Im 20. Jahrhundert erschien das Szenario nicht vorstellbar: das Ende der einstigen Schreckenskrankheit Aids. Mittlerweile strebt die Weltgemeinschaft den Sieg über die Seuche an. Wie das erreicht werden könnte.
Wie sehen die Pläne zur Beendigung der Krankheit aus?
Die Jahrtausendwende markierte den Wendepunkt: Erstmals flachte die Kurve der weltweiten HIV-Infektionen ab und sank danach stetig weiter. Beflügelt von diesem Erfolg einigten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen auf das Ziel, die Immunschwächekrankheit bis 2030 zu besiegen. Tatsächlich aber geht es nicht um die komplette Ausrottung des Virus. Das Vorhaben der maßgeblichen Behörde Unaids steckt vielmehr in der griffigen Formel 95-95-95. Das heißt, dass bis 2030 etwa 95 Prozent aller Infizierten von ihrer Ansteckung wissen sollten. Von ihnen sollen wiederum 95 Prozent Medikamente bekommen, die ihrerseits bei 95 Prozent hoffentlich so gut wirken, dass die Betroffenen weder erkranken noch die Erreger weitergeben. Hochgerechnet bedeutet dies, dass 86 Prozent aller HIV-Infizierten optimal behandelt werden. Neuinfektionen sind in diesem Zukunftsszenario nicht ausgeschlossen. Sie sollen jedoch die Zahl von 200 000 pro Jahr nicht übersteigen.
Crispr und HIV:Grotesk verzerrte Botschaft
Dass der chinesische Forscher He ausgerechnet HIV als Ziel seiner Genmanipulation gewählt haben will, verkennt alles, wofür der Kampf gegen Aids seit Jahrzehnten steht.
Wie sollen diese Ziele erreicht werden?
Derzeit kämpft die Weltgemeinschaft noch darum, den ersten Meilenstein zu erreichen, der für 2020 gesetzt ist und auf die Formel 90-90-90 gebracht wurde. Die größte Rolle kommt dabei antiretroviralen Medikamenten zu. Durch diese Mittel haben Infizierte nicht nur eine nahezu durchschnittliche Lebenserwartung, sondern senken auch ihr Risiko drastisch, andere anzustecken. In den Plänen, die Unaids aufgestellt hat, gehen 60 Prozent der verhinderten Infektionen auf diese Medikamente zurück. Dennoch behalten andere Maßnahmen ihre Berechtigung. Denn Aids zeigt in vielen Regionen der Erde unterschiedliche Facetten. In vielen südlichen Staaten Afrikas tritt die Krankheit in der breiten Bevölkerung auf; es ist keine Seltenheit, dass Mütter ihre Babys anstecken. In Osteuropa infizieren sich vor allem Drogenabhängige, die Spritzen teilen. In fast allen Weltregionen sind Prostituierte eine Risikogruppe, in Westeuropa und USA sind vor allem homosexuelle Männer mit wechselnden Partnern gefährdet. Das Vorgehen muss also entsprechend angepasst werden - von besserer Schwangerschaftsbetreuung bis zu Spritzentauschprogrammen.
Wo steht die Welt derzeit?
Experten vermuten, dass die Ziele bis zum Jahr 2020 verfehlt werden. Statt 90-90-90 lauten die Werte derzeit 75-79-81. Auch Deutschland hat die angestrebte Marke noch nicht ganz erreicht. Für das Jahr 2017 hieß die Bilanz: 87-92-95.
Wie viele Infizierte leben in Deutschland?
2017 dürfte die Zahl der Neuinfektionen leicht zurückgegangen sein. Den jüngsten Schätzungen des Robert-Koch-Instituts zufolge haben sich im vergangen Jahr etwa 2700 Menschen angesteckt. Für die Jahre 2014 bis 2016 geht das Institut von jeweils 2900 Neuinfektionen aus. Die aktuellen Zahlen sind nicht exakt zu bestimmen, da die Infektion oft erst Jahre nach der Ansteckung erkannt wird. Das heißt auch, dass derzeit geschätzt 11 400 Menschen in Deutschland leben, die nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind. Insgesamt leben rund 86 000 Menschen mit dem Virus.
Welche Rolle spielt Prep beim Kampf gegen die Krankheit?
Die sogenannte Präexpositionsprophylaxe (Prep), die nach dem Willen von Gesundheitsminister Jens Spahn auch in Deutschland Kassenleistung werden soll, ist wirkungsvoll und sicher. Prep ist so etwas wie die Pille davor, einzunehmen von noch nicht infizierten Menschen. Tun sie dies regelmäßig, sind sie zu etwa 90 Prozent vor einer HIV-Infektion geschützt. Allerdings zeigte sich in bisherigen Studien, dass die Tablette doch immer wieder vergessen wurde. Die Schutzwirkung sank deshalb teilweise auf unter 50 Prozent. Prep ist außerdem im Vergleich zu anderen Vorsorgemöglichkeiten teuer. Sie wird nicht, wie die gängigen Schutzimpfungen, flächendeckend empfohlen, sondern ist lediglich für Menschen mit einem hohen Ansteckungsrisiko vorgesehen. Wie erfolgreich die Strategie ist, hängt also auch davon ab, die gefährdeten Personen rechtzeitig zu identifizieren und zu überzeugen. Da die medikamentöse Vorsorge ein relativ neues Instrument der Aids-Kontrolle ist, spielt sie in den bisherigen globalen Strategien keine große Rolle.