Amerikanische Universitäten:Helfer in der Krise

Lesezeit: 2 min

Hochschulen in den USA unterstützen ihre arbeitslosen Absolventen gratis bei der Jobsuche - und hoffen zum Dank auf großzügige Spenden.

Roman Deininger

Die Karriere war gut gelaufen für Cris Grigoras, er hatte einen Doktortitel in Chemie und eine üppige Stelle in der Forschungsabteilung eines New Yorker Pharmaunternehmens. Bis November 2008: Er saß am Steuer seines Wagens, als ihn der Anruf seines Chefs erreichte. Mit leiser Stimme bat der ihn, kurz rechts ranzufahren.

Berufsberatung von der Universität: Der Absolventen-Service wird in den USA so stark nachgefragt wie nie. (Foto: Foto: Reuters)

Ein paar Minuten später wusste Grigoras, dass er seinen Job bald los ist. Er verdaute den Schock zwar schnell, war überzeugt, dass er rasch anderswo unterkommen wird. "Ich bin erst 35 Jahre alt, ich habe alle Qualifikationen", sagte er sich. Drei Monate später stand er aber immer noch auf der Straße, seine Frau ernährte die Familie. "Arbeitslosigkeit trägt in den USA ein Stigma", weiß Grigoras heute. "Das war keine leichte Zeit." Er holte sich damals Tipps für die Jobsuche im Internet, und einer dieser Tipps war: "Vielleicht kann die alte Uni helfen."

Fünf Jahre zuvor hatte Grigoras an der University of Pennsylvania promoviert, einer der ältesten und renommiertesten Hochschulen der USA. "Penn", wie die private Uni kurz genannt wird, gehört zum Eliteverbund der Ivy League. Schmale, baumgesäumte Wege durchkreuzen den Campus und führen zu beschaulichen Backsteinbauten.

Hochqualifizierte aus allen Bereichen

Die Berufsberatung sitzt hingegen in einem eher unscheinbaren Hochhaus. 27 Mitarbeiter kümmern sich hier um die berufliche Zukunft von mehr als 20.000 Studenten. "Wir haben ganz schön zu tun", sagt Direktorin Patricia Rose, ein grauhaariges Energiebündel. "Es ist aber selbstverständlich, dass auch Ehemalige zu uns kommen können." Und es kommen immer mehr, nicht nur hier.

Die Finanzkrise hat in den USA viele Hochqualifizierte aus allen Bereichen arbeitslos gemacht. Nach zehn, zwanzig, dreißig Jahren im Beruf müssen sie sich neu orientieren. "Das ist extrem schwer für diese Leute", sagt Rose, "es hat sich viel geändert, seit sie das letzte Mal einen Job gesucht haben." Viele hätten keine Vorstellung davon, wie wichtig Online-Netzwerke geworden sind.

Cris Grigoras war das durchaus bewusst, doch auch er erkannte bald: "Jeder kann Hilfe gebrauchen, das muss man sich eingestehen." Der Weg zurück an die alte Uni sei nicht leicht gewesen, sagt er, "du denkst ja, das hast du hinter dir". Aber die Überwindung habe sich gelohnt. Ein halbes Jahr lang stand Grigoras ein Ratgeber zur Seite, der die Bewerbungsunterlagen aufpolierte und ihn mit anderen Penn-Absolventen in Unternehmen in Verbindung brachte. Alles gratis, wie bei fast jeder privaten Uni. Öffentliche Hochschulen haben ähnliche Angebote, bei einigen sind sie indes kostenpflichtig.

Hilfe gegen Spende

Der Absolventen-Service ist in den USA nicht neu, "aber er wurde noch nie so stark nachgefragt wie heute", sagt Rose. Im Jahresschnitt seien bisher etwa zehn Prozenten ihrer Klienten Ehemalige gewesen - nun wird sich die Zahl wohl mindestens verdoppeln. Bei anderen Unis dürfte sie noch höher liegen, offensiv wird für die Beratungsdienste geworben. Als die Lehman-Bank zusammenbrach, schickte die Berufsberatung der ebenfalls in Pennsylvania gelegenen Bucknell University ihren 47 Absolventen im Dienst der Bank eine Einladungs-Email. Andere Unis organisieren regelmäßig Info-Veranstaltungen in Metropolen wie New York oder Los Angeles.

Völlig selbstlos sind diese Angebote allerdings nicht: Cris Grigoras hat nach neun Monaten Suche eine attraktive neue Stelle angetreten, er entwickelt jetzt Zahnpasta. "Die Unterstützung durch die Uni werde ich nicht vergessen", sagt er. Demnächst will er seiner Hochschule eine Spende zukommen lassen, "und es wird nicht die letzte sein", sagt Grigoras.

© SZ vom 24.8.2009/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: