Europäische Kruzifix-Entscheidung:"Klassisches Fehlurteil"

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Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen das Kruzifix im Klassenzimmer stößt auch in Deutschland auf scharfe Kritik. Vor allem bei Unions-Politikern.

Das Straßburger Urteil gegen Kreuze in Klassenzimmern ist in vielerorts auf scharfe Kritik und Unverständnis gestoßen. Der familienpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), sprach von einem "klassischen Fehlurteil". Mit dem Verbot, Kreuzzeichen in italienschen Klassenzimmern anzubringen, kassiere der Menschengerichtshof seine eigenen Grundlagen.

Das Kruzifix im Klassenzimmer verstößt gegen die Menschenrechte, so hat der Europäische Gerichtshof entschieden. CSU-Politiker sprechen von einem "klassischen Fehlurteil." (Foto: Foto: dpa)

Kreuzzeichen seien ein sichtbares Symbol einer klaren Werteorientierung, "nämlich dem Schutz der Würde aller Menschen, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts oder welchen religiösen Bekenntnisses". Die Richter hätten mit ihrem Urteil nach dem Empfinden vieler EU-Bürger nicht "im Namen des Volkes" gesprochen.

"Das Bekenntnis zum Atheismus darf nicht privilegiert und die christlichen Glaubensinhalte nicht diskriminiert werden", sagte Singhammer. Nach dem in Straßburg veröffentlichten Urteil verletzt ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer staatlichen italienischen Schule die Religionsfreiheit der Schüler.

1995 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ähnlich geurteilt und die Anordnung in der bayerischen Volksschulordnung zum Anbringen von Kreuzen als verfassungswidrig aufgehoben. Der Landtag beschloss daraufhin ein Gesetz, das auch nach dem Karlsruher Urteil Kreuze vorschreibt. Es enthält aber erstmals eine Regelung zum Umgang mit Konfliktfällen.

Überkonfessionelles Symbol

Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle bedauerte, dass das Straßburger Urteil vor allem die negative Religionsfreiheit in den Vordergrund stelle, sah für Bayern aber keine weiteren Konsequenzen: "In Bayern bleiben die Kruzifixe als überkonfessionelles Symbol für unser Wertesystem weiterhin hängen. Fühlt sich dadurch im Einzelfall jemand gestört, wird das untersucht und berücksichtigt. Das Kruzifix wird dann gegebenenfalls entfernt." In fünf Jahren sei dies weniger als 15 Mal vorgekommen. "Das Kruzifix im Klassenzimmer zu lassen, verstehe ich als Verfassungsauftrag", sagte Spaenle zu sueddeutsche.de

Europaministerin Emilia Müller (CSU) sagte: "Die Straßburger Richter erweisen dem Menschenrechtsgedanken mit ihrem Spruch einen Bärendienst". Das Kreuz stehe als Symbol für die Nächstenliebe und für die gemeinsamen europäischen Werte, die in einer langen Tradition gewachsen seien. "Das Kreuz in den Klassenzimmern drückt dieses gemeinsame Wertefundament aus", fügte sie hinzu.

Einmischung in ureigene Angelegenheiten

Mit Unverständnis reagierte auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt auf die Entscheidung aus Straßburg: "Unser gemeinsames Europa ist christlich geprägt. Deshalb haben auch unsere christlichen Symbole ihren Platz in der Öffentlichkeit." In Bayern herrsche "ein Gleichgewicht zwischen staatlicher Neutralität und unverzichtbarer christlicher Wertorientierung", sagte Dobrindt weiter.

Mit scharfer Kritik hat der Vatikan auf das Kruzifix-Urteil reagiert. Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte dazu, das Kruzifix sei ein elementares Zeichen für die Bedeutung der religiösen Werte in der italienischen Geschichte und Kultur. Er sprach dem Gerichtshof in Straßburg das Recht ab, sich in dieser Form in ureigenste italienische Angelegenheiten einzumischen. Anscheinend wolle das Gericht die Rolle, die das Christentum in der Identität Europas spiele, außer acht lassen.

Finanzielle Entschädigung

Mit seiner Entscheidung gab das europäische Gericht der Beschwerde einer Mutter zweier Kinder statt, die zuvor vor dem italienischen Verfassungsgericht gescheitert war. Die Regierung in Rom wurde zur Zahlung einer Entschädigung von 5000 Euro verurteilt. Das Gericht forderte allerdings nicht die Entfernung sämtlicher Kruzifixe. Die Regierung kündigte an, in die Berufung zu gehen.

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