Bewerbungsgespräch:Patzer im Jobinterview - so überzeugen Sie trotzdem

Lesezeit: 4 Min.

Das Vorstellungsgespräch findet meist hinter verschlossenen Türen statt - nicht so in der gleichnamigen Vox-Serie. Daraus lässt sich lernen. (Foto: Matt Hoffman/__matthoffman__/unsplash.com)

Mit kniffligen Fragen wollen Personaler Bewerber unter Stress testen - auch in der Vox-Serie "Das Vorstellungsgespräch". Ein Coach verrät, wie Sie da wieder rauskommen.

Interview von Larissa Holzki

Stellen Sie sich vor, Sie sind Paketbote und müssen zur Mittagszeit eine Eil-Lieferung zustellen: Route A führt an einer Schule vorbei, über Route B tuckert die Müllabfuhr, auf Route C ist Baustellenstau. Welche Strecke fahren Sie? Mit dieser Aufgabe überraschen Personaler in Folge 1 der Vox-Serie "Das Vorstellungsgespräch" die Bewerber eines Logistikunternehmens. Die Marketing-Kandidaten einer Fitness-Kette sollen ein fiktives Publikum zu ihrem Infostand locken.

Alles nur zum Zweck der Unterhaltung? Oder mögliche Szenarien jedes Bewerbungsgesprächs? Nachgefragt bei Karrierecoach Walter Feichtner: Er bereitet Jobsuchende in München und Studenten an rund 20 Universitäten und Fachhochschulen auf Bewerbungsgespräche und Assessment-Center vor. Weil er Unternehmen bei der Personalauswahl unterstützt, weiß er, was sie dort erwartet - und wie sie bei Ratlosigkeit und Patzern am besten reagieren.

SZ: Herr Feichtner, komplizierte Fälle lösen, das gehört für gewöhnlich zum Bewerbungsprozess um begehrte Stellen bei Beratungsfirmen. Aber muss heute auch ein Paketbote auf solche Aufgaben vorbereitet sein?

Walter Feichtner: Eignungstests und Vorstellungsgespräche, die klassisch aus Selbstpräsentation und Fragen bestehen, verschwimmen immer mehr. Solche Mini-Fälle sind heute tatsächlich fast immer enthalten. Der Bewerber soll beispielsweise einen Konflikt lösen oder eine schnelle Entscheidung treffen.

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Wie sollten Bewerber am besten vorgehen?

Vor allem strukturiert! Die Qualität der Lösung ist gar nicht so entscheidend. Zeigen Sie, wie Sie an die Aufgabe herangehen, dass Sie Dinge anpacken wollen und sich Herausforderungen stellen. Am besten beschreiben Sie Ihre Überlegungen laut.

In der Vox-Serie soll eine Marketing-Kandidatin schildern, wie Sie einen Infostand bei einem bestimmten Event gestalten und bewerben würde. Offenbar weiß sie jedoch nicht, worum es bei der Veranstaltung überhaupt geht. Was hätten Sie ihr geraten - improvisieren oder nachfragen?

Wer fragt, gewinnt. Wer nicht fragt, kann in die falsche Richtung laufen.

Ich sage also bei Unklarheiten frei heraus, dass ich etwas nicht verstanden habe oder die Veranstaltung nicht kenne?

Ja. Oder Sie versuchen, fehlendes Wissen nicht gleich preiszugeben. Zum Beispiel indem Sie sagen: "Können Sie noch mal präzisieren, worum es bei der Veranstaltung geht?" Oder: "Können Sie mir noch mal genauer sagen, was Sie in Bezug auf meine Antwort erwarten?" Wer immer wieder zeigt, dass er etwas nicht verstanden hat, wird sich damit rausschießen, aber ein, zwei Nachfragen zeigen, dass Sie interessiert sind, das Problem zu erkunden und wirklich zu lösen - und das ist im Job gefragt.

Wie rette ich mich aber, wenn ich auch nach der Präzisierung keine Antwort weiß?

Manchmal hilft es, um den heißen Brei herumzulabern. Damit zeigen Sie: Ich bin kommunikativ und spontan, ich kann mich auch mit Themen auseinandersetzen, in denen ich nicht topfit bin.

Sie empfehlen, den Personalern etwas vorzuspielen?

Ein bisschen Show gehört dazu. Damit Sie nicht als Schwafler gesehen werden, lassen Sie an anderer Stelle mal etwas stehen und versuchen, zur nächsten Frage zu kommen.

Aber die Gesprächsführung liegt doch in der Regel auf Seite des Unternehmens. Wie leite ich als Bewerber zum nächsten Punkt über ohne dass es den Anschein macht, als würde ich den Fragenden übergehen?

Wenn man mit seiner Lösung selbst nicht zufrieden ist, kann man ruhig auch mal sagen: "Das ist ein Gebiet, auf dem ich nicht so bewandert bin." Oder Sie beenden Ihren Lösungsansatz mit einer Formulierung wie: "Man könnte natürlich noch andere Punkte einbringen, aber das wollte ich kurz zu meiner Sicht sagen." Ein geschickter Schachzug wäre auch darzustellen, wie Sie im Joballtag vorgehen würden, wenn Sie vor unbekannten Aufgaben stehen: Wen würden Sie um Rat bitten, wo würden Sie sich die nötigen Informationen beschaffen? Bevor man sich verzettelt, empfehle ich die deutliche Abgrenzung: "Ich würde gerne zum nächsten Thema kommen."

Job-Knigge
:Neun Benimm-Regeln für das Bewerbungsgespräch

Wer gibt zuerst die Hand? Soll ich den Kaffee annehmen? Und was, wenn der auf der Bluse landet? Im Bewerbungsgespräch ist jeder aufgeregt - umso wichtiger ist es, Patzer zu vermeiden.

Von Christina Waechter und Jessy Asmus (Illustrationen)

Gesetzt den Fall, mir fällt im Lauf des Gesprächs doch noch eine bessere Antwort ein. Kann ich auf die Frage zurückkommen?

Wenn man merkt: Da ist ein Punkt, der einem nicht eingefallen ist und man sollte die Antwort revidieren, darf man das. Zeigen Sie sich selbstkritisch, aber auch selbstbewusst: "Ich habe jetzt eine bessere Lösung, die ich gerne noch anmerken würde - darf ich sie Ihnen kurz erläutern?" Wenn der Bewerber das nicht zu oft macht, finde ich das sehr gut.

Walter Feichtner ist studierter Kulturwirt und Inhaber der Beratung Karrierecoach München. (Foto: privat)

Wie reagiere ich, wenn Personaler oder Fachkräfte mich mit Mängeln an meiner Antwort oder meiner Lösung konfrontieren?

Nicht umfallen, aber Feedback und Kritik annehmen. Kritik heißt ja nicht unbedingt, dass die Lösung schlecht ist. Vielleicht ist das nur Strategie, um zu verunsichern und zu schauen, wie gut man mit Stress umgehen kann. Wenn der Gesprächspartner zu bedenken gibt, "Sollte man das nicht besser so oder so machen?", dann nehmen Sie das an: "Super, vielen Dank. Mit der Anregung würde ich es beim nächsten Mal vielleicht ein bisschen anders angehen." Aber man sollte sich seine eigenen Lösungen nicht schlecht reden lassen. Enttäuschung zu zeigen, ist der falsche Weg.

Und wenn die Antwort schlichtweg falsch war?

Dann würde ich dem Bewerber raten, den Fehler zuzugeben, der ihm vielleicht auch aufgrund der Anspannung unterlaufen ist. Fehler dürfen gemacht werden. Wichtig ist, dass man sich nicht unter Druck setzen lässt.

Das lässt sich nicht immer vermeiden. Und in der Aufregung passiert es: Man verhaspelt sich, die Grammatik passt hinten und vorne nicht mehr...

Das finde ich nicht so schlimm. Wenn es ein ganz großer Patzer ist, kann man sagen: "Tut mir leid, ich war jetzt ein bisschen nervös, deswegen hab ich mich da verhaspelt." Aber Sie sind sicher nicht der Erste, der in dieser Stresssituation undeutlich spricht oder ein falsches Wort sagt. Das liegt in der menschlichen Art. Man sollte versuchen, nicht gleich schweißnass in das Gespräch zu kommen und sich notfalls im Bad noch mal kurz frisch machen und das Hemd tauschen. Aber nervös darf man sein.

In der Reihe "Das Vorstellungsgespräch" sind noch fünf weitere Folgen geplant. Immer dienstags, gegen 22.50 Uhr, zeigt Vox, womit Bewerber Chefs überzeugen und welcher der Fernsehkandidaten den Job bekommt.

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