Burn-out:Wenn Gründer sich kaputtarbeiten

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Burn-out ist ein Tabuthema in der Gründerszene, deshalb spricht kaum jemand öffentlich darüber. (Foto: Victoria Bonn-Meuser/dpa)

Sie verdienen plötzlich viel Geld und fühlen sich unschlagbar: Gerade deswegen ist die Gefahr eines Burn-outs bei Gründern besonders hoch.

Von Sophie Burfeind

Eines Morgens klingelt der Wecker und Cem Aydin ist plötzlich sehr müde, zu müde für alles. Er fährt ins Büro, weiß nicht mehr, was er dort soll, fährt wieder nach Hause, weiß nicht mehr, wo er wohnt, bindet sich ein Tuch um den Kopf, damit der nicht platzt. Er, der nie weint, kann nicht mehr aufhören zu weinen. Bis vor sechs Jahren war Aydin, 40, ein erfolgreicher Gründer, eigene Firma, eine Million Umsatz pro Jahr, es lief gut, ein bisschen zu gut vielleicht. Er hat es nicht kommen sehen.

Ein Start-up zu gründen, das klingt immer nach: sich selbst verwirklichen, dabei die Welt verändern, viel Geld verdienen, anders sein als die anderen und vor allem schneller. Gründer sein, das klingt cooler, als Mitarbeiter sein. "Work hard, play hard" lautet das Lebensmotto in der Szene, und auch das lässt ja an ziemlich abgebrühte und nicht an ziemlich gestresste Typen denken. Und zur Not kann der "24/7"-erreichbare Gründer den Stress zwischen Pitches und Finanzierungsrunden ja einfach an seinem Kicker wegkickern. Oder nicht?

Es ist noch gar nicht so lange her, als der Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer bei einem Auftritt in Berlin sagte: "Diese Burn-out-Sache ist nichts für mich." Burn-out? Keine Zeit dafür als Gründer! Mal langsam machen? Nur was für Loser!

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Burn-out ist ein Tabuthema in der Gründerszene, deshalb spricht kaum jemand öffentlich darüber. Auch Aydin möchte nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen. Dabei sind Gründer besonders gefährdet, einen chronischen Erschöpfungszustand zu erleiden. Eine Gründerin aus München sagt: "Kundendruck, Zeitdruck, Investorendruck, wenig Mitarbeiter, irgendwann kommt jeder an seine Grenzen." Nur zugeben will das keiner - damit es nicht gleich wieder vorbei ist mit Investoren und Kunden.

Wie viele Gründer von einem Burn-out betroffen sind, lässt sich nicht genau sagen, aber es gibt Hinweise, dass es nicht gerade wenige sein könnten: immer mehr Beiträge auf Gründerportalen - und die Erfahrungen von Miriam Goos.

Goos ist Neurologin aus Göttingen, 2011 hat sie eine Beratungsagentur zur Burnout-Prävention gegründet. Seit drei Jahren kommen immer mehr Gründer, sie glaubt, dass ein Drittel von ihnen gefährdet ist. Sie sagt: "Es gibt zwei Aspekte, warum Gründer besonders gefährdet sind, ein Burn-out zu erleiden. Weil sie selbstbestimmt sind und weil sie für ihre Idee brennen." Für sich genommen seien das zwei positive Aspekte, in Kombination aber gefährlich. "Wenn wir uns mit Begeisterung einer Sache widmen, schüttet das Gehirn Dopamin aus, was uns noch leistungsfähiger macht", sagt Goos. Viele gerieten dadurch schnell in eine Art Rauschzustand - der Erfolg mache süchtig und dafür werde immer härter gearbeitet.

"Wer noch dazu alles selbst bestimmen kann, fühlt sich wie beflügelt, fast übermenschlich. Dass er zu lange über seine Grenzen geht, nimmt er nicht mehr wahr." Schlafstörungen, ein Piepen im Ohr, ein zuckendes Augenlid - all das wird ignoriert. Irgendwann folgen dann vielleicht Koffeintabletten, Ritalin oder Drogen, die Achterbahn im Kopf hört nicht mehr auf, zu fahren.

Bis es nicht mehr geht. Weil der Gründer mit seiner Idee scheitert - was ja nicht selten passiert -, oder weil der Körper nicht mehr mitmacht. "Gründer fallen viel tiefer als Angestellte", sagt Goos, "für sie hängt alles von ihrem Unternehmen ab, sie sind fast eins mit ihm und so ist jeder Tiefschlag, jede Zurückweisung eine Zurückweisung an das eigene Selbst." Es gibt keinen schützenden Rahmen eines Unternehmens, das sie auffängt. Wenn es vorbei ist, ist es oft ganz vorbei. So war das auch bei Cem Aydin.

Er studiert Betriebswirtschaft in Kiel, 2003 gründet er eine Firma in Hamburg, Import-Export und E-Commerce. "Ich habe gleich abartig hohe Summen verdient und wir sind extrem schnell gewachsen", sagt er. Je schneller seine Firma wächst, desto länger bleibt er im Büro, er ist ja für alles verantwortlich, will alles perfekt machen. Fünf Jahre später sind es 20 Stunden pro Tag, Aydin kommt nachts um zwei nach Hause, legt sich ins Bett, um sechs klingelt der Wecker. Einen Tag Hamburg, den nächsten Shanghai.

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Als Aydin sich plötzlich nicht mehr zurechtfindet, aus Angst im Auto sitzen bleibt, dort wo er sicher ist, ruft seine Frau den Notarzt.

"Bei jedem Burn-out gibt es so einen Krisenmoment", sagt Aydin, "wenn der Körper streikt."

Er kümmert sich nicht mehr um seine Firma, aus Gewinnen werden Verluste. Drei Jahre lang macht er nichts, lebt wie ein Geist, dann fängt er wieder an zu arbeiten. Die Firma gibt es noch, nur viel kleiner, viel weniger Umsatz. "Wenn ich 40 Stunden die Woche arbeite, ist das schon viel und wenn es mir zu viel wird, gehe ich einfach nach Hause." Mir geht es gut, sagt er mehrfach, nur ans Telefon zum Beispiel gehe er immer noch nicht gern, so ein Zusammenbruch hinterlässt seine Spuren.

Eigentlich nervt es ihn, dass er immer wieder über dieses Thema sprechen muss, am Anfang tat er das noch unter seinem richtigen Namen. Jetzt hat er Angst um sein Geschäft. Seine Geschichte erzählen will er trotzdem, um zu warnen, denn er kennt viele Gründer, die er für gefährdet hält. "Die Erfolgreichen laufen immer schneller."

Zu Marion Goos kommen die meisten, wenn es schon zu spät ist. Einige schaffen es gerade noch, ihre Firma zu verkaufen, dann ist erst mal Ende. Die Ärztin übt mit ihnen, ihren Körper, ihre Umwelt wieder wahrzunehmen, vom High-Speed runterkommen. "Sie sollen nicht langsamer werden, aber sie müssen lernen, schnell und langsam zu können."

Die Achterbahn im Kopf also auch mal anzuhalten.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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