BGH zu spickmich.de:Internet als Kneipe und Klo

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Persönlichkeitsverletzungen im Netz tun weh. Doch eine Note für Lehrer ist in Ordnung, auch wenn sie denen nicht gefällt: Meinungen sind nicht fair.

Heribert Prantl

Spickmich sammelt Meinungen über Lehrer. Spickmich ist gewiss kein quasi-amtlicher Prüfungsbescheid. Wenn Schüler dort ihre Lehrer anonym bewerten, dann ist das so viel oder wenig aussagekräftig, wie andere anonyme Bewertungen im Internet auch - wie die Buch-, Gastronomie- oder Hotelkritiken. Sie sind nicht objektiv, nicht repräsentativ und nicht manipulationssicher. Aber es wäre seltsam, wenn eine Meinung objektiv, repräsentativ und manipulationssicher sein müsste. Müsste freie Meinungsäußerung abgewogen und zuträglich sein, dann wäre sie nicht mehr frei. Mit Kriterien wie fair oder unfair, gerecht oder ungerecht kommt man also bei Internet-Foren nicht viel weiter.

Das Lehrerbewertungsportal spickmich.de: Dass der Bewertete mit der Bewertung nicht immer einverstanden ist, liegt in der Natur der Sache. (Foto: Foto: dpa)

Wenn der Kritisierte mit seiner Bewertung nicht einverstanden ist, liegt das in der Natur der Sache. Das ist bei spickmich so, das wird beim Ärzte-TÜV nicht anders sein. Es kann auch nicht zur Voraussetzung für freie Meinungsäußerung gemacht werden, dass man mit Namen und Adresse dafür einsteht; das mag wünschenswert sein, ist aber keine Pflicht.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Gleichwohl öffnet ein Mausklick des Anonymus keine rechtsfreie Sphäre. Das Internet ist kein Freiraum für Beleidigung, üble Nachrede und Schmähkritik. Die Grenzen, die das Recht mit diesen Straftatbeständen setzt, gelten für das Internet erst recht: Es ist die größtmögliche Öffentlichkeit. Das Internet ist kein Intranet für lustige Jugendliche. Es ist keine elektronische Privatwohnung. Es ist etwas anderes als ein Klassenzimmer, in dem man sich in der Pause Gemeinheiten über den Mathe-Lehrer erzählt. Es ist nicht einfach vergrößerter Schulhof oder riesige Kneipe, auch kein globales Klohäuschen, an dessen Wände man Obszönitäten schmiert. Persönlichkeitsverletzungen im Internet tun besonders weh.

Das Internet ist ja nicht nur die größte Wissens-, sondern auch die größte Gerüchtemaschinerie, die es je gegeben hat. Einerseits hat die Meinungsfreiheit im Internet ein unglaublich großes Forum; das ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite darf es nicht sein, dass unter dem Schutz von Meinungsfreiheit und Internet-Anonymität Mobbing und sonstige Unverschämtheiten freie Bahn haben.

Das Recht muss also erstens die Grenzen der Meinungsfreiheit im Internet klar markieren - und zweitens, das ist besonders wichtig, dafür sorgen, dass es auch Konsequenzen hat, wenn sie nicht eingehalten werden. Darauf läuft nun auch das Urteil des Bundesgerichtshofs hinaus, das spickmich für zulässig erklärt.

Eine Bewertung von Lehrern, Ärzten, Journalisten, Professoren und Automechanikern im Internet ist in Ordnung, auch wenn es denen nicht gefällt. Wenn aber die weiten Grenzen des Erlaubten überschritten werden, muss das Recht auf den Rechtsverletzer zugreifen können. Das heißt: Entweder es muss dessen Anonymität geknackt werden können - oder aber der Betreiber des Internet-Forums muss in Haftung genommen werden. Internet ist große Freiheit. Aber Freiheit ohne Verantwortung gibt es nicht.

© SZ vom 24.6.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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