Bei der Gehaltsverhandlung zockt jeder, heißt es. Die Frage nach dem aktuellen Verdienst ist für viele Bewerber daher reine Formsache: Ihrer Ansicht nach soll damit bloß die Untergrenze des Verhandlungsspielraums festgelegt werden. Und die darf man ruhig ein bisschen höher ansetzen, oder?
Mit einer eindeutigen Antwort tun sich auch Arbeitsrechtler schwer. Denn das bisherige Gehalt gehört nicht eindeutig zu den Tabu-Fragen, auf die Arbeitnehmer notfalls lügen dürfen. Wenn die neue Stelle ähnliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Kandidaten erfordert wie die alte, darf sich der Arbeitgeber nach der aktuellen Bezahlung erkundigen. Erlaubt ist die Frage auch dann, "wenn der Bewerber die bisherige Vergütung als Grund für seine Gehaltsforderung anführt", sagt Tatjana Ellerbrock, Fachanwältin für Arbeitsrecht - also zum Beispiel, wenn ein Bewerber sagt, dass er sich mit einem Jobwechsel finanziell nicht verschlechtern will.
"Der Bewerber kann immer sagen, dass er keine Auskunft geben möchte oder über Vertragsbedingungen Stillschweigen vereinbart wurde, aber mit klaren Lügen sollte er vorsichtig sein", sagt Arbeitsrechtler Daniel Hautumm. Denn die gelten als arglistige Täuschung und berechtigen den Arbeitgeber noch bis zu zehn Jahre später, den Arbeitsvertrag anzufechten, wenn er davon erfährt.
Ein paar Freiheiten zur Verhandlung lässt die Rechtsprechung aber dennoch: Schummeln wird nämlich erst dann zur Gefahr, wenn der Bewerber damit rechnen muss, dass sein bisheriges Gehalt entscheidend für die Einstellung wird. Wer pokern will, muss deshalb genau hinhören: Fragt der Personaler bloß nebenbei, was er eigentlich vorher verdient hat? Dann kann man ein bisschen dicker auftragen (und notfalls später sagen, man habe sich da vertan und nicht gewusst, dass die Frage entscheidend sei). Hakt ein Vertreter der Unternehmensseite aber mehrfach nach und weist er darauf hin, dass die Forderungen eigentlich das allgemeine Gehaltsgefüge des Unternehmens sprengen, sollte der Anwärter ehrlich sein.
Manchmal fliegt der Schwindel sofort auf
Ob die Mogelei überhaupt lohnt, sollten Bewerber in jedem Fall vorher prüfen - sonst kommen sie damit möglicherweise nur bis zum Ausfüllen des Personalbogens. Denn weil Arbeitnehmer in Deutschland, die ein bestimmtes regelmäßiges Jahresentgelt nicht überschreiten, in der gesetzlichen Krankenkasse pflichtversichert sein müssen, hat der Datenschutz dort seine Grenzen. Die Pflichtversicherung muss der Arbeitnehmer bei Einstellung angeben und damit im Jahr 2017 bestätigen, dass er weniger als 57 600 Euro (monatlich 4800 Euro) verdient hat.
Wer also zuvor behauptet hat, 60 000 Euro brutto pro Jahr zu beziehen, wird als Lügner enttarnt. Die sogenannte Jahresarbeitsentgeltgrenze wird immer wieder angepasst und sollte unbedingt beim Pokern bedacht werden. Erfahrene Personaler finden anhand dieses Merkmals oft auch heraus, dass bei bisherigen beruflichen Stationen geblendet wurde: Eine Managerposition bei einer großen deutschen Versicherung passt nicht zusammen mit einer Pflichtversicherung. Selbst wenn die Einstellung dennoch erfolgt und der Arbeitsvertrag nicht angefochten wird: Arbeitnehmer sollten sich gut überlegen, welchen ersten Eindruck sie in der Personalabteilung bei ihrem neuen Arbeitgeber hinterlassen möchten.
Wer einmal über die Versicherungspflichtgrenze hinaus ist, muss sich über eine so einfache Enttarnung keine Sorgen mehr machen. Ob jemand 70 000, 80 000 oder 100 000 Euro im Jahr eingestrichen hat, geht aus dem Personalbogen nicht hervor.