gehen, hieß es. Doch ich wollte unbedingt auf die Realschule, denn ich wusste, dass ich das schaffen kann. Nach einiger Überzeugungsarbeit durfte ich auf die Realschule - als sogenannte Gastschülerin. Im Gegensatz zu den Regelschülern bekam ich zum Beispiel den Bus nicht bezahlt, die Fahrkarten haben mir ehrenamtliche Sponsoren finanziert.
Ich habe die achte und die neunte Klasse geschafft, zwar mit einer Fünf in Deutsch - aber das hat gereicht. Einige Lehrer an der Realschule haben immer an mich geglaubt und mich unterstützt. Andere gaben mir das Gefühl, dass ich es sowieso nicht schaffen kann. Meine Deutschlehrerin habe ich oft nicht verstanden, weil sie Bayerisch gesprochen hat. Sie meinte, wenn ich sie nicht verstehe, dann sei ich nicht geeignet für die Realschule. Ich dachte mir, warte nur ab, irgendwann werde ich dir zeigen, was ich kann. Ich schaffte die Mittlere Reife. Inzwischen gehe ich auf die Fachoberschule, nächstes Jahr mache ich mein Abitur und will danach an der Universität studieren. Ich bin froh, dass ich hartnäckig geblieben bin."
Mahfoud, 28 Jahre
Als Friseur redet man viel mit seinen Kunden. Für mich ist das ideal, mein Deutsch hat sich sehr verbessert, seit ich im Salon arbeite. Ich bin vor knapp drei Jahren vom Krieg in Syrien nach Deutschland geflohen. In meiner Heimat habe ich in den verschiedensten Berufen gearbeitet, als Automechaniker, als Schweißer und in der Landwirtschaft. Als ich in Deutschland ankam, brachte mir ein Cousin das Friseurhandwerk bei. Durch Zufall kam ich in Freising mit einer Friseurin ins Gespräch, die für ihren Laden noch einen neuen Mitarbeiter gesucht hat. Ich habe ein paar Tage Probe gearbeitet und die Chefin war mit mir zufrieden. Jetzt arbeite ich 20 Stunden pro Woche im Salon und mache ab September noch parallel einen Integrationskurs.
Hosein, 22 Jahre
Fünfmal pro Woche um halb zwei Uhr morgens aufzustehen, das klingt schon erst mal ziemlich anstrengend. Aber mittlerweile habe ich mich gut daran gewöhnt. Ich bin Bäckerlehrling im dritten Lehrjahr. Eigentlich komme ich aus Afghanistan, mittlerweile lebe ich seit fast vier Jahren in Deutschland. Als es darum ging, einen Ausbildungsplatz zu finden, half mir Reinhard Kastorff, der in Moosburg ehrenamtlich Arbeit für Flüchtlinge vermittelt. Er machte sich dafür stark, dass ich in der Bäckerei ein Praktikum machen durfte. Eigentlich war zum damaligen Zeitpunkt für uns nämlich nur eine Hospitanz in Betrieben erlaubt. Das hätte dann bedeutet, dass ich nur dem Bäcker über die Schulter schauen, nicht aber selbst den Teig kneten darf. Das macht ja nicht viel Sinn. Nach ein paar Tagen Praktikum bot mir der Bäcker eine Lehrstelle an. Mein Traum ist es, irgendwann mal mit meiner Freundin unsere eigene Bäckerei aufzumachen. Sie ist nämlich Konditorin.
Nezhada, 14 Jahre
Ich bin vor knapp vier Jahren mit meiner Familie aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Damals war ich zehn Jahre alt - das ist genau das Alter, in dem man in Bayern von der Grundschule auf eine weiterführende Schule wechselt. Weil ich am Anfang natürlich kein Deutsch konnte, habe ich die vierte Klasse wiederholt. Vormittags war ich in der Schule, nachmittags besuchte ich Deutschkurse. Es war eine anstrengende Zeit, denn damals lebten wir noch in einer großen Flüchtlingsunterkunft, wo man sich beim Lernen nur schwer konzentrieren konnte. Aber ich hatte den Vorteil, dass ich noch so jung war, als ich nach Deutschland kam. Dadurch habe ich die Sprache schnell gelernt und wechselte nach der vierten Klasse direkt aufs Gymnasium. Ich war das erste Flüchtlingskind am Moosburger Gymnasium und bin immer noch das einzige, soweit ich weiß. Im September komme ich in die achte Klasse. Meine besten Fächer sind Sport, Musik und Kunst, aber mit meiner Drei in Deutsch bin ich auch ganz zufrieden.
Amir, 21 Jahre
Ich komme ursprünglich aus Afghanistan, bin aber in Iran aufgewachsen. Vor ungefähr vier Jahren kam ich als Flüchtling nach Deutschland. Ein Arzt aus München, der sich für Flüchtlinge einsetzt, finanzierte mir einen Deutschkurs an einer privaten Sprachschule in Landshut. Mit dem Fahrrad, Zug und Bus fuhr ich dort jeden Tag hin, die Kosten für die Fahrkarten haben andere Sponsoren übernommen. Einen Sprachkurs vom Staat hätte ich erst viel später bekommen. An der Berufsschule in Freising habe ich anschließend meinen Hauptschulabschluss gemacht. Inzwischen mache ich eine Ausbildung als Fachmann für Systemgastronomie in München. Bald komme ich ins zweite Lehrjahr. Die Arbeit gefällt mir gut. Mein Ziel ist es, in den kommenden Jahren noch meinen Betriebswirt an die Ausbildung dranzuhängen.
Naser, 16 Jahre
Ich mache meine Hausaufgaben, hatte in der Schule keine Fehltage und die Lehrer, vor allem die Lehrerinnen, mögen mich. Meine Klassenkameraden sagen, ich bin ein kleiner Streber. Ich bin 16 Jahre alt und kam Ende 2013 aus Afghanistan nach Deutschland. Allein, ohne meine Familie. Unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nennt sich das. Heute wohne ich bei der Familie Kastorff in Moosburg und habe gerade meinen Hauptschulabschluss gemacht. Ab September gehe ich wieder in die Schule, denn mein nächstes Ziel heißt Quali. Deutsch ist für mich das schwierigste Fach und auch in Mathe habe ich manchmal Probleme. Aber wenn ich ein Streber bleibe, dann wird das mit dem Quali schon klappen.