Sie sind klein, rasch aus der Tasche gezogen und ebenso schnell in die Tasse getaucht: Klappthermometer führen derzeit noch ein Nischendasein. Doch durch eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO könnte sich das ändern.
Am Mittwoch hat die WHO-Krebsforschungsagentur IARC in Lyon eine Neubewertung für die Heißgetränke Kaffee und Mate-Tee vorgestellt. Die gute Nachricht: Nach 25 Jahren revidiert die IARC ihre wissenschaftlich völlig überholte Auffassung, Kaffee könne Blasenkrebs verursachen. Das Lieblingsgetränk der Deutschen wird wie Tee und Mate künftig als unproblematisch eingestuft. Der Haken an der guten Nachricht: Sie gilt nur für Kaffee oder Mate, der nicht "sehr heiß" getrunken wird. Denn sehr heißer Kaffee erzeugt laut IARC eben doch Krebs. Was unter "sehr heiß" zu verstehen ist, wissen die Experten allerdings nicht sicher. Sie gehen davon aus, dass Heißgetränke oberhalb 65 Grad Celsius Speiseröhrenkrebs verursachen können.
"Heißer" Mate-Tee in die Kategorie 2A, wahrscheinlich krebserregend
Die IARC hatte ihre letzte Bewertung für Heißgetränke im Jahr 1991 abgegeben. Damals kam "heißer" Mate-Tee in die Kategorie 2A, wahrscheinlich krebserregend. Kaffee landete mit der Beschränkung auf Blasenkrebs unter 2B, möglicherweise krebserregend. Die höchste Gefährdungskategorie der IARC ist 1, sie umfasst derzeit 118 Stoffe.
Ernährung:Das Herz verträgt Kaffee
Welches Ergebnis erzielen Wissenschaftler, wenn sie Zigtausende Schweden zwölf Jahre lang Kaffee trinken lassen? Eines, das Kaffeetrinker beruhigen sollte: Das Getränk erhöht nicht das Risiko für Vorhofflimmern.
Nun muss man nicht regelmäßiger Leser von Fachzeitschriften sein, um mitbekommen zu haben: Neue Studien zu positiven wie negativen Effekten von Kaffee hat es seit 1991 in großer Zahl gegeben. Kaffee ist eben beliebt, auch die Deutschen trinken mehr davon als Wasser, derzeit pro Kopf durchschnittlich 162 Liter im Jahr. Ob das Gebräu gesünder, kränker oder doch bloß wach macht, bleibt aber unklar. Der Effekt ist in jedem Fall gering.
Außerdem kennt man mittlerweile Dutzende Inhaltsstoffe aus der Bohne mit verschiedenen Wirkungen, auch schwache Antikrebseffekte gehören dazu. Mehr als tausend der jüngeren Studien haben die Krebsforscher der WHO-Agentur jetzt analysiert. Der Verdacht von einst lässt sich nicht halten. "Nach derzeitiger epidemiologischer Datenlage spricht ganz klar nichts gegen einen hohen Kaffeekonsum", sagt Heiner Boeing von Deutschen Institut für Ernährungsforschung. "Wir gehen derzeit eher von positiven Effekten aus."
Bewertungsskala zeigt nicht, welches Risiko im Alltag besteht
Stattdessen nun die neue Temperatur-Warnung, die Medizinern nur ein müdes Lächeln abringen wird. Wer Tumoren in Speiseröhre oder Blase verhindern will, braucht heißen Kaffee nicht zu meiden, sondern Alkohol und Tabak. Beide erhöhen das Risiko für Speiseröhrenkrebs erheblich. Tabak ist zudem für die Hälfte der jährlich 16 000 Blasenkrebs-Erkrankungen verantwortlich. Vermutlich senkt Kaffee bei Rauchern das Risiko sogar.
Stellt sich trotzdem die Frage, was der Kaffeetrinker mit der neuen Warnung anfangen soll. Die Bewertungsskala der Agentur zeigt nur an, wie gut eine Gefährdung durch Studien belegt ist. Sie sagt nicht, wie stark die krebserregende Wirkung eines Stoffes ist. Oder welches Risiko im Alltag besteht. All jenen, die lieber heißen Kaffee statt Eiskaffee wollen, bleibt daher wohl nur die Eigeninitiative: erst messen, dann trinken. Was immer es hilft.