Frauenkleidung im Job:Mehr Beinfreiheit, bitte!

Illustration für Plan W

Wer sich im Job weiblich kleidet, sollte das ohne falsche Scham tun.

Im Job wird man als Frau nur im Hosenanzug oder Kostüm ernst genommen? Quatsch! Das entscheidende Detail ist das Auftreten.

Von Tanja Rest

Es waren wirklich feine Beine, an denen die Kamera emporschwenkte, sie steckten unten in hohen, aber nicht ordinär hohen Lackpumps und mündeten oben in einen kurzen, aber nicht superkurzen Rock. Die Beine waren die der liberalen Spitzenkandidatin Katja Suding beim Dreikönigstreffen der Hamburger FDP. Der Schwenk war der des Kameramanns der Tagesschau.

Es war alles in allem nicht der Weltuntergang, aber es reichte: Die politisch Korrekten überschlugen sich, auf Twitter rangelten die Empörten mit den über die Empörung Empörten, und der zuständige Chefredakteur Kai Gniffke schrieb, die Bilder hätten keinesfalls gesendet werden dürfen: "Und das nicht, weil feministische Gäule mit mir durchgehen, sondern schlicht deshalb, weil diese Einstellung dazu angetan ist, einen Teil unserer Zuschauerinnen und Zuschauer zu beleidigen."

Dieser Artikel ist aus Plan W, dem neuen Magazin der Süddeutschen Zeitung.

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Wären die feministischen Gäule tatsächlich mit Gniffke durchgegangen, hätte er sich vielleicht auch noch dafür entschuldigen müssen, seit 1977 bereits der siebte Mann in Folge auf dem Chefsessel von ARD-aktuell zu sein. Davon abgesehen diente der eher putzige Skandal dem alleinigen Beweiszweck, dass sie alle - die Kamera, Gniffke, Twitter, die beleidigten Zuschauerinnen und Zuschauer der ARD; die feministischen Gäule - noch nicht bereit sind für die dreifach heikle Suding-Problematik: eine Frau in exponierter Position, die gut aussieht, gut angezogen ist und sich nicht dafür schämt.

Eine seltsam deutsche Problematik übrigens. Die USA haben Michelle Obama: notorisch nackte Oberarme, die aus Kleidern amerikanischer Designer-Hotshots hervorlugen. Frankreich hat IWF-Chefin Christine Lagarde: Bikerjacke zum Chanel-Kostüm. Das Silicon Valley hat Marissa Mayer: fiel schon in ihrer Frühphase bei Google mit Kostümen von Carolina Herrera und Oscar de la Renta auf. Keine dieser Ladys und nur wenige ihrer Landsleute kämen überhaupt auf den Gedanken, dass ein Kameraschwenk über ihr geschmackvolles Äußeres sexistisch sein könnte. Womöglich käme ein Kameramann auch gar nicht erst auf die Idee, den Schwenk zu machen. Weil gut gekleidete Frauen anderswo normal sind, jedenfalls normaler als bei uns. Gutes Aussehen sieht in Deutschland ja immer noch ganz schnell unseriös aus.

Die Rede ist hier nicht von goldenen Riemchensandaletten zum Mini und Paillettentop, und damit dann geil ins Meeting gestöckelt. Die Rede ist von femininer, nicht uniformer Kleidung. Wenn man sich deutsche Politikerinnen, Unternehmerinnen, Wirtschaftsfrauen anschaut, dann ist sehr vielen ihr Aussehen entweder wurscht (was total okay ist) oder sie glauben, auch noch mit textilen Mitteln darüber hinwegtäuschen zu müssen, dass sie keine Männer sind; sprich: Hosenanzug, Hemdbluse, winziger oder gar kein Absatz. Soll keiner sagen, man habe es mit etwas anderem als Leistung geschafft.

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